Immerhin schon mal 12.000 Zuschauer verfolgten im Stadion den Sieg des FC Bayern. Wer zuvor lediglich vor Auswechselspielern und Vereinsgranden spielte, für den sind auch 12.000 Fans ungewohnt. "Wir lechzen alle danach, die Fans, die Spieler, die Trainer, der komplette Verein", sagte Trainer Hansi Flick nach dem 2:0-Sieg gegen Al Ahly Kairo im Halbfinale der Klub-Weltmeisterschaft.
So hat die Reise der Münchner ins ferne Katar einen netten Nebeneffekt abseits der vier Millionen Euro, die im Falle eines Finalsiegs auf das bayerische Konto überwiesen werden. Die Mannschaft bekommt kurz eine Ahnung davon geschenkt, was vor einem Jahr noch Normalität war. Geht es nach der breiten Öffentlichkeit in Deutschland, hätten die Spiele der Vereinsweltmeisterschaft aber auch in pandemiefreien Zeiten nicht mehr als 12.000 Zuschauer verdient. Mögen die Bayern noch so sehr darauf beharren, dass es eine historische Chance sei, den sechsten Titel einer Saison einzufahren, gilt doch der Allgemeinheit das Aufeinandertreffen mit dem mexikanischen Vertreter Tigres am Donnerstag als reichlich unbedeutend (19 Uhr, DAZN und Bild live).
Als der FC Bayern vor 117.000 Zuschauern spielte
Eine Ansicht, die in Deutschland eine lange Historie hat. Als die Münchner 1976 erstmals die Chance auf den Weltpokal hatten – damals noch in einem anderen Modus ausgespielt –, fanden gerade mal 18.000 Zuschauer den Weg ins Olympiastadion. Einen Monat später peitschten im Rückspiel allerdings 117.000 Fans Cruzeiro Belo Horizonte nach vorne, um das 0:2 aus München wettzumachen. Es gelang den Brasilianern nicht.
Abseits der eurozentristischen Betrachtung der Vereinsmeisterschaft genießt die Veranstaltung einen weitaus besseren Leumund. Ehe sich die Münchner 2001 in Tokio aufmachten, den Pokal zu gewinnen, kam der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan in das Hotelzimmer seines Landsmannes und Bayern-Verteidiger Samuel Kuffour, um ihm zu sagen, er spiele "für ganz Ghana und Afrika". Kuffour erzielte den Treffer zum 1:0-Sieg.
Robert Lewandowski will den sechsten Titel mit dem FC Bayern
Auch die Spieler der jetzigen Bayern-Generation können mit dem verständnislosen Blick auf das scheinbar lächerliche Turnier in Katar nur wenig anfangen. "Das könnte die Kirsche auf der Torte werden", sagt beispielsweise Robert Lewandowski zu einem möglichen Sieg gegen Tigres. Auf Titel reagieren die Münchner Akteure im Sinne Pawlows: Auf Reiz folgt Reaktion. Am Beispiel der Bayern ist das der Wille, jeden auch noch so kleinen Triumph einzufahren. Man möchte Joshua Kimmich und Co. im Supermarkt nicht beim Kampf um die letzte Zahnpastatube gegenüberstehen.
Lewandowski beispielsweise ließ an seinem Willen auch im Halbfinale gegen Al Ahly keinen Zweifel. Der Torjäger im Dauerdienst war es mit seinen beiden Treffern, der einer müden Mannschaft einen ungefährdeten Sieg gegen den ägyptischen Herausforderer bescherte. Ohne Kirsche wollen die Münchner am Freitag nicht nach Hause zurückkehren.
Lesen Sie auch:
- Fair Play Preis für Fußball-Profis Goretzka und Kimmich
- Wie Messi: Lewandowski will "große Geschichte" schreiben
- Bierhoff wirbt weiter um Musiala - Müller-Rückkehr offen
Wir wollen wissen, was Sie denken: Die Augsburger Allgemeine arbeitet daher mit dem Meinungsforschungsinstitut Civey zusammen. Was es mit den repräsentativen Umfragen auf sich hat und warum Sie sich registrieren sollten, lesen Sie hier.