Im Sommer 2016 rieben sich die Fußball-Fans die Augen: Bei der Europameisterschaft in Frankreich wirbelte ein damals 19-Jähriger im Mittelfeld Portugals. Der Junge beeindruckte mit einer enormen Präsenz und einer Explosivität am Ball, sprühte vor Spielwitz und war nicht nur wegen eines Tors im Viertelfinale gegen Polen ein entscheidender Faktor, warum die Iberer letztlich das Turnier gewannen.
Der Name des Hochtalentierten: Renato Sanches. In die Bewunderung für den Mittelfeldspieler mischte sich auch Anerkennung für den FC Bayern: Der Klub sicherte sich schon Wochen vor Turnierbeginn die Dienste das Talents. Die 35 Millionen Ablöse, die der deutsche Rekordmeister an Benfica Lissabon zahlte, würde sich noch erhöhen, wenn Sanches etwa für die Wahl zum Weltfußballer nominiert wird.
Drei Trainer versuchten sich bei den Bayern vergeblich an Sanches
Drei Jahre später scheint es fast absurd, sich Sanches als kommenden Weltfußballer vorzustellen. Seit seiner Ankunft in München konnte sich der zweifellos hochbegabte Kicker niemals durchsetzen – weder unter seinem ersten Bayern-Trainer Carlo Ancelotti noch unter dessen Nachfolgern Jupp Heynckes oder Niko Kovac. Und das, obwohl es sich Kovac bei seinem Amtsantritt zur ausdrücklichen Aufgabe gemacht hatte, den Sanches aus dem Sommer 2016 wieder erwecken zu wollen. Es gelang trotz gelegentlicher guter Ansätze auch ihm niemals wirklich. Sanches wirkte stets unzufrieden und äußerte seinen Wunsch, den Klub verlassen zu dürfen, regelmäßig – zuletzt nach dem Auftakt gegen Hertha BSC Berlin. „Fünf Minuten, das ist zu wenig für mich“, sagte er sichtlich aufgelöst, nachdem er wütend aus der Bayern-Kabine gestürmt war.
Eine Leihe zum damaligen englischen Erstligisten Swansea City in der Saison 207/18 geriet zum Desaster. Unter dem ehemaligen Co-Trainer der Bayern, Paul Clement, sollte Sanches Spielpraxis bekommen. Klappte das zu Beginn noch ganz gut, verschlechterten sich die Leistungen des Talents rapide. Am Ende der Saison war Swansea abgestiegen und Sanches auch in Wales gescheitert. Sinnbildlich für die Zeit auf der Insel war eine Szene in einem Spiel gegen Chelsea: Sanches führte den Ball im Mittelfeld und spielte einen haarsträubenden Fehlpass ins Seitenaus – in Richtung einer Werbebande, die denselben Rot-Ton hatte wie die Trikots der Swansea-Spieler. Sein Coach Clement hielt sich fluchend die Hand vor Gesicht und wechselte ihn kurz darauf aus. Sanches, so schien es, ist nicht gemacht für den Druck in der englischen oder deutschen Liga.
In diesen Tagen scheint seine Zeit beim FC Bayern zu Ende endgültig zu gehen. Der Wechsel zum französischen Vizemeister OSC Lille ist nur noch eine Formsache. Nach Informationen des TV-Senders Sky haben sich der deutsche Rekordmeister und Lille „grundsätzlich“ auf einen Wechsel des 22 Jahre alten Portugiesen geeinigt. Nach der Klärung abschließender Details sei spätestens bis Samstag mit einer kompletten Übereinkunft zu rechnen. Sanches dürfte dann schon beim Bundesligaspiel der Bayern am Samstagabend beim FC Schalke 04 nicht mehr dabei sein.
Einen Nachfolger scheinen die Bayern in Spanien gefunden zu haben
Auch ein möglicher Nachfolger soll bereits gefunden sein: Laut der französischen Sportzeitung L’Equipe soll sich der FC Bayern mit dem spanischen U21-Nationalspieler Marc Roca auf einen Wechsel verständigt haben. Mit dessen aktuellen Klub Espanyol Barcelona müssen die Bayern nicht verhandeln, sondern lediglich die vertraglich fixierte Ablösesumme für den zentralen Mittelfeldspieler zahlen: 40 Millionen Euro werden für den 22-Jährigen fällig. Es ist fast die gleiche Summe, die die Bayern vor vor drei Jahren für Renato Sanches ausgegeben haben. Nun soll Lille immerhin noch 20 Millionen auf den Tisch legen – zuzüglich etwaiger Bonuszahlungen. Ob eine Klausel eine Nachzahlung beinhaltet, falls Sanches zur Wahl zum Weltfußballer stehen sollte, ist nicht bekannt.