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FC Bayern München: Sven Ulreich zu seiner Ersatzrolle: "Keine Schande, hier auf der Bank zu sitzen"

FC Bayern München

Sven Ulreich zu seiner Ersatzrolle: "Keine Schande, hier auf der Bank zu sitzen"

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    Sven Ulreichs (r) Rolle beim FC Bayern ist klar: Ist Manuel Neuer fit, bleibt für ihn nur der Platz auf der Bank.
    Sven Ulreichs (r) Rolle beim FC Bayern ist klar: Ist Manuel Neuer fit, bleibt für ihn nur der Platz auf der Bank. Foto: Soeren Stache, dpa

    Beim FC Bayern ist gerade alles neu: Herbert Hainer ersetzt Uli Hoeneß als Präsident. Hansi Flick Niko Kovac als Trainer. Wie nimmt die Mannschaft das wahr?

    Sven Ulreich: Vom neuen Präsidenten haben wir noch nicht wirklich viel mitbekommen, Herr Hoeneß war ja auch nicht jeden Tag in der Kabine. Aber klar: Jetzt brechen andere Zeiten an.

    Wie nah war denn Uli Hoeneß noch an der Mannschaft?

    Ulreich: Er war schon oft in der Kabine, gerade nach den Spielen und hat mit jedem gesprochen. Aber er ist nicht jeden Tag bei uns gewesen.

    Der Trainer ist für die Spieler natürlich die größere Neuerung. Was ist der größte Unterschied zwischen Flick und Kovac?

    Ulreich: Das ist noch schwer zu sagen. Aber Hansi Flick macht es gut, er redet viel mit den Spielern. Er versucht, neue Impulse zu setzen: Er arbeitet an unserem Pressing und will uns taktisch variabler machen. So viele Trainingseinheiten hatten wir mit ihm noch nicht, das wird in den kommenden Wochen intensiver werden.

    Sie haben beim FC Bayern einen der eigenartigsten Jobs der Bundesliga: Egal was Sie tun – wenn alles normal läuft, steht Manuel Neuer im Tor. Wie schaffen Sie es, sich zu motivieren?

    Ulreich: Ich wusste, als ich beim FC Bayern unterschrieben habe, dass die Situation so ist. Ich wusste am Anfang selbst nicht, wie ich damit zurechtkomme, weil ich zuvor meistens Stammtorhüter war. Es klappt mittlerweile ganz gut – auch deswegen, weil ich ein Jahr hatte, in dem ich viel gespielt habe. Aber klar: Es kribbelt schon mal. Und dann möchte man auf dem Platz stehen. Aber Manuel ist eindeutig der beste Torhüter der Welt. Deswegen ist es auch keine Schande, hier auf der Bank zu sitzen.

    Haben Sie Tricks, um sich zu motivieren?

    Ulreich:  Nein. Ich glaube, das ist mein Naturell. Ich will immer sehr gut trainieren, will jedes Trainingsspiel gewinnen. Dann fahre ich auch mit einem guten Gefühl nach Hause.

    Ihr Vorgänger auf dieser Position, der Spanier Pepe Reina, hielt es nur ein Jahr auf der Bayern-Bank aus.

    Ulreich: Es gibt in Deutschland 18 Erstligatorhüter. Und es gibt 18 Ersatztorhüter – die muss es geben, ohne die kann eine Mannschaft nicht funktionieren. Denn wenn der Tag X kommt, muss auch der Ersatzmann funktionieren.

    Allerdings würden Sie bei vielen anderen Bundesligaklubs wohl spielen.

    Ulreich: Der FC Bayern ist da in einer anderen Position. Ich fühle mich geehrt, hier sein zu dürfen, es ist ein Weltverein. Wenn ich hier die Nummer zwei bin, muss ich mich nicht verstecken.

    Mit dem Adler auf der Brust: Sven Ulreich im Juni 2019 beim Training der deutschen Nationalmannschaft.
    Mit dem Adler auf der Brust: Sven Ulreich im Juni 2019 beim Training der deutschen Nationalmannschaft. Foto: Marius Becker, dpa

    Dass Sie einen anderen Stellenwert haben als viele andere Ersatztorhüter, wurde im Sommer deutlich, als Sie für die Nationalmannschaft nominiert wurden – zusammen mit Neuer.

    Ulreich: Das war für mich eine große Ehre, auch wenn es wegen der Verletzung von Bernd Leno eine einmalige Sache war. Ich habe in diesem Jahr zwölf Spiele gemacht und gut gespielt. Eine Rolle spielte es natürlich auch, dass viele andere deutsche Mannschaften zu diesem Zeitpunkt schon im Urlaub waren. Aber klar: Dass eine Nummer zwei bei der deutschen Nationalmannschaft dabei ist, ist sehr ungewöhnlich. In den englischen Mannschaften gibt es wegen der vielen Spiele ja öfter die Konstellation, dass der Ersatzmann im Pokal ran darf.

    In Deutschland ist das eher selten.

    Ulreich: Das ist schwieriger, weil es deutlich weniger Pokalspiele gibt. Wenn wir ins Finale kommen, haben wir gerade mal sechs Spiele. In England gibt es zwei Cups, einer davon ist mit Hin- und Rückspiel. Da hat man als zweiter Torhüter auch mal mehr Spiele.

    Würden Sie sich trotzdem ein Jobsharing-Modell mit Neuer wünschen?

    Ulreich: Theoretisch würde sich da vielleicht das erste Pokalspiel gegen einen nicht so starken Gegner anbieten. Aber da ist es so, dass Manu seinen Rhythmus nach der Sommerpause wieder aufbauen will, um im ersten Bundesligaspiel topfit zu sein. Das geht nun mal besser gegen einen vermeintlich schwächeren Gegner in der ersten Pokalrunde.

    Ertappen Sie sich manchmal dabei, wie Sie die anderen Bundesliga-Torhüter durchgehen und denken: Gegen den würde ich mich durchsetzen?

    Ulreich: Nein, überhaupt nicht. Aber manchmal, wenn Manuel im Spiel einen Ball hält, die Zuschauer applaudieren und ich auf der Bank sitze, denke ich mir: Boah. Dieses Gefühl fehlt einem schon. Klar bekomme ich im Training nach einem gehaltenen Ball auch Zuspruch vom Trainer. Aber es ist nochmal etwas anderes, wenn einem 70.000 Menschen zujubeln.

    Dass Sie als 31-Jähriger bereit sind, die Rolle als Ersatzmann zu akzeptieren, ist das auch eine Altersfrage?

    Ulreich: Bestimmt. Früher hätte ich es nicht aushalten können, auf der Bank zu sitzen. Ich war damals nicht so der Teamplayer, der ich heute bin. Je älter man wird, desto eher lernt man andere Dinge zu schätzen: das Umfeld, die Familie. Ich konnte mein Hobby zum Beruf machen, das ist auch viel wert. Man weiß, dass es wichtig fürs Team ist, seine eigenen Interessen hinten anzustellen.

    Öffentlich ausgetragene Torhüter-Zweikämpfe gibt es immer seltener. Gibt es mehr Teamspieler als früher?

    Ulreich: Das weiß ich nicht. Es gibt aber auch heute bei Bundesligisten sicherlich Ersatztorhüter, die nur darauf warten, bis sie die Chance ergreifen können.

    Fast 20 Jahre lang spielte Sven Ulreich für den VfB Stuttgart.
    Fast 20 Jahre lang spielte Sven Ulreich für den VfB Stuttgart. Foto: Ronald Wittek (dpa)

    War das bei Ihnen früher ähnlich?

    Ulreich: Ja. In Stuttgart hatten wir Phasen, in denen es nicht so gut lief. Da habe ich meine eigene Situation in den Vordergrund gestellt und mir gedacht: Ich muss jetzt spielen. Heute will ich eine Unterstützung sein für Manu. Wenn man innerhalb der Keeper ein gutes Klima hat, kann die Nummer eins auch bessere Leistungen abrufen.

    Wie unangenehm das Geschäft auch sein kann, mussten Sie als 19-Jähriger erfahren. Sie standen im Tor des VfB Stuttgart und patzten. Ihr damaliger Trainer Armin Veh kritisierte Sie öffentlich. Eines Abends klingelte das Telefon und Robert Enke war dran.

    Ulreich: Ja, das stimmt. Robert war damals Nationaltorhüter und hat mich aufgemuntert. Er hatte das Interview mit Armin Veh im Fernsehen gesehen und sich über dessen Aussagen geärgert. Ich war wegen der Kritik an mir am Boden zerstört. Umso besser war es für mich, von einem Nationalspieler wie ihm Zuspruch zu erhalten. Dafür bin ich Robert bis heute dankbar. Wenn ich heute in einer ähnlichen Situation sein sollte, würde ich seinem Beispiel folgen.

    Es ist selten, dass Trainer ihren Torhüter öffentlich kritisieren – ebenso selten wie ein Torwartwechsel.

    Ulreich: Veh nahm mich damals aus dem VfB-Tor. Für mich war das Schlimme nicht, mich aus dem Tor zu nehmen – das gehört zum Leistungssport dazu. Ich fand es unangemessen, es so hinzustellen, dass ein 19-Jähriger Schuld daran ist, dass man die letzten zwei Spiele verloren hat.

    Kein besonders inniges Verhältnis: Sven Ulreich und der damalige VfB-Trainer Armin Veh.
    Kein besonders inniges Verhältnis: Sven Ulreich und der damalige VfB-Trainer Armin Veh. Foto: dpa

    Hat Veh seine Kritik im Gespräch mit Ihnen nochmal thematisiert?

    Ulreich: Nein. Aber er ist ein paar Jahre später wieder VfB-Trainer geworden und hat mich da wieder relativ schnell aus dem Tor genommen. Offenbar war ich als Torhüter nicht sein Typ.

    So gut Ihr Verhältnis zu Manuel Neuer ist – es bleibt doch das Problem bestehen: Um zu spielen, müssen Sie hoffen dass er verletzt oder gesperrt ist.

    Ulreich: Ich wünsche in der Mannschaft niemand etwas Schlimmes, sondern hoffe, dass wir alle gesund und erfolgreich sind. Aber wenn er mal einen kleinen Schnupfen haben sollte, wäre es nicht allzu schlimm (lacht).

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