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Hoeneß-Prozess: Der Fall des Uli Hoeneß: Vom Samariter zum Raffzahn

Hoeneß-Prozess

Der Fall des Uli Hoeneß: Vom Samariter zum Raffzahn

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    Uli Hoeneß ist zugleich knallharter Geschäftsmann und Wohltäter. Muss er nun wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis?
    Uli Hoeneß ist zugleich knallharter Geschäftsmann und Wohltäter. Muss er nun wegen Steuerhinterziehung ins Gefängnis? Foto: Carmen Jaspersen (dpa)

    Vor kurzem durfte sich Uli Hoeneß mal wieder als mächtiger Patron des FC Bayern in Szene setzen. Gerade hatten er und seine Kollegen beim Fußball-Rekordmeister die Millionen-Partnerschaft mit einem dritten namhaften Investor besiegelt und den deutschen Vorzeigeclub mit dem Millionendeal auch beim eigenen Stadion gänzlich entschuldet, da sprach der Vereinspräsident von "einem Traum" und "großem Stolz". Ein wenig hatte es den Anschein, als erzählte Hoeneß von seinen Kindern. Wobei: Eigentlich stimmt das sogar. Eigentlich ist der

    Hoch oben auf der Stadiontribüne sitzt der Machtmensch meist mit angespannter Miene, Brille und einem rot-weiß-gestreiften Schal. Und oft dient Hoeneß als personifizierter Beleg für die Stimmung im Fußballverein: Läuft's schlecht, schaut der 62-Jährige bedrückt und deprimiert drein. Er ist damit für die Fans viel leichter zu fassen als sein Stammnachbar, der Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge, der Niederlagen wie Siege viel ausdrucksloser wegsteckt.

    Niederlage gegen Chelsea verbandelt Hoeneß mit Fans

    Uli Hoeneß – Stationen einer Karriere, Stationen eines Lebens

    Geburtsort: Ulm

    Spieler: Mittelfeldspieler, Stürmer Stationen: FC Bayern München (1970 bis 1978), 1. FC Nürnberg (1978 bis 1979)

    250 Bundesligaspiele (86 Tore) 35 Länderspiele (5 Tore)

    Spieler-Titel: Europameister (1972), Weltmeister (1974), dreimal Europapokalsieger der Landesmeister (1974 –1976), dreimal deutscher Meister, einmal DFB-Pokalsieger, Weltpokalsieger (1976), Olympia-Teilnehmer, 72

    Manager: 1979 beendet Hoeneß seine Fußballkarriere wegen chronischer Kniebeschwerden. Danach ist er bis 2009 Manager

    Manager-Titel: Champions-League-Sieger (2001), UEFA-Cup-Sieger (1996), 16 Mal deutscher Meister, neunmal DFB-Pokalsieger, Weltpokalsieger (2001)

    Präsidenten-Titel: Deutscher Meister 2010, DFB-Pokalsieger 2010

    Auszeichnungen: Unternehmer des Jahres (1999), Bayerischer Sportpreis (2006), Bambi (2009)

    Privates: Uli Hoeneß ist verheiratet und hat zwei Kinder

    Ermittlungen: Im April 2013 wurde bekannt, dass sich Hoeneß wegen möglicher Steuerhinterziehung selbst angezeigt hat

    Im März 2014 wurde Hoeneß zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt. Er entschloss sich, keine Revision einzulegen und trat von allen FC-Bayern-Ämtern zurück.

    Erleichterung bei Uli Hoeneß im Februar 2016: Der ehemalige Bayern-Präsident wird vorzeitig aus der Haft entlassen.

    Als der FC Bayern im Sommer vor zwei Jahren im eigenen Stadion das Champions-League-Endspiel gegen den englischen Topclub FC Chelsea verloren hatte, kauerte Hoeneß derart mitgenommen und geknickt in seinem Arenasessel, dass sich viele Anhänger noch ein Stückchen mehr mit ihrem Big Boss verbandelt sahen. Ein Jahr später konnte Hoeneß im Londoner Wembley-Stadion den 2:1-Finalsieg gegen Borussia Dortmund bejubeln. Er tat das allerdings bei weitem nicht so ausgelassen, wie es wohl ohne die belastende Steueraffäre der Fall gewesen wäre.

    Uli Hoeneß als Mann des Volkes - das passte über Jahrzehnte fast immer. Nicht nur auf den Stadiontribünen dieser Fußballwelt. Auch weit über den Sport hinaus gab er gerne den Vorkämpfer für Gerechtigkeit, Fairness und Loyalität. Seine Meinungen, Aussagen und Stellungnahmen hatten oft genug politische Sprengkraft.

    Immer wieder untermauerte der Metzgersohn seine Glaubwürdigkeit mit Taten. Er spendete großzügig oder trat in Talkshows meinungsstark fürs Gemeinwohl ein. Tage nach dem S-Bahn-Mord an Manager Dominik Brunner nahm er vor einem Bundesligaspiel 69 000 Zuschauer ins Gebet und forderte Zivilcourage. "Es ist schockierend, dass viele Passanten dieses Drama miterlebt und nicht aktiv eingegriffen haben", sagte er.

    Uli Hoeneß: Der gute Mensch vom Tegernsee

    Uli Hoeneß: Die Geschichte der Steueraffäre

    Uli Hoeneß: Vor vielen Jahren begann er an der Börse eine Zockerei, die ihn 2013 ins Visier der Justiz brachte.

    2001: Der damalige Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus überweist Hoeneß in Form eines Kredits und einer Bürgschaft 20 Millionen D-Mark (10,23 Millionen Euro) auf ein Konto in der Schweiz.

    2002 bis 2006: In diesen Jahren handelt Hoeneß nach eigenen Worten teilweise Tag und Nacht an der Börse und macht weltweit Geschäfte.

    2008: Hoeneß machte nach eigenen Angaben schon in den Vorjahren zu viele Verluste. Mit dem Ausbruch der weltweiten Finanzkrise sei es «endgültig in den Keller» gegangen, und er habe seine Geschäfte stark reduziert.

    August 2011: Nach langen Verhandlungen einigen sich Deutschland und die Schweiz darauf, dass in der Schweiz gebunkerte unversteuerte deutsche Vermögen nachversteuert werden. Das Abkommen, das später noch präzisiert wird, soll am 1. Januar 2013 in Kraft treten.

    November 2012: Die von SPD und Grünen regierten Länder lassen das Abkommen im Bundesrat scheitern - damit kann Hoeneß seine Gewinne nicht nachträglich steuerrechtlich legalisieren.

    Am 17. Januar 2013 reicht Hoeneß nach eigenen Angaben Selbstanzeige bei der Bußgeld- und Strafsachenstelle in Rosenheim ein.

    März 2013: Das Finanzamt hat die Selbstanzeige schnell an die Staatsanwaltschaft weitergeleitet. Am 20. März kommt es zur Hausdurchsuchung in Hoeneß' Anwesen am Tegernsee. Ihm wird der Haftbefehl eröffnet, dieser wird gegen eine Kaution und Auflagen außer Vollzug gesetzt.

    April 2013: Der «Focus» macht den Fall öffentlich.

    Juli 2013: Die Staatsanwaltschaft erhebt am 30. Juli Anklage gegen Hoeneß. Diese wird im November vom Landgericht München II unverändert zur Hauptverhandlung zugelassen.

    März 2014: Hoeneß wird wegen Steuerhinterziehung zu drei Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

    Juni 2014: Hoeneß tritt seine Haft in der JVA Landsberg an.

    September 2014: Erster Ausgang - für einige Stunden kann Hoeneß das Gefängnis verlassen, um sich mit seiner Familie zu treffen.

    Januar 2015: Hoeneß wird Freigänger. Er muss jetzt nur noch zum Übernachten in die JVA, tagsüber arbeitet er in der Jugendabteilung des FC Bayern.

    Januar 2016: Die zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Augsburg entscheidet, dass die Haftstrafe zum 29. Februar zur Bewährung ausgesetzt wird. Die Münchner Staatsanwaltschaft verzichtet auf eine Beschwerde.

    Februar 2016: Ex-Bayern-Präsident Uli Hoeneß kommt mit 64 Jahren vorzeitig aus der Haft frei.

    Am 8. August 2016 teilt der FC Bayern auf seiner Homepage mit, dass Hoeneß wieder für das Präsidentenamt kandidieren wird. Sein Nachfolger Karl Hopfner verzichtet auf eine weitere Amtszeit. Im November wird Hoeneß wiedergewählt.

    In ungezählten Fällen unterstützte Hoeneß ehemalige Bayern-Spieler, die in persönliche Krisen geraten waren. Er verhalf ihnen zu Jobs und Zukunft. Selbst als der brasilianische Verteidiger Breno vor zwei Jahren wegen schwerer Brandstiftung kurz vor einer Haftstrafe stand, versuchte Hoeneß alles, um seinen Profi vor dem Gefängnis zu bewahren. Hoeneß und die Münchner Staatsanwaltschaft begegnen sich also nicht zum ersten Mal, wenn am 10. März der Steuerhinterziehungsprozess gegen ihn beginnt.

    Wie kein anderer hat Hoeneß im deutschen Fußball Werte gepredigt. Für in Not geratene Vereine verordnete er seinen Profis zahlreiche Benefizspiele. Er setzte sich als Vorreiter des Financial Fair Plays in Szene, das den Graben zwischen finanzstarken und ärmeren Clubs international etwas kleiner machen soll. Andererseits war er immer eine streitbare Figur, die polarisiert. Legendär sind die Dauerfehden mit seinem früheren Managerkollegen Willi Lemke oder Fußballcoach Christoph Daum. Auch in Talkshows verteidigte er seine Meinungen lautstark, emotional und mit hochrotem Kopf. Understatement war nie seine Stärke; Großspurigkeit und Selbstgerechtigkeit wurden ihm oft vorgeworfen.

    Verletzung zwang Hoeneß auf den Manager-Stuhl

    Andererseits wäre der FC Bayern ohne Uli Hoeneß nicht das, was er heute ist: Die Nummer eins in Deutschland und einer der ganz wenigen Triple-A-Clubs in Europa. Seit Jahrzehnten steht Hoeneß mit seinem Gesicht persönlich für den mächtigsten und erfolgreichsten, aber auch polarisierendsten Fußballclub Deutschlands. Mit 19 Jahren schon war er Profi, mit 20 Fußball-

    Hoeneß' Gutmenschen-Image hat durch den Steuerfall gewaltige Risse bekommen. Da halfen auch die Tränen bei der Jahreshauptversammlung Ende 2013 wenig. Einem wie ihm, der gerne mit erhobenem Zeigefinger Moralpredigten hielt, verzeihen die Menschen nicht ohne weiteres.

    Hoeneß hat Sympathien eingebüßt, aber seine Macht im Verein bisher weitgehend erhalten. Er führt weiter den Aufsichtsrat der FC Bayern AG an. Mächtige Mit-Aufsichtsräte und Wirtschaftsführer wie Martin Winterkorn (VW), Herbert Hainer (Adidas) oder Rupert Stadler (Audi) standen bislang zu ihm. Daran könnte wohl allein Richter Rupert Heindl etwas ändern, sollte dieser Hoeneß ins Gefängnis schicken. (dpa)

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