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Steuer-Affäre: Die Schicksalstage des Uli Hoeneß: Heute beginnt der Prozess

Steuer-Affäre

Die Schicksalstage des Uli Hoeneß: Heute beginnt der Prozess

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    Die Schicksalstage des Uli Hoeneß: Heute beginnt der Prozess
    Die Schicksalstage des Uli Hoeneß: Heute beginnt der Prozess

     Die tiefere Wahrheit kommt manchmal in brüllend komischer Verkleidung daher. Als 2011 beim Maibock-Anstich im Hofbräuhaus erstmals seit vielen Jahren wieder der Ministerpräsident anwesend war, schickte der Kabarettist Django Asül seiner Spottrede eine ebenso freundliche wie hinterhältige Begrüßung voraus. Er freue sich, im Publikum den mächtigsten Mann Bayerns begrüßen zu dürfen. CSU-Chef Horst Seehofer erhob sich und knöpfte das Sakko zu, um den Applaus entgegen zu nehmen. Doch

    So war das – damals, als der außergewöhnlich erfolgreiche Fußballer, Vereinsmanager und Wurstfabrikant in der öffentlichen Wertschätzung vermutlich nur noch von Altkanzler Helmut Schmidt oder dem Papst übertroffen wurde. Mittlerweile ist das anders. Hoeneß ist seine Vorbildfunktion los, seit öffentlich bekannt wurde, dass er in einer Selbstanzeige jahrelange Steuerhinterziehung – mutmaßlich in Höhe mehrerer Millionen – eingeräumt hat. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundespräsident Joachim Gauck haben sich öffentlich distanziert. Heute, ab 9.30 Uhr, wird der einst gefeierte Bayern-Präsident im Saal 134 des Münchner Justizpalasts als Angeklagter vor Gericht stehen.

    Muss Uli Hoeneß ins Gefängnis?

    Die zentrale juristische Frage im „Prozess des Jahres“ lautet: Muss der 62-Jährige, der sich mit der Selbstanzeige möglicherweise kurz vor seiner Entdeckung zu retten versuchte, ins Gefängnis oder kommt er mit einer Bewährungs- oder vielleicht sogar einer Geldstrafe davon? Seit Wochen wird darüber landauf landab spekuliert. Das juristische Grundwissen sagt: Wenn eine Selbstanzeige als unwirksam gewertet wird und der Steuerschaden höher ist als eine Million Euro, dann kann es nur eine Haftstrafe ohne Bewährung geben. So ist das im Normalfall.

    Aber was ist in diesem Verfahren schon normal? Der Angeklagte ist kein Anonymus. Er ist ein A-Promi, der das deutsche Fußball- und Fernsehpublikum seit Jahrzehnten in Lager teilt – hier die Fans, die seine Kantigkeit, seine Meinungsfreudigkeit, seine Leistung für den Fußball und das Gemeinwesen schätzen, dort die Gegner, die ihm Arroganz, Selbstgefälligkeit und Mir-san-mir-Gehabe vorwerfen. Es gibt vermutlich kaum jemanden, den der altbekannte Uli Hoeneß kalt gelassen hätte. Aber so oder so – Hoeneß wurde respektiert.

    Dann plötzlich wurden noch ganz andere, bisher unbekannte Seiten des Mannes offenbar. Und wieder war für jeden etwas dabei – hier Hoeneß, der krankhafte (?) Börsenzocker, der nimmersatte Multi-Millionär, der scheinheilige Moralist, dort Hoeneß, der gefallene Mensch, der weinende Bayern-Präsident, der reuige Sünder, der besorgte Familienvater. Diese Sichtweisen spiegeln sich in der Berichterstattung über den Fall wieder. Von hämischen Vorverurteilungen bis zu rührseligen Mitleidsgeschichten ist in der bundesdeutschen Medienlandschaft alles zu finden.

    Angeblich hält die Staatsanwaltschaft die Selbstanzeige für unwirksam

    Die 5. Strafkammer am Landgericht München II unter Vorsitz des angeblich ziemlich strengen Richters Rupert Heindl steht also vor der schwierigen Aufgabe, ein Urteil im Namen des Volkes zu sprechen, obwohl sich das Volk – man denke nur an die Ovationen für Hoeneß bei der jüngsten Jahreshauptversammlung des FC Bayern – offenkundig ganz und gar nicht darüber einig ist, welche Strafe im Fall Hoeneß gerecht wäre. Sollen ihm seine früheren Verdienste und die öffentlichen Schmähungen, die jetzt über ihn hereinbrachen, strafmildernd angerechnet werden? Oder muss es als strafverschärfend gewertet werden, dass er jahrelang als rechthaberischer Moralist mit erhobenem Zeigefinger aufgetreten ist, in Wirklichkeit aber offenbar versucht hat, den Staat und damit alle Bürger zu betrügen?

    Eine weitere Besonderheit des Verfahrens ist nach Einschätzung von Experten die unversöhnliche Härte, mit der die Standpunkte von Staatsanwaltschaft und Verteidigung aufeinandertreffen. Angeblich hält die

    Lebte er zwei Leben parallel?

    Hinzu kommt die Frage nach dem Motiv. Handelte Hoeneß aus Geldgier, suchte er – vielleicht aus Langeweile? – den Kick der riskanten Spekulation oder war er einfach nur von Spielsucht getrieben? Lebte er ein Leben oder lebte er zwei Leben parallel? Oder ganz anders gefragt: Kann ein erfolgreicher, mit allen Wassern gewaschener Geschäftsmann, dem es in diesem Leben nach menschlichem Ermessen an nichts mehr fehlen wird, so blöd sein, all dies aufs Spiel zu setzen?

    Uli Hoeneß: Die Geschichte der Steueraffäre

    Uli Hoeneß: Vor vielen Jahren begann er an der Börse eine Zockerei, die ihn 2013 ins Visier der Justiz brachte.

    2001: Der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überweist Hoeneß in Form eines Kredits und einer Bürgschaft 20 Millionen D-Mark (10,23 Millionen Euro) auf ein Konto in der Schweiz.

    2002 bis 2006: In diesen Jahren handelt Hoeneß nach eigenen Worten teilweise Tag und Nacht an der Börse und macht weltweit Geschäfte.

    2008: Hoeneß machte nach eigenen Angaben schon in den Vorjahren zu viele Verluste. Mit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise sei es «endgültig in den Keller» gegangen, und er habe seine Geschäfte stark reduziert.

    August 2011: Nach langen Verhandlungen einigen sich Deutschland und die Schweiz darauf, dass in der Schweiz gebunkerte unversteuerte deutsche Vermögen nachversteuert werden. Das Abkommen, das später noch präzisiert wird, soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten.

    November 2012: Die von SPD und Grünen regierten Länder lassen das Abkommen im Bundesrat scheitern - damit kann Hoeneß seine Gewinne nicht nachträglich steuerrechtlich legalisieren.

    Am 17. Januar 2013 reicht Hoeneß nach eigenen Angaben Selbstanzeige bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle in Rosenheim ein.

    März 2013: Das Finanzamt hat die Selbstanzeige schnell an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Am 20. März kommt es zur Hausdurchsuchung in Hoeneß' Anwesen am Tegernsee. Ihm wird der Haftbefehl eröffnet, dieser wird gegen eine Kaution und Auflagen außer Vollzug gesetzt.

    April 2013: Der «Focus» macht den Fall öffentlich.

    Juli 2013: Die Staatsanwaltschaft erhebt am 30. Juli Anklage gegen Hoeneß. Diese wird im November vom Landgericht München II unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.

    März 2014: Hoeneß wird wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

    Juni 2014: Hoeneß tritt seine Haft in der JVA Landsberg an.

    September 2014: Erster Ausgang - für einige Stunden kann Hoeneß das Gefängnis verlassen, um sich mit seiner Familie zu treffen.

    Januar 2015: Hoeneß wird Freigänger. Er muss jetzt nur noch zum Übernachten in die JVA, tagsüber arbeitet er in der Jugendabteilung des FC Bayern.

    Januar 2016: Die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg entscheidet, dass die Haftstrafe zum 29. Februar zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Münchner Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Beschwerde.

    Februar 2016: Ex-Bayern-Präsident Uli Hoeneß kommt mit 64 Jahren vorzeitig aus der Haft frei.

    Am 8. August 2016 teilt der FC Bayern auf seiner Homepage mit, dass Hoeneß wieder für das Präsidentenamt kandidieren wird. Sein Nachfolger Karl Hopfner verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Im November wird Hoeneß wiedergewählt.

    Hoeneß wird voraussichtlich bereits heute die Gelegenheit haben, diese Fragen zu beantworten. Wenn es aber zutrifft, dass seine Steuerschuld sich über sieben Jahre hinweg auf 3,5 Millionen Euro summierte, und wenn das Gericht und alle weiteren Instanzen obendrein die Selbstanzeige als unwirksam werten, dann wird ihm eine Gefängnisstrafe nicht erspart werden können. Dann hat er nur die Chance, durch rückhaltlose Offenheit um Verständnis zu werben.

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