Früher gab es sie mal, die Formel deutsch. Zumindest umgangssprachlich. Es waren die Zeiten, in denen etliche Piloten aus Deutschland am schnellsten Kreisverkehr der Welt teilnahmen. 2010 waren es sieben deutsche Fahrer: Michael Schumacher, Nico Rosberg, Nico Hülkenberg, Timo Glock, Adrian Sutil, Nick Heidfeld und Sebastian Vettel. Es war ein Rekordjahr. Zudem fanden damals in Deutschland regelmäßig Rennen statt. Meist abwechselnd auf Hockenheim- und Nürburgring.
Mittlerweile aber ist Tristesse eingekehrt. Auch in der an diesem Wochenende beginnenden Saison wird die Formel 1 nicht in Deutschland Station machen. Und mit Hülkenberg ist nur noch ein Stammpilot dabei. Bei RTL wird es kein Rennen mehr live zu sehen geben, Sky hat die Übertragungsrechte und bietet die Rennaction nur im Bezahlfernsehen. Immerhin mit den ehemaligen Rennfahrern Ralf Schumacher, Nico Rosberg und Timo Glock als Experten.
Wer mag, kann nun einwenden, dass das vom deutschen Hersteller Mercedes geprägte Team doch eine wichtige Rolle einnimmt. Wer aber genau hinschaut, muss feststellen, dass der Teamsitz der Silberpfeile in England und damit der Einfluss aus Stuttgart gering ist. Britisch-schwäbische Renngemeinschaft klingt immerhin ganz nett. Mit Mick Schumacher kommt zumindest der Ersatzfahrer aus Deutschland. Viel Hoffnung auf Renneinsätze aber sollte sich der Sohn des Rekordweltmeisters nicht machen.
Hülkenberg soll Haas mit seiner Erfahrung helfen
Immerhin Nico Hülkenberg hat sich ein Cockpit gesichert. Er folgt auf Schumacher beim Haas-Team und soll den Amerikanern mit seiner Erfahrung helfen. Mit Schumacher war Teamchef Günther Steiner nicht mehr zufrieden. Der 23-Jährige hatte im ersten Teil der Saison zu viele Unfälle verursacht, was richtig Geld kostete. Der Aufwärtstrend in Teil zwei des Jahres brachte keine Wende mehr. Schumacher musste Haas verlassen.
Hülkenberg verkörpert nun die alleinige deutsche Hoffnung. Auch, weil Sebastian Vettel seine Karriere beendet hat. Kurze Gerüchte eines möglichen Comebacks für Aston Martin waren schnell verschwunden. Es war spekuliert worden, ob Vettel den verletzten Lance Stroll ersetzen würde. Es wurde nichts daraus. Damit richten sich die Blicke auf Hülkenberg. Mit dem 35-Jährigen aber ist die emotionale Bindung nicht so eng wie mit seinen Vorgängern. Hülkenbergs Fangemeinde ist überschaubar. Auch weil ihm trotz 181 Rennen in der Motorsport-Königsklasse noch der ganz große Erfolg fehlt. Er schaffte es noch nicht einmal aufs Podest. Es wäre sehr überraschend, würde sich das in diesem Jahr ändern. "Wir wollen um den sechsten Platz kämpfen", kündigte Steiner an. Es wäre eine Verbesserung zur vergangenen Saison, die Haas auf Rang acht abschloss. Vor allem aber würde es mehr Preisgeld bedeuten.
Eine letzte verbale Ohrfeige für Mick Schumacher
Hülkenberg soll auf diesem Weg helfen. "Nico fordert die Ingenieure, weil er sie mit Informationen und Fragen löchert, das waren sie gar nicht mehr gewohnt", lobte der Teamchef seinen neuen Piloten. Es ist wohl auch eine letzte verbale Ohrfeige für Schumacher. Mit seinem neuen Teamkollegen Kevin Magnussen verbindet Hülkenberg eine besondere Beziehung. 2017 gerieten die beiden zunächst beim Rennen in Ungarn auf der Strecke aneinander, hinterher auch verbal. Hülkenberg warf dem Dänen vor, mal "wieder der unsportlichste Fahrer im Feld" gewesen zu sein. Magnussen reagierte mit Worten unter der Gürtellinie. Mittlerweile haben sich die beiden ausgesprochen. Nun müssen sie zusammenarbeiten.
Hülkenberg freut sich auf den Saisonstart. Bei den Testfahrten waren seine Leistungen in Ordnung. Doch erst das Rennen am Sonntag (16 Uhr) wird zeigen, wie die Kräfteverhältnisse tatsächlich sind. "Da wird es so richtig kribbeln, das ist ein so intensiver Moment", sagte Hülkenberg über die Momente kurz vor dem Rennbeginn. Und: "Es ist ein Rausch, der schwer zu beschreiben ist." Den wird er nun dauerhaft erleben. Verzichten muss er dagegen häufiger auf seinen deutschen Stammtisch an seinem Wohnort Monaco. Dort trifft er sich regelmäßig mit AS Monacos Fußball-Torwart Alexander Nübel, Tennisspieler Alexander Zverev oder Reality-Star Robert Geiss. "Sie sind alle sehr glücklich und freuen sich darüber", sagte Hülkenberg über sein Comeback als Stammfahrer. (mit dpa)