Dayot Upamecano hatte keine Lust zu reden. Irgendwie verständlich, hatte Bayerns Verteidiger doch das erlebt, was Fußballer in ihren schlimmsten Träumen verfolgt. Ein hanebüchener Fehler, ein Ballverlust, der so selbst in den untersten Jugendmannschaften eine scharfe Rüge des Trainers einbringt. Upamecano hatte den Ball gesichert, es gab verschiedene Optionen. Zurück zum Torwart, die einfachste Möglichkeit. Weit hinaus, zwar nicht elegant, aber oftmals eine Situation entschärfend. Upamecano aber wollte es anders lösen, mit einem Dribbling. Dummerweise rutschte er weg. Die Folge: Ein Ballverlust, aus dem das 0:2 resultierte. Die Entscheidung.
Upamecano verließ die Arena wortlos. Schon auf dem Rasen war ihm die Verzweiflung anzusehen gewesen. Der Regen tropfte an ihm herunter, er wirkte gleichermaßen entsetzt und frustriert. Münchens Fußballer hatten einen Abend erlebt, der mit einem 0:3 bei Manchester City endete. Ein Ergebnis, das den Schluss nahelegt, dass Bayerns Europa-Reise im Viertelfinale der Champions League endet. Das ist gegen Englands Meister immer ein mögliches Szenario, zumal Pep Guardiola in dieser Saison unbedingt den Titel in der Königsklasse möchte. Aber in dieser Deutlichkeit war die Partie nicht erwartet worden.
Niederlage des FC Bayern gegen Manchester City: Thomas Tuchel droht sein zweites Ausscheiden
Die Münchner hatten vor wenigen Tagen ihren Trainer gewechselt. Sie hatten Julian Nagelsmann die Verantwortung entrissen, weil sie mit ihm die Saisonziele gefährdet sahen. Sie hatten kurzerhand Thomas Tuchel verpflichtet, was schon länger der Wunsch der Bayern-Bosse war. Nun hatten sie die Gelegenheit ergriffen. Tuchel also kam – und schied gleich einmal aus. Im Pokal vor einer Woche gegen Freiburg. In der Champions League droht Gleiches.
In ihrer eigenen Wahrnehmung hatten die Bayern in Manchester eine ordentliche Leistung gezeigt. Tuchel sprach nach dem Spiel gar davon, dass er "schockverliebt" in seine Mannschaft gewesen sei. Ihm hatte die Spielweise gefallen, zeitweise sah er seine Elf gar dominant. Vorne aber fehlte die letzte Wucht und Entschlossenheit. Hinten passierten zu viele Fehler. Eine Kombination, die selten gut geht.
Sofort kamen Fragen auf: Fehlt den Bayern ein Weltklasse-Stürmer? Robert Lewandowski ist längst weg, Eric Maxim Choupo-Moting war wegen einer Verletzung nicht mit nach Manchester gereist. Und Thomas Müller saß überraschend auf der Bank. Tuchel sprach davon, dass das kein "Thomas-Müller-Spiel" werden würde. Dass im gefährlichen Bereich des Kapitäns, also ab 30 Meter vor dem Tor, eher Tempo gefragt sei. Also setzte Tuchel auf Dribbler und Sprinter statt auf den Instinktfußballer. Ein Fehler?
Torwart Yann Sommer fehlten beim 0:1 durch Rodri wenige Zentimeter, um den Ball zu erreichen. Sofort begannen die Diskussionen, ob ein Manuel Neuer den Treffer verhindert hätte. Jener Neuer, der durch seinen Skiunfall überhaupt erst für die missliche Situation im Tor und die Nachverpflichtung des Schweizers gesorgt hatte. Sommer immerhin parierte in der zweiten Hälfte noch mehrfach gut.
Der FC Bayern möchte nichts herschenken
0:3 hieß es am Ende dennoch, weshalb sofort Begrifflichkeiten wie "ein Fußball-Wunder", das es nun brauche, fielen. "Fußball ist Fußball. Es ist erst zu Ende, wenn man unter der Dusche ist", sagte Tuchel, der seinen Optimismus nicht verlieren möchte. "Wenn wir isoliert auf das Ergebnis schauen, scheint es unmöglich. Aber wir werden es nicht herschenken. Dafür sind wir viel zu angefressen und viel zu sauer."
Nach Informationen der Bild-Zeitung soll es nach dem Spiel in der Kabine hoch hergegangen sein. Sadio Mané soll Leroy Sané ins Gesicht geschlagen haben. Auslöser soll eine Szene auf dem Platz gewesen sein, als beide miteinander diskutierten. Mané habe dabei die Art von Sané nicht gefallen. Der Zwist eskalierte offenbar. Es ist also viel Unruhe drin bei den Münchnern.
Dabei geht es jetzt darum, optimistisch zu bleiben. Ganz im Sinne von Oliver Kahn. Der Bayern-Boss hatte in seiner aktiven Karriere immer eine besondere Mentalität vorgelebt. "Weiter, immer weiter", das war und ist sein Motto. Selten wurde es wohl dringender gebraucht als in diesem Viertelfinale.
Spät in der Nacht saßen die Münchner noch lange zusammen. Wie es nach Champions-League-Abenden so üblich ist. Im Kimpton Clocktower Hotel gab es beim offiziellen Bankett Austern, Cheshire Beef und Chantilly-Möhren. Geschmeckt dürfte es den wenigsten haben. Am Mittwoch ging es zurück nach München. In einen Alltag, der realistisch noch eine Chance auf den Titel bietet: in der Bundesliga. Geht auch das schief, haben vor allem die Bosse in dieser Saison viel falsch gemacht.