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Bundesliga: Der FC Bayern agiert hilflos wie selten zuvor

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Der FC Bayern agiert hilflos wie selten zuvor

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    Bayern-Trainer Thomas Tuchel war an der Seitenlinie gegen Leipzig aktiver als mancher seiner Spieler auf dem Rasen.
    Bayern-Trainer Thomas Tuchel war an der Seitenlinie gegen Leipzig aktiver als mancher seiner Spieler auf dem Rasen. Foto: Lennart Preiss, Witters

    Letztlich stand die Frage im Raum, was für den FC Bayern München schlimmer war. Auf dem Rasen hatten die Spieler des Noch-Meisters einen blutleeren Auftritt hingelegt, hatten ungeahnte Schwächen offenbart und verdient 1:3 gegen RB Leipzig verloren. Anschließend jedoch, in den Katakomben der Arena, wurde das ganze Ausmaß deutlich. Der Fußball-Weltkonzern steckt in einer schweren Krise, ist in seinen Grundfesten erschüttert. Inzwischen haben die Protagonisten einen Status erreicht, in dem ihnen wenig daran liegt, auf irgendjemanden Rücksicht zu nehmen. Keiner spart mit Vorwürfen, weder Trainer, Spieler noch Verantwortliche. 

    Bezeichnend war die Ratlosigkeit des Trainers, der die Spielzeit retten und Wogen glätten sollte. Nichts davon ist Thomas Tuchel gelungen; nicht einmal das Minimum der eigenen Erwartungshaltung, also die Meisterschaft, könnte am Saisonende erreicht werden. Tuchel ehrte, wie ehrlich er war, als er seine hoch bezahlten Profis kritisierte. Der 49-Jährige, der sich zwischenzeitlich in seine Mannschaft "schockverliebt" hatte, wusste gar nicht, wo er anfangen und aufhören sollte. Kein Tempo, kein Freilaufverhalten, technische Fehler und etliches mehr fand sich auf der Mängelliste. "Wir haben so viele Themen. Es ist einfach zu wenig Aufwand, deutlich unter dem, wie wir uns vorstellen, Fußball spielen zu wollen." 

    FC Bayern mit schwächster Ausbeute seit der Saison 2010/11

    Hilflos wirkte Tuchel – und das schon nach wenigen Wochen in Diensten des FC Bayern. Vorgänger Julian Nagelsmann hatte er bislang verschont, zumindest öffentlich; diesmal schickte er eine kleine Spitze. Wenn alles in Ordnung gewesen wäre, so Tuchel, hätte man den Trainer nicht gewechselt. Zudem ließ er anklingen, dass er lieber im Sommer den FC Bayern übernommen hätte. "Aber es ist nicht immer ein Wunschkonzert." Der schlechte Fitnesszustand der Spieler soll Tuchel überrascht haben; ursächlich soll die laxe Vorbereitung im Winter unter Nagelsmann gewesen sein.

    Gerade im Mai, wenn Titel und Trophäen vergeben werden, befand sich der FC Bayern meist in der Hochphase seines Schaffens. Die Münchner lebten von ihrer Mia-San-Mia-Mentalität, durch Adern floss Sieger-DNA; nun aber droht eine Saison ohne Titel. Es wäre der sportliche Tiefpunkt einer eineinhalbjährigen Entwicklung. Sollte Borussia Dortmund nach der Pflicht gegen Augsburg die Kür gegen Mainz bewältigen, fügen die Bayern ihrer Trophäensammlung kein Silberzeug hinzu. Man könnte sagen: Was soll die Kritik? Ein zweiter Platz ist doch mal okay. Warum die bajuwarische Obrigkeit alarmiert ist, verdeutlicht aber das Zahlenwerk. Die Münchner werden mit maximal 71 Punkten ihre schwächste Ausbeute seit der Saison 2010/11 aufweisen. Zum achten Mal reichte eine Führung nicht zum Erfolg, zum ersten Mal seit 2007 verließen sie nach einer Halbzeitführung die eigene Arena als Verlierer. 

    Vorstandschef Oliver Kahn, dessen Falten im Gesicht am Samstagabend noch tiefer schienen, sprach im Nachgang davon, dass er nicht das Gefühl gehabt hätte, dass die Mannschaft noch etwas entgegenzusetzen gehabt hätte. Bayern-Galionsfigur Thomas Müller entgegnete darauf angesprochen, dass ihm irgendwelche Gefühle ziemlich egal wären. Joshua Kimmich wirkte gefasst. Wenn, dann werde er zu Hause ausrasten, meinte er, aber nicht vor der Kamera. Kimmich und Müller diktierten in Aufnahmegeräte pflichtbewusst, Dortmund müsse zwei Mal gewinnen, vermittelten jedoch nicht den Eindruck, noch an die Meisterschaft zu glauben. Im derzeitigen Zustand ist den Bayern gar zuzutrauen, dass sie in Köln nicht gewinnen. Dortmund wäre dann ohne eigenes Zutun Titelträger.

    Bayern-Ehrenpräsident Uli Hoeneß sitzt regungslos auf der Tribüne

    Beinahe mehr als der kommende Samstag interessiert der kommende Dienstag. Dann tagt der Aufsichtsrat. Dessen Vorsitzender ist Präsident Herbert Hainer; prägende Figur des Gremiums ist aber dessen Freund Uli Hoeneß. Wie der 71-jährige Ehrenpräsident am Samstag auf der Tribüne saß, neben ihm der nicht minder mürrisch dreinblickende Karl-Heinz Rummenigge, das sprach Bände. Ohne Regung, ohne Hoeneß'sche Angriffslust, ohne Wut. Innerlich sah es wohl anders aus. 

    Offiziell ist er vom Alltagsgeschäft entbunden, doch er wird der Stratege des Neuanfangs sein. Nach drei zweiten Plätzen erfolgte 2012 die letzte große Zäsur. Jetzt sieht Hoeneß sein Erbe, ja, sein Lebenswerk in Gefahr. Jahrelang bevorzugten die Bayern auf höchsten Führungsebenen Personen aus dem eigenen Stall, doch das Modell mit den ehemaligen Spielern Kahn und Hasan Salihamidzic, dem Sportvorstand, führte in die Erfolglosigkeit. Salihamidzic ist mehr als angezählt, seine Transferpolitik ein Desaster. 2012 drehte Matthias Sammer alles auf links; inzwischen berät er den BVB.

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