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Uli Hoeneß: Was wird aus Uli Hoeneß beim FC Bayern München?

Uli Hoeneß

Was wird aus Uli Hoeneß beim FC Bayern München?

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    In wenigen Tagen wird Uli Hoeneß aus der Haft entlassen. Über seine Zukunft wird schon wild spekuliert.
    In wenigen Tagen wird Uli Hoeneß aus der Haft entlassen. Über seine Zukunft wird schon wild spekuliert. Foto: Sven Hoppe, dpa

    Für einen wie ihn ist es ein kaum vernehmbares, schüchternes Lebenszeichen. Montag, 21. Dezember 2015, 8.50 Uhr. Gerade haben Birgit aus Obergünzburg und Iris aus Waldkraiburg dem Radiosender Antenne Bayern Geld für dessen Spendenmarathon zukommen lassen, da klingelt im Studio das Telefon. Es ist: Uli Hoeneß. Er sei auf dem Weg vom Freigängerhaus zur Arbeit beim FC Bayern an der Säbener Straße und habe beschlossen, 10.000 Euro zu spenden. Die Wohltat widmet er seiner „geliebten Frau Susi“ und seinen Kindern. Und dann hat er noch einen Musikwunsch: „Hello“ von Adele.

    Hören wir mal in den Text hinein: „Hallo. Ich bin es. Ich habe mich gefragt, ob du dich nach all den Jahren treffen willst, um alles durchzugehen. Man sagt, dass die Zeit alle Wunden heilen soll, aber bei mir hat das nicht recht funktioniert.“ Dieser Liedwunsch kann kein Zufall sein.

    Der knapp eineinhalb Minuten lange Anruf ist die erste bemerkenswerte Wortmeldung des früheren Präsidenten des FC Bayern seit dessen Inhaftierung am 2. Juni 2014. Uli Hoeneß, 64, ist zuvor wegen Steuerhinterziehung in Höhe von 28,5 Millionen Euro zu dreieinhalb Jahren Gefängnis verurteilt worden. Jetzt zählt Hoeneß die Tage bis zur endgültigen Freiheit. Das Landgericht Augsburg hat entschieden, dass er nur die Hälfte der Strafe absitzen muss. Am Montag ist diese Hälfte vorbei. Nach Recherchen unserer Zeitung hat sich Hoeneß aber durch die Tätigkeit beim FC Bayern sogenannte Freistellungstage erarbeitet. Wahrscheinlich kommt er schon Ende dieser Woche raus.

    Uli Hoeneß darf nach der Hälfte der Strafe aus dem Gefängnis

    Uli Hoeneß, der gebürtige Ulmer, ist nicht nur unter Fußballmanagern eine Ausnahmeerscheinung, sondern auch unter Häftlingen. Es ist eher selten in Bayern, dass diese „Halbstrafe“ gewährt wird. Von insgesamt 11267 entlassenen Strafgefangenen im vergangenen Jahr durften nach Angaben des Justizministeriums in München nur 183 nach der Hälfte der Strafe gehen. Zum Vergleich: 8505 mussten bis zum letzten Tag sitzen.

    Bei Hoeneß ist vieles anders. Die Umstände, die ihn ins Gefängnis brachten, genauso wie die Umstände, die ihn frühzeitig wieder herausholen. Der Mann hatte wie ein Süchtiger mit Wertpapieren gezockt. Er ist ein Steuerbetrüger. Doch er hat auch den gesamten Schaden wiedergutgemacht, inklusive Zinsen mehr als 43 Millionen Euro zurückgezahlt. Er war Ersttäter, er hat sich während seiner Zeit in der Justizvollzugsanstalt Landsberg und im Freigängerhaus Rothenfeld nahe Andechs tadellos geführt. Seine Sozialprognose ist gut, die Rückfallwahrscheinlichkeit geht gegen null.

    In seinem Entlassungsbeschluss ist auch vermerkt, wie sehr er sich immer sozial und karitativ engagiert hat. Und dass er höchst erfolgreich den erfolgreichsten deutschen Fußballverein geführt hat. Das dürften selbst seine größten Gegner nicht infrage stellen. Und so war es auch nur logisch, dass sein FC Bayern ihm schon nach wenigen Monaten einen Job angeboten hat, damit er Anfang 2015 Freigänger werden konnte.

    Den täglichen Gefängnis-Ausgang musste sich Hoeneß erst verdienen

    Seither verbringt er fast jedes Wochenende zu Hause. Oder bei den Bayern. Erst jetzt am Sonntag hat er sich ein A-Jugend-Spiel angeschaut und dann das Pokalfinale der Basketballer. Mag für manche unverständlich sein, weshalb ein Gefangener so viel Zeit „draußen“ verbringt – es ist doch ein ganz normales Mittel des Strafvollzugs. Auch in Bayern wird Resozialisierung ernst genommen. Nur fällt es bei einem Prominenten halt mehr auf.

    Besucher der Bayern-Zentrale an der Säbener Straße in München haben Uli Hoeneß in den vergangenen Monaten häufig am offenen Fenster stehen sehen. Die Arme auf den Rahmen gestützt, den Blick über die Trainingsfelder. Hoeneß schaute auf sein Lebenswerk, jedenfalls auf Teile davon. Unter ihm trainiert eine der besten Fußball-Mannschaften der Welt, Marktwert etwa eine halbe Milliarde Euro. Angeführt von einem der begehrtesten Trainer, Pep Guardiola. Hoeneß hat den Spanier vor drei Jahren persönlich nach München gelotst. Dass Pep die Bayern im Sommer verlässt, hat allerdings auch er nicht verhindern können, obwohl er es im November mehrfach versucht haben soll.

    Der Fenster-Hoeneß schaut zufrieden. Er hat wieder zugenommen. Auch das Hoeneß-Rot kehrt allmählich in sein Gesicht zurück. Zu Beginn seines Freigänger-Jahres sah er grau und ausgezehrt aus. Der profilierteste Manager des Weltfußballs musste sich als Mitarbeiter der Nachwuchs-Abteilung täglichen Gefängnis-Ausgang verdienen. Das war ein wenig so, als würde Angela Merkel die Leitung des Bundestags-Kindergartens übernehmen.

    Aber Hoeneß kennt keine Berührungsängste. Erst recht nicht, wenn es um den FC Bayern geht. Also hat sich der 64-Jährige in die Aufgabe gekniet. Und doch stand die Tür zu seinem Büro nicht nur dem Nachwuchs offen. Spieler, die Rat suchten, waren schon früher regelmäßig zum Gefühlsmenschen Hoeneß gekommen. Am häufigsten Franck Ribéry, Ziehsohn und oft auch Sorgenkind des Managers.

    In der Haft nahm Uli Hoeneß zwölf Kilo ab

    Noch häufiger klopften die Vorstände an. Jan-Christian Dreesen (Finanzen), Jörg Wacker (Internationalisierung), Matthias Sammer (Sport) und Andreas Jung (Sponsoring) – alles Hoeneß-Leute. Natürlich auch Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Hoeneß war gefragt. Kaum eine Entscheidung der Führungscrew dürfte an ihm vorbei getroffen worden sein. Erst recht nicht die Trennung von Michael Tarnat, dem Leiter des Junior-Teams.

    Der Mann zieht schon lange wieder die Fäden. Zu beobachten war zum Beispiel bei der Weihnachtsfeier des FC Bayern, wie er neben Trainer Pep Guardiola am Tisch saß und lange und gelöst mit ihm redete. Was am Ende seiner beruflichen Resozialisierung stehen würde, war allen klar, auch wenn niemand es ausgesprochen hat: die uneingeschränkte Rückkehr des Patriarchen in die Welt der Roten. Diesem Ziel hat er alles untergeordnet. Er hat sich nach außen klein gemacht und den Mund gehalten, wo er früher zu allem etwas zu sagen wusste. Er hat gemieden, was nur ansatzweise die vorzeitige Haftentlassung hätte gefährden können.

    Uli Hoeneß: Die Geschichte der Steueraffäre

    Uli Hoeneß: Vor vielen Jahren begann er an der Börse eine Zockerei, die ihn 2013 ins Visier der Justiz brachte.

    2001: Der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überweist Hoeneß in Form eines Kredits und einer Bürgschaft 20 Millionen D-Mark (10,23 Millionen Euro) auf ein Konto in der Schweiz.

    2002 bis 2006: In diesen Jahren handelt Hoeneß nach eigenen Worten teilweise Tag und Nacht an der Börse und macht weltweit Geschäfte.

    2008: Hoeneß machte nach eigenen Angaben schon in den Vorjahren zu viele Verluste. Mit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise sei es «endgültig in den Keller» gegangen, und er habe seine Geschäfte stark reduziert.

    August 2011: Nach langen Verhandlungen einigen sich Deutschland und die Schweiz darauf, dass in der Schweiz gebunkerte unversteuerte deutsche Vermögen nachversteuert werden. Das Abkommen, das später noch präzisiert wird, soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten.

    November 2012: Die von SPD und Grünen regierten Länder lassen das Abkommen im Bundesrat scheitern - damit kann Hoeneß seine Gewinne nicht nachträglich steuerrechtlich legalisieren.

    Am 17. Januar 2013 reicht Hoeneß nach eigenen Angaben Selbstanzeige bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle in Rosenheim ein.

    März 2013: Das Finanzamt hat die Selbstanzeige schnell an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Am 20. März kommt es zur Hausdurchsuchung in Hoeneß' Anwesen am Tegernsee. Ihm wird der Haftbefehl eröffnet, dieser wird gegen eine Kaution und Auflagen außer Vollzug gesetzt.

    April 2013: Der «Focus» macht den Fall öffentlich.

    Juli 2013: Die Staatsanwaltschaft erhebt am 30. Juli Anklage gegen Hoeneß. Diese wird im November vom Landgericht München II unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.

    März 2014: Hoeneß wird wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

    Juni 2014: Hoeneß tritt seine Haft in der JVA Landsberg an.

    September 2014: Erster Ausgang - für einige Stunden kann Hoeneß das Gefängnis verlassen, um sich mit seiner Familie zu treffen.

    Januar 2015: Hoeneß wird Freigänger. Er muss jetzt nur noch zum Übernachten in die JVA, tagsüber arbeitet er in der Jugendabteilung des FC Bayern.

    Januar 2016: Die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg entscheidet, dass die Haftstrafe zum 29. Februar zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Münchner Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Beschwerde.

    Februar 2016: Ex-Bayern-Präsident Uli Hoeneß kommt mit 64 Jahren vorzeitig aus der Haft frei.

    Am 8. August 2016 teilt der FC Bayern auf seiner Homepage mit, dass Hoeneß wieder für das Präsidentenamt kandidieren wird. Sein Nachfolger Karl Hopfner verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Im November wird Hoeneß wiedergewählt.

    Es ist ja nicht so, dass es Hoeneß leicht hatte. Er wurde hinter Gittern ausspioniert, man versuchte, ihn zu erpressen. Er wurde mittels einer Mini-Kamera in einem Kugelschreiber fotografiert. Hoeneß ließ zwölf Kilo an Gewicht. Nach allem, was man hört, war er aber ein Mustergefangener, wollte keine Sonderbehandlung. Er arbeitete in der Küche. Und am späten Nachmittag, während des „Aufschlusses“, hatte er eine Schafkopfrunde. In der wurde nicht um Geld gespielt, sondern um Süßigkeiten.

    Es ist aber auch nicht so, dass es Uli Hoeneß besonders schwer hatte. Den größten Teil seiner Haft hat er auf der Krankenstation und im Freigängerhaus verbracht. Doch die schlimmste Strafe für einen, der es gewohnt ist, anderen anzuschaffen und selbstbestimmt zu leben, ist wahrscheinlich der Freiheitsentzug an sich. Das Landsberger Gefängnis gilt zwar nicht als „harter“ Knast, aber unter den 565 Häftlingen sind eben auch Mörder, Totschläger oder Kinderschänder.

    Und der Tag im Landsberger Gefängnis ist streng getaktet: 5.50 Uhr wecken. 6.10 Uhr Aufschluss zur Frühstücksausgabe. 6.20 Uhr Frühstück in der Zelle. Sieben Uhr Arbeitsbeginn. Der durchschnittliche Verdienst liegt bei 11,94 Euro am Tag – steuerfrei. Zwischen elf und zwölf Uhr wird im großen Speisesaal zu Mittag gegessen. 288 Sitzplätze hat der Raum. Die Männer sitzen an abgenutzten Tischen.

    Zweimal im Monat durfte Hoeneß für je zwei Stunden Besuch empfangen. Einen dritten Besuch konnte er beantragen. Und Hoeneß hatte viel prominenten Besuch: Edmund Stoiber, Franz Beckenbauer, Franck Ribéry, Jupp Heynckes, Karl-Heinz Rummenigge – und natürlich seine Frau Susi.

    Als Freigänger wurde dann vieles leichter. Hoeneß musste nur noch abends nach Rothenfeld einrücken. Morgens holte ihn ein Fahrer, abends wurde er wieder zurückgebracht. Rothenfeld muss man sich eher wie eine Art großen Gutshof vorstellen. Um den Garten herum ist ein Holzzaun, der jederzeit zu überklettern wäre, wenn es einer darauf anlegte.

    Sobald er dann das Gefängnis endgültig verlassen hat, steht er zwar für drei Jahre unter Bewährung, darf sich aber wieder frei bewegen und auch ins Ausland reisen. Dem Vernehmen nach will der Ex-Häftling erst einmal einen langen Urlaub machen. Und dann?

    Uli Hoeneß könnte wieder FC-Bayern-Präsident werden

    Ist er ein anderer geworden? Entspannter, demütiger, geläutert? Überhaupt: Was passiert nun, da alle Begrenzungen fallen? Zieht er sich ins Privatleben zurück, mit seiner Frau Susi, die ihm fast sein ganzes Leben zur Seite steht? Kümmert er sich nur noch um die sozialen Projekte, die er angeschoben hat?

    Die Antwort darauf hat Hoeneß kurz vor seinem Strafantritt bei der Mitgliederversammlung des Rekordmeisters im Mai 2014 gegeben. „Das war’s noch nicht“, hat er dem Bayern-Anhang versprochen. Im November wird es wieder eine Jahreshauptversammlung geben. Keiner, der Uli Hoeneß kennt, zweifelt daran, dass sich der Bayern-Patriarch dort wieder in ein Führungsamt wählen lässt. Rück- und Tiefschläge haben Hoeneß noch nie vom Weg abgebracht. Nicht das frühe Karriere-Ende als Sportinvalide, nicht familiäre Turbulenzen, nicht der Flugzeugabsturz, den er als Einziger überlebt hat.

    Er könnte wieder FC-Bayern-Präsident werden, was er fünf Jahre lang war. Karl Hopfner, sein Nachfolger, hat bereits angekündigt, dass er für den Fall einer Hoeneß-Kandidatur den Weg frei machen würde. Schon vor seiner Wahl hatte es eine Satzungsänderung gegeben. Hopfner wurde nicht – wie beim FC Bayern üblich – für vier, sondern nur für zwei Jahre gewählt. War das schon das erste Samenkorn für ein Hoeneß-Comeback?

    Das Bayern-Volk würde dem spröden Finanzexperten nicht hinterherweinen. Sein Abschied vom Präsidentenamt ließe sich mit der Aufsichtsratsspitze versüßen. Mögen Teile der Republik Hoeneß nicht einmal mehr als Nachwuchslenker des FC Bayern sehen wollen, Mitglieder und Fans des Rekordmeisters wünschen ihn sich voller Leidenschaft zurück. Es wäre ein vernehmbares, ganz und gar nicht mehr schüchternes Lebenszeichen.

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