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Felix Neureuther freut sich auf Marcel Hirschers Ski-Comeback

Interview

Felix Neureuther: „Bin ein großer Fan davon, dass Marcel Hirscher zurückkommt“

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    Marcel Hirscher hat eine Ära im alpinen Skisport geprägt. Nach fünf Jahren Pause gibt er sein Comeback. Felix Neureuther findet das „wichtig und gut“.
    Marcel Hirscher hat eine Ära im alpinen Skisport geprägt. Nach fünf Jahren Pause gibt er sein Comeback. Felix Neureuther findet das „wichtig und gut“. Foto: Peter Kneffel, dpa

    Herr Neureuther, haben Sie schon Lust auf Winter?
    FELIX NEUREUTHER: Ja, sehr. Weil die Berge schon weiß sind. Weil es oben auf den Gletschern toll ausschaut. Weil alles bereitet ist. Weil Comebacks anstehen. Weil wieder Spannung herrscht. Ich freue mich sehr. 

    Erst müssen wir aber noch kurz auf den Sommer zurückblicken. Sie waren für die ARD bei den Sommerspielen in Paris. Was kann der Winter in Hinblick auf Olympia vom Sommer lernen?
    FELIX NEUREUTHER: Was ich in Paris erlebt habe, war einzigartig. Die haben es geschafft, Sportstätten zu bauen, in denen eine unfassbare Begeisterung geherrscht hat. Diese positive Emotionalität war gewaltig – ganz egal, was du angeschaut hast, ob es jetzt Leichtathletik, Turnen oder Bogenschießen war. Es gab überall eine geniale Stimmung. Wie die Franzosen diese Sportereignisse umgesetzt und veranstaltet haben, da kann man schon viel lernen. Unabhängig von den Orten war überall in der Stadt diese spezielle Olympia-Begeisterung, die ich so lange vermisst habe. Alleine das Straßenrennen der Radfahrer. Ich bin da gestanden und dachte mir, dass die Rennfahrer jetzt gleich kommen werden, so laut waren die Anfeuerungsrufe schon, dabei waren die noch fünf Kilometer entfernt. 

    Was war ihr eindrücklichster Paris Moment?
    FELIX NEUREUTHER: Für mich waren es drei Momente, die ich niemals vergessen werde. Das war zum einen natürlich Simone Biles beim Turnen. Ich bin ein sehr großer Fan von ihr. Dann das 100-Meter-Finale neben Dirk Nowitzki und Carl Lewis mitzuerleben. Der dritte war das Basketball-Finale Frankreich gegen die USA. Als danach die Franzosen als Zweitplatzierte oben gestanden sind und das Publikum auf einmal anfängt, die Nationalhymne zu singen, obwohl sie doch eigentlich nur den Siegern vergönnt ist. Das war für mich so ein Moment, der so einen Wert hatte, wie man ihn ganz selten erlebt. Und die Spieler haben auf einmal angefangen mitzusingen und dann singt das ganze Stadion – das war für mich eigentlich der olympische Moment. Dass die Zuschauer in der Niederlage die Größe zeigen und die Nationalhymne anstimmen. Das ist eine größere Kraft, als nur der Sport.

    Aus dem Sommer in den Winter. In Sölden steht am Wochenende der alpine Saisonauftakt an. Haben Sie sich mit dem frühen Termin Ende Oktober inzwischen abgefunden?
    FELIX NEUREUTHER: Aufgrund der Wetterlage ist alles gut. Und auch das Interesse ist groß, allein wegen des möglichen Comebacks von Marcel Hirscher. Trotzdem bin ich erst einmal erschrocken, dass jetzt dann schon wieder Weltcup-Auftakt ist. Ende Oktober ist verdammt schnell gekommen.

    Sie haben die Comeback-Pläne von Marcel Hirscher angesprochen. Lindsey Vonn soll angeblich auch darüber nachdenken. Wie sehr nutzen solche Geschichten und Gerüchte dem Skisport? 
    FELIX NEUREUTHER: Das ist richtig wichtig und gut. Wir brauchen genau diese Geschichten, wir brauchen diese Protagonistinnen und Protagonisten. Gerade für den Skisport ist es nach einer solchen langen Pause - die mit Olympischen Spielen und einer Fußballeuropameisterschaft große Highlights geboten hat - diese mediale Aufmerksamkeit entscheidend, um den Fokus auf den anstehenden Winter zu lenken. So eine Berichterstattung hätte der Skisport sonst nicht bekommen. Deswegen: Bitte gern mehr davon. Ich bin ein großer Fan davon, dass Marcel Hirscher wieder zurückkommt.

    Es gibt aber auch Kritiker, die von einer Lex Hirscher sprechen und darauf verweisen, wie schwer es junge Fahrer haben, überhaupt in den Weltcup zu kommen.
    FELIX NEUREUTHER: Naja, da werden jetzt nicht auf einmal zehn ehemalige Athleten am Start stehen. Die Kriterien, um diese Wildcard zu bekommen, sind so schwierig. Und jeder, der diese Kriterien erfüllt, hat es verdient, aufgrund der Leistung in der Vergangenheit, so eine Wildcard zu bekommen. Außerdem werden dadurch zusätzliche Ambitionen geweckt, die guttun. Jeder, der diese Kriterien erfüllt, steht da ja nicht und macht einen auf Gaudibursch und fährt einfach mal runter, nur um dabei zu sein. Solche Comebacks erhöhen den Druck genauso bei den Rückkehrern.

    Hätten Sie eigentlich die Bedingungen für eine Wildcard erfüllt?
    FELIX NEUREUTHER: Ich glaube schon, aber die Frage stellt sich nicht. Bei mir ist der letzte Zeitpunkt, an dem es Sinn gemacht hätte, ganz weit weg. Das brauche ich nicht mehr. 

    Sie haben guten Kontakt zu ihrem alten Rivalen und Freund Hirscher. Wie schätzen Sie sein Comeback-Projekt ein?
    FELIX NEUREUTHER: Wenn du fünf Jahre weg warst, ist das ein relativ kompliziertes Puzzle, das du zusammensetzen musst, um erfolgreich zu sein. Da ist der Körper, den hat er. Marcel ist topfit, wahrscheinlich so fit wie noch nie. Das andere ist das Umfeld. Das passt bei ihm auch zu 100 Prozent. Dann: Wie kannst du mit Drucksituationen umgehen? Das erfüllt er natürlich auch, das hat schon oft genug gezeigt. Dann gibt es aber zwei Kriterien, die schwierig werden könnten. Erstens: Wie kommt er wieder in diesen Modus des unbedingten Siegeswillens? Wenn du das nur zu einem Prozent nicht schaffst, macht das extrem viel aus. Diesen Wettkampfmodus zu finden, ist schwer, wenn du fünf Jahre keinen Wettkampf hattest. Ich traue es ihm aber zu. Das letzte ist das Material, das immer wichtiger geworden ist im Skisport. Marcel kann ja auf nichts zurückgreifen, was schon einmal funktioniert hat für ihn.

    Er hat also quasi bei Null angefangen?
    FELIX NEUREUTHER: Genau. Der muss einen Ski und einen Schuh entwickeln. Das ist für mich die schwierigste Komponente, weil sie so komplex ist. Wenn er das hinbekommt, dann kann er vorne mitfahren. Das wünsche ich ihm, aber da brauchst du auch ein Stück weit Glück, dass du das Setup auch wirklich in die richtige Richtung entwickelt hast. Du brauchst die richtigen Leute und du brauchst wahnsinnig viele Tore. Deswegen muss man Marcel Zeit geben, dass er das Material so anpassen kann, wie er es für seinen Fahrstil braucht.

    Während das Hirscher-Comeback schon sehr konkret ist, gibt es von Lindsey Vonn momentan nur Gerüchte. Was halten Sie davon?
    FELIX NEUREUTHER: Das ist in Abfahrt und Super-G nochmal eine ganz andere Nummer, weil es hier auch gefährlich werden kann. Sie hat ein künstliches Kniegelenk. Aber wenn man es einer zutrauen kann, dann Lindsey. Ich würde es total abfeiern, wenn sie es probiert, aber wie realistisch das ist, wird sich zeigen. Ich glaube schon, dass sie in Beaver Creek Vorläuferin macht, sich dann die Abschnittszeiten anschaut und sich fragt: Wie reagiert mein Knie bei Vollbelastung, wie reagiert mein Körper und auch mein Wille? Vielleicht entscheidet sie danach tatsächlich, nochmal zurückzukommen.

    Im Gesamtweltcup dürften die beiden aber eher keine Rolle spielen. Sehen wir da wieder Marco Odermatt und Mikaela Shiffrin vorne?
    FELIX NEUREUTHER: Ja, definitiv. Bei den Frauen gibts mit Lara Gut-Behrami und Federica Brignone immerhin Konkurrenz. Bei den Männern aber wird Odermatt wieder alles dominieren, was den Gesamtweltcup betrifft. Er hat bei seinen Kraftwerten noch einmal um drei Prozent zugelegt. Der hat also immer noch Entwicklungspotenzial, das ist schon erstaunlich. 

    Was ist von der deutschen Mannschaft zu erwarten?
    FELIX NEUREUTHER: Linus Strasser ist gut drauf. Er hat das große Glück, dass er zu einer Zeit gut drauf ist, in der es im Slalom nicht den absoluten Überflieger gibt. Die kleine Kristallkugel kann auf jeden Fall das Ziel sein, genauso wie bei der Weltmeisterschaft eine Medaille zu gewinnen. Er hat noch nie eine WM-Medaille gewonnen. Ich glaube, das ist für ihn der Anspruch. Linus ist alles zuzutrauen, solange er gesund und fit bleibt. 

    Und wie schaut es bei den Frauen aus?
    FELIX NEUREUTHER: Da haben wir selbstverständlich unsere Lena Dürr, von der ich ein sehr großer Fan bin. Wie sie sich entwickelt und aus dem Tief herausgekämpft hat. Dafür ist nur sie selbst verantwortlich, sonst niemand. Vor ihr habe ich allergrößten Respekt. Ich hoffe sehr, dass sie diesen Schwung in die neue Saison mitnehmen kann. Ein Stück weit hat sie halt das Pech, gegen eine Mikaela Shiffrin zu fahren – eine Fahrerin, wie sie es noch nie gegeben hat. Ansonsten glaube ich, dass uns Emma Aicher überraschen und mal aufs Podest fahren kann. Gemeinsam mit Kira Weidle ist das ein gutes Team in den Speed-Disziplinen. Bei den Abfahrtsmännern ist die Situation schwierig mit den Rücktritten von Dreßen und Ferstl. Da sind zwar zwei, drei Junge mit Potenzial im Hintergrund, aber denen muss man einfach Zeit geben, das ist gerade in der Abfahrt ein wichtiges Kriterium.

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