Julian Nagelsmann hat ein gutes Gespür und sofort erkannt, dass sich die Gesamtsituation um seinen FC Bayern deutlich verschlechtert hat. Ein 1:2 gegen Bayer Leverkusen – und schon ist die fest eingeplante nächste Meisterschaft in Gefahr. Nun gut, nicht alleine die Niederlage vom Sonntagabend ist ursächlich für die Unzufriedenheit und das Bangen um den Titel. Das Münchner Auftreten ohne Elan und geprägt von der Trägheit eines gerade aus dem Winterschlaf erwachten Igels lässt plötzlich die Vermutung zu, dass der deutsche Fußballmeister in diesem Jahr tatsächlich nicht aus Bayern kommt. Irre Geschichte, die irgendwie zum Münchner Schlendrian passt, der sich in dieser Runde ab und an einschleicht wie ein Einbrecher mitten in der Nacht. Unerwartet und mit bösen Folgen.
Zwei Elfmeter, die in ihrer Entstehung kurios waren, führten zu einem völlig verdienten Leverkusener Sieg. Schiedsrichter Tobias Stieler hatte zweimal Bayers Stürmer Amine Adli einer Schwalbe bezichtigt, zweimal musste er sich durch den Video-Assistenten berichtigen lassen. Stieler hatte sich mit seiner Leistung den Bayern angepasst. Beide waren nicht tauglich für höhere Aufgaben. Leverkusens Elfmeterschütze Exequiel Palacios dagegen schon, der in der 56. und 73. Minute eiskalt traf. Damit war Joshua Kimmichs Führungstreffer nichts mehr wert gewesen.
Salihamidzic findet drastische Worte für die Leistung des FC Bayern
Die Bayern in der Krise also, was beim Rekordmeister schnell gehen kann. Konkurrent Dortmund im Höhenflug, was Nagelsmann vor dem direkten Aufeinandertreffen am 1. April zu dieser Einschätzung führte: "Jetzt stehen wir gegen Dortmund extrem unter Druck. Wir müssen gewinnen, sonst wird es schwierig mit der Meisterschaft." Soll tatsächlich nach zehn Jahren der Dominanz plötzlich der Meister nicht aus München kommen? Dabei hatte sich doch gerade bei den jüngeren Fans die Gewissheit verfestigt, dass der FC Bayern immer den Titel in der Bundesliga gewinnt. Eine Veränderung kann ganze Weltbilder zerstören.
Um das zu verhindern, hat Hasan Salihamidzic zu drastischen Worten gegriffen. Alles habe sein Team in Leverkusen vermissen lassen. "Das war nicht das, was Bayern München bedeutet", sagte der Sportchef. Und: "Qualität ist auch Mentalität und Zweikampfstärke, die war heute gar nicht da." Dabei hatte sich doch in Nagelsmann die Hoffnung breitgemacht, dass sein Team verstanden habe, was es für die ganz großen Erfolge braucht. Nun sind wieder Zweifel angebracht.
Dortmund hat sich lange Zeit zurückgehalten. Zur Winterpause lag die Borussia neun Punkte zurück. Eine Erfolgsserie später zeigt die Tabelle ein anderes Bild: Dortmund hat nun einen Zähler mehr als die Bayern. Gelingt gar ein Erfolg am nächsten Spieltag, wären es vier Zähler. Ist zwar immer noch recht wenig bei einem Restprogramm von acht Partien, angesichts des Dortmunder Laufs aber scheinen große Punktverluste nicht sehr realistisch. Was offenbar auch Joshua Kimmich so empfindet. Der Kapitän richtete recht eindrückliche Worte an seine Mitspieler: "Wir müssen das Spiel gewinnen, sonst sind wir ganz schnell raus aus dem Rennen."
Dortmunds Erfolgsgier schweißt das Team zusammen
Dortmund hat es geschafft, für Ängste beim FC Bayern zu sorgen. Weil die Borussen mittlerweile eine konstant erfolgreiche Spielweise für sich entdeckt haben. Weil sie auch Partien gewinnen, in denen sie nicht unbedingt das bessere Team sind. Weil Terzic eine funktionierende Einheit gefunden hat, die zwar nicht alle Spieler zufriedenstellt, wie etwa den derzeit häufiger auf der Bank sitzenden Mats Hummels. Die Erfolgsgier aber schweißt zusammen, aller persönlichen Befindlichkeiten zum Trotz.
Dortmund könnte also tatsächlich die Münchner Dominanz brechen. Auch wegen derer eigenen Aussetzer. Weil die Bayern unnötig in Mönchengladbach oder Leverkusen verlieren und zu Jahresbeginn überraschend viele Unentschieden sammelten. Weil die glanzvollen Auftritte wie gegen Paris durch Spiele wie in Leverkusen verblassen. Nagelsmann könnte das zum Verhängnis werden.