70.000 Zuschauerinnen und Zuschauer sitzen auf den Rängen der Münchner Allianz-Arena. Ausverkauftes Haus. Auf dem Platz messen sich die Football-Stars der amerikanischen Profiliga, neben dem Platz geben sich Fußballer, Musiker und Entertainer ein Stelldichein. Mittendrin warten die Flag Footballerinnen der Augsburg Lions auf ihren Auftritt.
Die Anweisung der NFL lautete eigentlich, dass die Spielerinnen Trainingsanzüge anziehen sollen. Die besitzt das junge Team allerdings noch nicht, sodass die Lions in Pullis auf die erste Viertelpause warten. Als es so weit ist, muss alles ganz schnell gehen. Knappe zwei Minuten haben sie, um auf den Platz zu kommen, den Scheck entgegenzunehmen, ein Foto machen zu lassen und wieder zu verschwinden. Doch der Zeitplan misslingt. Das Foto ist nicht ganz geschossen, da werden sie schon wieder vom Platz geschickt. Erst im Tunnel überreicht der Vertreter der Deutschen Kreditbank (DKB) ihnen den Scheck. Auf einen Schlag sind 2500 Euro mehr in der Mannschaftskasse.
Beim Flag Football wird der Gegner nicht zu Boden gerissen
„Wir freuen uns riesig über das Geld“, sagt Lions-Trainer Paul Primps auf einem Randplatz der DJK Augsburg-West, während sein Team hinter ihm trainiert. „Aber das war schon eine abgefahrene Situation, wie das alles so abgelaufen ist.“ Da Primps und seine FLINTA-Mannschaft aus Frauen und allen, die sich nicht als Mann identifizieren, auf Anhieb den deutschen Meistertitel holten, hatten sie die Ehre, das Geld in der Heimstätte des FC Bayern entgegenzunehmen. „Es war eine gute Gelegenheit, um zu netzwerken und sich mit anderen auszutauschen“, sagt Jugendleiter Dustin Altmann. Parallel zu den Lions bekam die U-15-Nationalmannschaft als amtierende Europameisterinnen weitere 5000 Euro.
In dem vergleichsweise jungen Sport ist das gleichzeitig viel und wenig Geld. Viel, weil der Sport eigentlich recht günstig ist. Ein Paar Stollenschuhe, ein Paar Handschuhe – mehr braucht man nicht, um das kontaktlose Flag Football zu spielen. Im Vergleich zur Vollkontakt-Variante müssen die Spieler den Ballführenden nicht zu Boden reißen, sondern ihm eine der zwei Flaggen aus dem Gürtel ziehen. Das spart Schutzausrüstung. Doch es klingt einfacher, als es ist. Flag Footballerinnen sind schnell, wendig und üben ausgefeilte Täuschungsmanöver in ihren Spielzügen aus.
Auf hohem Niveau kann der Sport schnell ins Geld gehen
Früher haben Primps und Altmann noch das gängige Tackle-Football gespielt. Inzwischen haben sie sich in den als „Mädchensport“ verunglimpften Flag Football verliebt. „Es gibt weniger Regeln, weniger Unterbrechungen, weniger Verletzungen und dafür viel mehr Spielzüge, lange Pässe und coole Aktionen“, sagt Primps, „es ist wie die durchgehende Highlight-Variante von American Football.“
Ist man auf einem so hohen Niveau wie die Augsburg Lions, kann der Sport schnell ins Geld gehen, auch wenn das Material vergleichsweise günstig ist. Vor allem die Fahrten sind teuer. Vergangenes Jahr war eine Mannschaft der Lions beim Champions Bowl in Kroatien. Das dreitägige Turnier mit 16 Spielern kostete 7400 Euro. Über den Mitgliedsbeitrag von 12 Euro im Monat ist das nicht zu finanzieren. „Wir haben uns dann dazu entschieden, das Ganze eher als Spaß-Turnier zu sehen“, sagt Dustin Altmann, „wer dabei sein wollte, musste es selbst bezahlen, dafür haben wir unsere Ambitionen etwas zurückgeschraubt.“
2028 ist Flag Football olympisch
So schnell wie sich die Lions entwickeln, so schnell entwickelt sich auch der gesamte Sport. Als sich die Flag-Football-Abteilung der damaligen Augsburg Raptors 2022 ausgliederte, gab es in ganz Deutschland nur gut 50 Flag-Football-Vereine. Mittlerweile gibt es fast dreimal so viele. Auch auf dem Land haben sich die ersten Teams gebildet. Das hängt vor allem damit zusammen, dass der Sport 2028 olympisch sein wird. „Wer heute schnell ist und eine gute Athletik mitbringt, hat die Möglichkeit, in Los Angeles dabei zu sein“, sagt Paul Primps.
Von den Lions haben es bereits vier Spielerinnen in die A-Nationalmannschaft geschafft. Damit Augsburg trotzdem ein Standort für die Breite ist, wollen Altmann und Primps eine zweite FLINTA-Mannschaft eröffnen. Auch dafür soll die DKB-Spende ausgegeben werden: „Das Geld wollen wir verwenden, um uns strukturell breiter aufzustellen“, sagt Altmann. Mit der U11, U13, und U16 gibt es aktuell drei Jugendmannschaften. Sobald diese Mädchen und Jungs alt genug sind, könnte es bereits so viele Vereine geben, dass die Fahrtwege deutlich kürzer sind. Dann könnten die Preisgelder vielleicht auch den ersten Satz Trainingsanzüge finanzieren.
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