Es waren besondere Vorzeichen für das Bundesliga-Topspiel zwischen dem FC Bayern und RB Leipzig: Die Partie zwischen dem Rekordmeister und dem Pokalsieger war das erste Spiel, seitdem der Abschied von Trainer Thomas Tuchel feststeht. Der scheidende Bayern-Coach hatte zuvor in einer bemerkenswert offenen Pressekonferenz einen Einblick in sein Innenleben gegeben. "Ich denke nicht, dass ich das einzige Problem bin", hatte Tuchel bezüglich der Fehleranalyse gesagt. Dennoch müsse er feststellen, dass er erstmals in seiner Trainerkarriere eine Mannschaft betreut hatte, bei der nicht eine konstante Entwicklung zu sehen gewesen sei.
FC Bayern: Der Umschwung blieb gegen RB Leipzig aus
Die neu gewonnene Klarheit durch die Gewissheit, dass im Sommer Schluss ist, habe auch Vorteile: "Du brauchst bei einer Entscheidung nicht mehr abzuwägen, was das für eine Langzeitwirkung hat." Nun könne er sich "rücksichtsloser" entscheiden. Am Samstagabend blieb der erhoffte Umschwung aus, sowohl spielerisch als auch was das Ergebnis angeht. Gegen RB Leipzig sah es lange Zeit so aus, als ob der FC Bayern trotz einer Führung nicht über ein 1:1 hinauskommen sollte. In der Nachspielzeit traf Harry Kane mit seinem zweiten Tor zum 2:1 und hält so die kleine Hoffnung auf den Meistertitel am Leben.
Die Aufstellung gegen Leipzig war indes nicht von großen Freiheiten oder Rücksichtslosigkeiten Tuchels geprägt, vielmehr musste der Coach erneut auf die dünne Personaldecke reagieren: Nach den Verletzungen von Sacha Boey und Noussair Mazraoui wechselte Joshua Kimmich auf die Rechtsverteidigerposition. Konrad Laimer war nach seiner überstandenen Muskelverletzung gerade erst wieder in den Kader zurückgekehrt. Für den gesperrten Innenverteidiger Dayot Upamecano rutschte Eric Dier neben Matthijs de Ligt in die erste Elf. Minjae Kim, der nach dem Asiencup überspielt gewirkt hatte, saß erstmals in einem Bundesligaspiel zu Beginn auf der Bank.
RB Leipzig hatte dem FC Bayern zuletzt mehrfach wehgetan
Vor dem Gegner RB Leipzig schien der FC Bayern gewarnt: "Sie haben vieles, was uns weh tun kann", hatte Tuchel auf der Spieltagspressekonferenz gesagt. Zuletzt hatte RB dem FCB auch oft Schmerzen bereitet: Seit vier Spielen wartete der FC Bayern auf einen Sieg gegen Leipzig. Bitter war zuletzt vor allem das 0:3 im Supercup im August: Statt mit dem ersten Titel der Saison und der ersten Trophäe von Harry Kane bei seinem Debüt startete die Saison mit einer heftigen Pleite. Auch diesmal sollten die Bayern gegen Leipzig nichts zu lachen haben.
Nach fünf Minuten hatten die Bayern-Fans den Jubelschrei schon auf den Lippen: Die butterweiche Flanke von Raphael Guerreiro köpfte Harry Kane auf das RB-Tor und an Janis Blaswich vorbei, der Pfosten verhinderte aber den frühen Treffer. Wer gehofft hatte, dass es ähnlich rasant weitergehen würde, sah sich getäuscht: Das Spiel verflachte danach etwas, der Respekt voreinander war beiden Teams anzumerken - und die Bayern wollte gegen die konterstarken Leipziger nicht, wie im letzten Ligaheimspiel, ins offene Messer laufen. Die wenigen guten Chancen hatten aber ausschließlich die Bayern - und eigentlich musste nach 34 Minuten das 1:0 für die Tuchel-Elf fallen. Nach einem Steckpass von Jamal Musiala auf Leroy Sané wollte der Nationalspieler Blaswich umkurven. Der blieb aber hartnäckig. Bei einem frühzeitigen Abschluss hätte der RB-Keeper wohl keine Chance gehabt. Der große Ruck blieb aber aus - und bereits zur Halbzeit gab es vereinzelte Pfiffe der Fans.
Harry Kane traf für Bayern - Benjamin Sesko antwortete prompt für RB Leipzig
Nach dem Wechsel war deutlich mehr Bewegung im Spiel - das lag aber mitnichten an den Bayern. Vielmehr waren es die Gäste aus Leipzig, die sich ins Spiel zurückmeldeten. Xavi Simons gab einen Weitschuss ab, den Neuer parierte. Und ausgerechnet als RB die Kontrolle zu übernehmen drohte, schlug Harry Kane zu: Nach einem Pass von Musiala war er frei vor Blaswich - und tat, was Harry Kane tut: 1:0, Saisontor Nummer 26 (56.). Selten war ein Treffer mit derart viel Erleichterung verbunden. Leipzig blieb aber dran - und hatte durch Benjamin Sesko die Riesenchance zum Ausgleich. Der Slowene tauchte nach einem haarsträubenden Fehlpass von Thomas Müller völlig frei vor Manuel Neuer auf. Der Nationalkeeper machte sich aber lang, zeigte seine ganze Klasse - und hielt den Ball fest (61.).
Beim nächsten Mal machte es Sesko besser: Der Slowene kam im Strafraum an den Ball, zog von der Höhe des Elfmeterpunktes ab - und Leon Goretzka fälschte den Ball noch soweit ab, dass Neuer keine Chance hatte - das 1:1 (70.). Sinnbildlich für die Krise: Die dicke Chance auf das 2:1 vergab Harry Kane mit einem Kopfball aus fünf Metern (79.). Es war eine Chance, die der Engländer in der Hinrunde wohl noch mit verbundenen Augen gemacht hätte.
Als alles nach einem Remis aussah, rettete aber erneut Kane die Bayern: In der Nachspielzeit traf der Engländer nach Vorlage von Choupo-Moting zum 2:1 (90.+1). Zumindest der Zeitpunkt des Tores war im Stil einer Spitzenmannschaft – sonst wenig. Die Hoffnung auf den Meistertitel bleibt angesichts von acht Punkten Abstand zumindest noch theoretisch bestehen. Die Hoffnung, dass sich mit der Tuchel-Entscheidung neue Energie freisetzt, hat sich aber nicht bewahrheitet.