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FC Bayern München: Zwischenbilanz nach knapp 100 Tagen: Was unter Nagelsmann auffällt

FC Bayern München

Zwischenbilanz nach knapp 100 Tagen: Was unter Nagelsmann auffällt

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    Julian Nagelsmann fällt nicht nur wegen der farbenfrohen Jacke auf. Der Trainer hat das Spiel des FC Bayern um einige Varianten erweitert.
    Julian Nagelsmann fällt nicht nur wegen der farbenfrohen Jacke auf. Der Trainer hat das Spiel des FC Bayern um einige Varianten erweitert. Foto: Matthias Balk, dpa

    Nach 100 Tagen ist es dann endlich erlaubt, harte Kritik zu äußern. So lange geben Journalisten und Journalistinnen im Normalfall Politikern und Politikerinnen Zeit, ehe sie ihr erstes Zwischenfazit ziehen. Die Reporter und Reporterinnen hätten es freilich auch schon nach oder sogar vor dem ersten Tag im Amt publizieren können, schließlich ist kann sich kein Frachter im Suezkanal so festfahren wie Meinung derer, die sich der beruflichen Neutralität verpflichtet fühlen sollten. Mehr als 100 Tage aber ist es nicht möglich, Meinung zurückzuhalten.

    Am Freitag wird Julian Nagelsmann zum 100. Mal als Trainer des FC Bayern morgens aus dem Bett steigen. Der 34-Jährige ist der Sebastian Kurz der Bundesliga. Was nun wiederum nicht bedeutet, dass der österreichische Bundeskanzler dem erfolgreichsten Land Europas vorsteht (auch wenn das manch selbstbewusster Burgenländer anders sieht). Wie Kurz ist Nagelsmann in frühen Jahren zu großen Ehren gekommen. Anders als der Kanzler hat sich der Coach aber jugendliche Lässigkeit bewahrt, die Kurz von jeher abgeht.

    Julian Nagelsmanns Jacke war schon auffällig

    Eher unwahrscheinlich, dass Kurz mit einem elektrischen Skateboard zum Ballhausplatz fährt, um dort im Bundeskanzleramt die Geschäfte zu führen. Nagelsmann hingegen hat sichtlich Freude daran, an der Säbener Straße um die Plätze zu brausen. Letztlich aber ist das selbstverständlich ebenso nur eine Äußerlichkeit wie jene auffällige Trainingsjacke, die er zuletzt an der Seitenlinie präsentierte, als seine Mannschaft mit 1:2 gegen Frankfurt verlor .

    Weil es die erste Niederlage in einem Pflichtspiel mit den Münchnern für ihn war, würden sich nicht einmal ihm wenig zugetane Journalisten trauen, Nagelsmann ein schlechtes Zwischenzeugnis auszustellen. Nach einer holprigen Vorbereitung und dem glücklichen 1:1 zum Ligastart in Mönchengladbach machten sich die Münchner daran, die Liga wie in all den Jahren zuvor auch zu dominieren. Sukzessive aber wichen sie vom allzu risikoreichen Flick-Pressing ab, das ihnen in den vergangenen Jahren neben etlichen sehenswerten Treffern auch überraschend viele Gegentore einbrachte. Die Veränderung der Grundstruktur ist unter Nagelsmann nicht nur nuanciert.

    Nagelsmann hat eine neue Rolle für Leroy Sané gefunden

    Der Trainer ist Verfechter der asymmetrischen Demobilisierung. Auf diese Art langweilte Angela Merkel bisweilen das Wahlvolk, verteidigte aber immer wieder ihren Regierungsanspruch. Nagelsmann hingegen will damit gegnerische Abwehrreihen aus dem Gleichgewicht bringen. Weil er Alphonso Davies eine Zwitterrolle aus Außenverteidiger und -stürmer zudachte, darf Leroy Sané vom Flügel aus etwas in die Mitte rücken. Auf der rechten Seite fehlt es an einem Pendant. Dort interpretieren Niklas Süle oder Benjamin Pavard ihre Rolle rechts hinten eher klassisch, davor bearbeitet Serge Gnabry den Flügel.

    Das Münchner Spiel ist auf diese Art variantenreicher als noch– wie die Niederlage gegen Frankfurt zeigt, aber dennoch nicht vor Rückschlägen gefeit. Den Spielern scheinen die Ideen des neues Vorgesetzten zu gefallen. Nagelsmann lobt immer wieder die Gier, die seine Mannschaft ausstrahle. Ein Wesenszug, der Motivation voraussetzt. Offensichtlich hat der Trainer schnell zum gedeihlichen Umgang mit den Stars gefunden. Das galt im Vorfeld als einer der kritischen Punkte. Schließlich hatte Nagelsmann vor seinem Münchner Engagement nicht nur keinen Titel gefunden, sondern ausschließlich Spieler betreut, die vom Status eines Weltstars ähnlich weit weg waren wie Armin Laschet vom Kanzleramt. Könnte noch werden, Geld darauf setzten sollte man aber nicht.

    Robert Lewandowski  trifft auch unter Julian Nagelsmann
    Robert Lewandowski trifft auch unter Julian Nagelsmann Foto: Sven Hoppe, dpa

    Robert Lewandowski aber trifft weiterhin (auch wenn er nun schon zwei Ligaspiele in Folge nicht jubeln konnte), Joshua Kimmich faucht wie ehe und je auf dem Feld und weil Nagelsmann es anscheinend geschafft hat, Leroy Sané gewinnbringend ins System einzubinden, darf er sich des ersten Fleißsternchens aus der Vorstandsetage gewiss sein.

    Allzu viel aber will Nagelsmann darauf auch nicht geben, "Ich weiß, wie die Medienwelt und auch die Fußballwelt funktionieren. Generell werden Menschen sehr schnell in den Himmel gelobt, aber auch schnell fallen gelassen – wenn es andersrum geht." Nach 100 Tagen allerdings scheint es, als würde er nicht allzu schnell fallen – es sei denn, er verliert die Kontrolle über sein Skateboard.

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