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Fußball: Warum der FC Bayern und der VfL Bochum eine Fanfreundschaft haben

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Warum der FC Bayern und der VfL Bochum eine Fanfreundschaft haben

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    Ins Rot der Bayern-Schals mischt sich auch das Blau der Bochumer: Die Fans des FCB und des VfL verbindet seit 50 Jahren eine Fanfreundschaft.
    Ins Rot der Bayern-Schals mischt sich auch das Blau der Bochumer: Die Fans des FCB und des VfL verbindet seit 50 Jahren eine Fanfreundschaft. Foto: Uwe Speck, Witters

    Auf den Samstag freut sich Andi Zimmermann seit Wochen. An diesem Tag spielt sein FC Bayern gegen den VfL Bochum (15.30 Uhr, Sky). Sehr wahrscheinlich wird sich der 61-Jährige über einen Sieg und drei Punkte seines Teams freuen können. Wichtiger für ihn werden aber die Begegnungen mit bekannten Gesichtern sein – und damit meint er auch jene, die aus Bochum nach München reisen werden: "Es geht um Freundschaften, die sind eigentlich viel wichtiger als alle Tore und Titel. Und das, was wir mit den Bochumern haben – das ist mir wichtiger als jeder Sieg in der Champions League." Den FC Bayern und den VfL Bochum verbindet erst mal recht wenig: Hier der Meisterschaftsfavorit aus einer der reichsten und teuersten Städte der Welt, dort der Pott-Klub, der um den Klassenerhalt kämpft. Das war eigentlich noch nie anders – und dennoch pflegen beide Vereine seit nunmehr 50 Jahren eine Fanfreundschaft, die damit zu den ältesten des Landes gehört.

    Innigste Fanfreundschaft pflegen FC Schalke und 1. FC Nürnberg

    Und die soll gefeiert werden: Vor und nach dem Spiel wird es am Samstag eine gemeinsame Feier der Fans geben, im Stadion ist eine Choreografie geplant, es gibt einen Fanschal zum runden Jubiläum. Aus Bochum reisen die Fans beider Teams mit einem gemeinsamen Sonderzug und in mehreren Bussen an, um bei Spiel und Party dabei zu sein. Freundschaftliche Verbindungen zwischen zwei Fanlagern gibt es öfter: Die innigste Fanfreundschaft pflegen die Fans des FC Schalke und des 1. FC Nürnberg. 

    Als die beiden Vereine 2019 das letzte Mal in der Bundesliga gegeneinander spielten, liefen sie sogar mit Trikots auf, die die gegenseitige Verbundenheit betonten: Schalkes Shirts waren mit dem fränkischen Rechen in hellgrauem Streifenmuster bedruckt, während beim Club das Schlägel- und Eisen-Motiv zu sehen war. Gut verstehen sich zum Beispiel noch die Anhänger des 1. FC Kaiserslautern und des TSV 1860 München sowie die von Hertha BSC und dem Karlsruher SC. International können sich St. Pauli und Celtic Glasgow gut leiden. Und beim FC Augsburg gibt es in der Fanszene enge Verbindungen zu den Würzburger Kickers und zum österreichischen Erstligisten Austria Lustenau. Man feuert gemeinsam die Teams bei Spielen an, feiert zusammen, sogar Ehen sollen so schon gestiftet worden sein.

    Der Start: 1973 verteidigten Bochumer Fans die Bayern-Anhänger gegen einen Mob

    Doch woher kommen diese Verbindungen? Jonas Gabler ist einer der renommiertesten Fan-Forscher in Deutschland und sagt dazu: "Die Entwicklung von Fanfreundschaften geht auf die Kuttenkultur der 60er und 70er Jahre zurück. Die meisten solcher Beziehungen haben ganz zufällige Hintergründe." Dass sich Bochumer und Münchner gut verstehen, hat seine Ursprünge im Jahr 1973. Damals gastierte der FCB beim Revierklub – und einige Bayern-Fans wurden nach dem Spiel auf der Castroper Straße von einem Mob Bochumer angegriffen. Einige Mitglieder der "Bochumer Jungen" sahen das. Auf einer Fanseite des FC Bayern wird deren Gründungsmitglied Ralf Wolf wie folgt zitiert: "Wir sahen den Angriff auf die Bayern, gingen kurzerhand dazwischen und haben für Ruhe gesorgt." Danach ging es weiter zur Fanklub-Kneipe, in der beide Gruppierungen zusammen feierten – fertig war die Freundschaft. Im Falle des FC Augsburg war bei Lustenau die räumliche Nähe von knapp zwei Fahrtstunden dafür verantwortlich, dass Fans beider Teams sich gegenseitig besuchten. Bei den Würzburger Kickers war ein Besuch von Augsburger Fans bei einem Ligaspiel vor rund 15 Jahren dafür ausschlaggebend, dass seither der Kontakt besteht.

    Der iranische Stürmer Vahid Hashemian spielte unter anderem für Bayern München.
    Der iranische Stürmer Vahid Hashemian spielte unter anderem für Bayern München. Foto: Matthias Schrader, dpa

    Eine der ältesten Beziehungen ist aber die zwischen Bochum und Bayern. Und die besteht auch trotz mancher Stürme in der Beziehung, wie Andi Zimmermann sagt: "Klar gibt es da Höhen und Tiefen, aber im Grunde hält das jetzt seit 50 Jahren." Ein Tief etwa war der Wechsel des iranischen Angreifers Vahid Hashemian, wegen seiner Kopfballstärke "Hubschrauber" genannt. Dass der FC Bayern den Bochumern 2004 den besten Stürmer abwarb, trübte das Verhältnis etwas. Als der Schlüsselspieler der Pott-Truppe bei den Bayern dann auch noch vornehmlich auf der Bank saß, war das endgültig zu viel. In der Folge sangen auch die Bochum-Fans die Schmählieder gegen die Freunde aus München. Auch dass beide Teams elf Jahre lang nicht in der gleichen Liga spielten, habe manches erschwert. Spätestens seit dem Wiederaufstieg des VfL in die Bundesliga ist aber frischer Wind in die Beziehung gekommen.

    Spielerwechsel von Bochum zum FC Bayern markierte 2004 den Tiefpunkt der Beziehungen

    Dass diese Beziehung nun fünf Jahrzehnte und auch den Übergang von den unpolitischen, bierseligen Kuttenfans der 70er zur jetzigen politisch aktiven Ultra-Kultur überstanden hat, erklärt Gabler mit der Fankultur, in der Überlieferungen eine große Rolle spielen: "Eine Fanfreundschaft ist eine eben solche Tradition und deswegen sinngebend für eine Fangruppierung." Manche Verhaltensweisen prägen eine Fankultur, wie Gabler sagt: "Für einen Schalke-Fan ist zum Beispiel völlig klar: Die Dortmunder mögen wir nicht – und die Nürnberger sind unsere Freunde."

    Einen Unterschied gebe es hingegen schon, wenn neue Bande zwischen den heutigen Ultra-Gruppierungen geknüpft werden, so Gabler: Räumliche Nähe spielt in Zeiten der steten Internationalisierung und Vernetzung keine große Rolle mehr, dafür spielt die politische Ausrichtung anderer Fangruppen eine Rolle. "Die Münchner Schickeria etwa hat mit den Ultras des FC St. Pauli und von Carl Zeiss Jena eine Freundschaft, weil sie jeweils einen klar linken, antirassistischen Anspruch haben. Dass es diese Verbindungen gibt, dürfte hingegen vielen Fans im Bayern-Stadion nicht bekannt sein." 

    Manche Fanfreundschaften sind eingeschlafen

    Jenaer und Münchner Fans lernten sich 2006 auf einem Fankongress in Leipzig kennen, waren sich sympathisch und luden sich fortan zu gemeinsamen Spielen ein. Bei den Fans des FC St. Pauli war das 2013 von den Münchnern veranstaltete Retterspiel, bei dem Geld für den damals maroden Kiezklub gesammelt wurde, der Startschuss für den regelmäßigen Austausch. Also ein anderer Ansatz als die durch einen Zufall entstandene Freundschaft von Bayern und Bochumern. Andere ehemals innig gepflegte Beziehungen sind im Laufe der Zeit eingeschlafen – etwa die zwischen den Anhängern der Hertha und des FC Bayern, oder die zwischen dem BVB und dem 1. FC Köln.

    Was es für Fangruppierungen zudem auch nicht einfach macht, miteinander in Kontakt zu kommen, sind die modernen Anstoßzeiten: Während früher meist samstags um 15.30 Uhr gekickt wurde und deswegen vor und nach einem Spiel Zeit für einen ausführlichen Wochenendtrip bei Auswärtsfahrten war, ist das mit Freitagabendpartien nicht mehr so einfach. Insofern scheint auch die Ansetzung des Bayern-Spiels gegen Bochum dzeitlich perfekt zu sein. Gespielt wird samstags um 15.30 Uhr, wie vor 50 Jahren zu Zeiten von Hermann Gerland oder Katsche Schwarzenbeck.

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