Lewis Hamilton hat sich daran gewöhnt. Leicht gefallen ist es dem siebenmaligen Weltmeister wohl nicht, mittlerweile aber kann er sich auch über kleine Erfolge freuen. Früher wäre ein Überholmanöver für ihn so normal gewesen wie eine Tasse Kaffee zum Frühstück. Zu überlegen war sein Formel-1-Rennwagen über viele Jahre hinweg. Momentan aber hat Mercedes den Anschluss an die Spitze verloren. Red Bull und Max Verstappen dominieren. Auch beim Chaos-Rennen am Sonntag in Melbourne.
Der Niederländer siegte also erneut. Hamilton aber hatte ein kleines Erfolgserlebnis. "Wenigstens konnte ich Max mal überholen", sagte er nach dem Rennen und lachte. Es war am Start gewesen, der Brite kam tatsächlich am eigentlich deutlich schnelleren Red Bull vorbei. Später führte Hamilton das Rennen sogar mal an. Am Ende war es aber wie immer: Verstappen vorne, die Konkurrenz weit weg. Diesmal aber in Person von Hamilton als erstem Verfolger. Der 38-Jährige wurde Zweiter, damit hatte er nicht gerechnet. "Das war sehr unerwartet", sagte er.
Hamilton spürt noch keine Verbindung zum Auto
Der Mercedes bietet noch immer nicht das Fahrgefühl, das der siebenmalige Weltmeister so sehr schätzt. "Ich fühle noch keine Verbindung zum Auto, ich fühle mich immer noch unwohl", sagte Hamilton. 103 Rennen hat er in seiner Formel-1-Karriere gewonnen, er weiß durchaus, was es braucht, um Erster zu werden. Sein aktuelles Auto bietet ihm das nicht. Weil der Mercedes nicht zuverlässig genug seine Stärken abruft. Weil das Auto oftmals zu unruhig ist. Wie schon in der vergangenen Saison, als Hamilton gänzlich ohne Rennsieg geblieben war.
Die Hoffnung, die Lücke auf Red Bull kleiner werden zu lassen, war vor diesem Jahr groß. Nun sind drei Rennen vorbei, Mercedes hat noch immer einen großen Rückstand. Zuversicht breitet sich dennoch aus. Weil zwar Red Bull in einer eigenen Liga fährt, die Silberpfeile aber mit Aston Martin und Ferrari zumindest auf Augenhöhe sind. "Wir haben an diesem Wochenende einen Schritt nach vorne gemacht", sagte denn auch Toto Wolff. Der Mercedes-Teamchef forderte: "Wir müssen weiter mehr über das Auto lernen." Es dürften weiter arbeitsintensive Tage in der Rennfabrik in England werden, bis das nächste Rennen am 30. April in Baku stattfindet.
Russell fühlt sich in seinem Wagen deutlich wohler
Die Fahrer sind dabei wichtige Informationsquellen. Sie spüren hautnah, wie sich ihr Fahrzeug auf der Stecke verhält. Ob die Balance stimmt, ob der Abtrieb passt oder das Auto eher über die Strecke rutscht wie auf Glatteis. Während Hamilton da noch seine Probleme hat, fühlte sich sein Kollege Georg Russell in Australien deutlich wohler. Sein Eindruck des Dienstwagens: siegfähig. Dumm nur, dass er wegen eines Problems mit der Antriebseinheit frühzeitig mit einem brennenden Heck ausgeschieden war. Sonst, da ist sich Russell sicher, hätte er um Platz eins kämpfen können.
Dem 25-Jährigen war in der vergangenen Saison der einzige Sieg für Mercedes in Brasilien gelungen, während sein eigentlich höher eingeschätzter Teamkollege ein frustrierendes Jahr erlebte. Die überraschenden Kräfteverhältnisse spiegelten auch die Zahlen wider: Russell hatte 275 WM-Punkte gesammelt, Hamilton nur 240. In die Nähe der Spitze aber kamen beide nicht.
Das soll sich wieder ändern. Mercedes möchte kurzfristig zumindest wieder die zweite Kraft werden, nachdem in den ersten Saisonrennen sogar Fernando Alonso im Aston Martin deutlich schneller war. Der Spanier stand auch in Australien auf dem Podest. Aber eben nur als Dritter – hinter Hamilton. Der wollte aber dennoch noch nicht von einer Trendwende sprechen. Hoffnungsvoll aber ist auch er. "Wir können die Lücke schließen. Es ist ein weiter Weg, aber nicht unmöglich", sagte Hamilton. Bis dahin muss er sich eben über kleine Erfolgserlebnisse freuen.