Zum Ende des Spiels gegen Manchester City rollten die Fans in der Südkurve des FC Bayern ein Plakat aus. Darauf war zu lesen: "Ziele dürfen verfehlt werden. Werte des Vereins nicht. Führungspolitik hinterfragen." Ein wenig dezenter Hinweis an die Chefetage des FC Bayern, die auch aber eben beileibe nicht nur wegen der sportlichen Entwicklung des Vereins in der Kritik steht. Nach dem Ausscheiden der Münchner in der Champions League stehen stürmische Zeiten an der Säbener Straße an.
Für den angesprochenen Sportvorstand Hasan Salihamidzic, der auf das Banner mit einer Phrase antwortete ("Wir hinterfragen uns 24/7"), den Vorstandvorsitzenden Oliver Kahn ("Wenn man die Ziele nicht erreicht, kommt Kritik auf") wird es nun noch ungemütlicher. Aber auch Trainer Thomas Tuchel ist wenige Wochen nach Amtsantritt in seine erste handfeste sportliche Krise beim FC Bayern gerutscht. Das 1:1 gegen den englischen Meister war gleichbedeutend mit dem Aus in der Champions League, innerhalb von drei Wochen haben die Bayern nun zwei Titel verspielt, nachdem im DFB-Pokal das Aus gegen Freiburg gekommen war.
Thomas Müller nach dem Aus gegen Manchester City: "Am Ende schießen wir zu wenig Tore"
Dabei war das Spiel gegen Manchester sinnbildlich für vieles, was beim FC Bayern in dieser Spielzeit falsch läuft: In der Hintermannschaft ermöglichten mal wieder individuelle Abwehrfehler – diesmal in Person von Dayot Upamecano – die Chancen der Gäste. Im Spiel nach vorne galt die Losung: viele Chancen, kaum Tore. Hätten nur Kingsley Coman und Leroy Sané ihre Gelegenheiten genutzt, wäre der Drei-Tore-Rückstand aus dem Hinspiel schnell aufgeholt gewesen. Thomas Müller, der nur von der Bank kam, brachte es auf den Punkt: "Am Ende schießen wir zu wenig Tore, es fehlt uns die Kaltschnäuzigkeit."
Sein Trainer Thomas Tuchel sah seine Mannschaft hingegen "über 180 Minuten auf Augenhöhe mit der derzeit formstärksten Mannschaft" Europas und fügte an: "Wir hatten sie in beiden Spielen am Haken. Wir haben nur in 180 Minuten gar nichts bekommen an Spielglück." Fazit: "Wir sind brutal bestraft worden." Was gefehlt habe, seien Kleinigkeiten gewesen. Eine solche Sache hätte etwa ein Freistoß für Bayern an der Strafraumgrenze sein können, nach einem Foul an Musiala. Gab es aber nicht. Zum Schiedsrichter, mit dem Tuchel in ständigem und selten freundschaftlichem Austausch stand, hatte der 49-Jährige auch eine klare Meinung: "Seine Fehler haben sich summiert. Das war Note 6, von der ersten Minute an." In Minute 86 fanden die Diskussionen zwischen Clement Turpin und Tuchel ein jähes Ende: Mit Gelb-Rot schickte der Referee den Coach für die letzten Minuten auf die Tribüne.
FC-Bayern-Sportvorstand Salihamidzic will die "Kaderplanung überdenken"
In der Mixed Zone fiel dann noch ein anderer Name: Lewandowski. Die Frage, wie das Spiel der Bayern gegen Manchester ausgegangen wäre, wenn ein Mittelstürmer mit der Qualität des Polen noch im Kader der Münchner gestanden hätte, ist müßig. Und doch drängt sie sich angesichts der Vielzahl der Gelegenheiten geradezu auf. Vorstandschef Kahn, auf die Sturmproblematik angesprochen, sagte dazu: "Wir haben im Vorfeld der Saison alles dafür getan, die Neun neu zu besetzen." Kahn fügte mit Blick auf Manchesters Haaland an: "Auch mit einer Neun, die wir heute gesehen haben. Nur leider nicht bei uns." Einen Stürmer der Qualität zu finden, die zum FC Bayern passt, sei aber eben auch "eine Preisfrage", gab Kahn unumwunden zu.
Vieles deutet darauf hin, dass der FC Bayern im Sommer auf dieser Position aktiv werden wird. Die Überlegung von Ex-Trainer Julian Nagelsmann, Lewandowski durch eine Systemumstellung zu ersetzen, erwies sich als falsch, was Sportvorstand Hasan Salihamidzic recht deutlich ansprach: "Wir haben mit dem Trainer vor der Saison die Kaderplanung gemacht und werden die jetzt überdenken." Dass es einen Bedarf für einen Mittelstürmer gibt, sah auch Präsident Herbert Hainer so: "Uns fehlt der Torjäger, der die Dinger reinmacht. Das ist das, was wir brauchen für die Zukunft."
Tuchel hielt am DAZN-Mikro recht wenig davon, jetzt über mögliche Namen zu sprechen: "Ja, alle wollen immer Verstärkungen. Aber bevor wir an andere Sachen denken, wollen wir das Beste aus dem Kader rausholen. Ich denke nur bis Mainz." Damit ist das Bundesligaspiel an seiner alten Wirkungsstätte gedacht, das sich für die Bayern in früheren Jahren (unter anderem mit dem Mainzer Coach Tuchel) schon mal als Stolperstein erwiesen hat. Ganz konkret bedeutet das Spiel bei den Rheinhessen vor allem eines: Es ist eines von sechs verbliebenen Bundesligaspielen, in denen der letztmögliche Titel der Saison geholt werden soll. Einfach dürfte das nicht werden, betont Thomas Müller: "Jetzt wartet der nächste Gegner, der eine Woche Zeit hatte, sich auf das Spiel vorzubereiten." Immerhin: Diesen Luxus werden die Bayern ab der kommenden Woche auch haben, die englischen Wochen sind zumindest für diese Saison vorbei.