Der Fahrer hätte nur einmal links abbiegen müssen. Statt rechts die Autobahn Richtung München zu nehmen, hätte Leroy Sané dann die pittoresken Ecken des oberbayerischen Fünfseenlandes bestaunen können. Weßlinger See, Ammersee, Wörth- und Pilsensee liegen allesamt unweit einer langen Eichenallee. Lukas Podolski wohnte hier während seiner sportlich eher unerquicklichen Münchner Zeit. Sané aber war am Mittwochabend nicht auf dem Sonderflughafen in Oberpfaffenhofen gelandet, um sich Wald, Wiesen und Gewässer anzuschauen. Nach allem was bekannt ist, hat der 24-Jährige eher ein Faible für ausgefallene Kleidungsstücke denn für die schlichte Schönheit der Natur. Bislang spielte Sané in seiner Karriere für Klubs in Gelsenkirchen und Manchester. Städte, deren Flieh- stärker als die Anziehungskräfte sind. Es sei denn, der Arbeitgeber kann finanzielle Argumente geltend machen.
Nach vier Jahren in England hat Sané genug vom eigenwilligen Charme der nordenglischen Metropole. Wichtiger aber noch: Er ist sich der Zuneigung von Trainer Pep Guardiola nicht mehr sicher. Das dürfte der ausschlaggebende Grund sein, weshalb er seine sportliche Zukunft beim FC Bayern sieht. Der deutsche Serienmeister buhlte beinahe ein Jahr um den schnellen Linksfuß. Weil sich Sané im vergangenen August das Kreuzband riss, warteten die Münchner allerdings ab. Die damals gehandelten 100 Millionen Euro Ablöse sollten nicht in einen angeschlagenen Spieler investiert werden. Im Nachhinein: eine gute Entscheidung. Nun wechselt Sané für kolportierte 50 Millionen Euro nach München. Corona macht’s möglich. Und die Tatsache, dass Manchester City für die kommenden beiden Spielzeiten wegen Verstößen gegen das Financial Fair Play von sämtlichen europäischen Wettbewerben ausgeschlossen wurde. Da achtet dann auch ein wohlsituierter Klub kurzfristig auf eine ausgeglichene Bilanz.
Sané bereits auf dem Vereinsgelände des FC Bayern
Seit Donnerstag darf als gesichert gelten, dass Sané nach München wechselt. Er wurde am Vereinsgelände und bei der obligatorischen medizinischen Untersuchung gesichtet. Sané befriedet die Lust auf Spektakel. Zuletzt sicherten sich die Bayern auf spielerisch eindrucksvolle Weise die Meisterschaft, auf Zirkusnummern wie sie Arjen Robben oder Frank Ribéry ein Jahrzehnt lang vorführten, musste aber verzichtet werden. Sané garantiert fulminante Sololäufe über den Flügel und etliche Treffer. Trotzdem legte Guardiola kein Veto ein, als Sanés Vertreter den Wechselwunsch an Manchester City herantrugen. Der Trainer verzichtete in den entscheidenden Champions-League-Spielen der vergangenen Saison aus freien Stücken auf den deutschen Nationalspieler, wechselte ihn lediglich ein. Immer öfter vertraute er Raheem Sterling oder Phil Foden.
Dem Tüftler Guardiola missfällt das mitunter recht laxe Verständnis Sanés für die Notwendigkeit defensiver Arbeit. Zudem bremste er ab und an die temporeichen Kombinationen mit minimalen technischen Mängeln aus. Gründe, weshalb ebenso Joachim Löw 2018 auf ihn verzichtete – und bei der Weltmeisterschaft schließlich auch aufgrund fehlender individueller Klasse krachend scheiterte.
Sané zusammen mit Alphonso Davies: Eine spannende Vorstellung
Sané ist der derzeit wohl spektakuläreste deutsche Spieler, für den endgültigen internationalen Durchbruch fehlt es ihm aber noch an Beständigkeit. Mit Hansi Flick allerdings leitet ein Trainer die Münchner Mannschaft an, dem der Vorstand zutraut, aus dem flatterhaften Profi eine Stütze für die Zukunft zu machen. Die Macher dürfte zudem reizen, über den wohl schnellsten linken Flügel des Weltfußballs zu verfügen. Zusammen mit Alphonso Davies könnte Sané die linke Seite zur Hochgeschwindigkeitsstrecke ausbauen. Ihr bisweilen arg improvisiertes Stellungsspiel eröffnet allerdings auch die Möglichkeit defensiver Freizügigkeit.
Mit der Verpflichtung Sanés sind die Münchner in ihrer kurz- wie mittelfristigen Zukunftsplanung schon recht weit, immerhin soll sich der Neuzugang für fünf Jahre vertraglich an den den FC Bayern gebunden haben. Weil sich aber Thiago und David Alaba noch nicht durchringen konnten, ihre 2021 auslaufenden Arbeitspapiere zu verlängern, hat Sportvorstand Hasan Salihamidzic an entscheidenden Stellen noch zu werkeln. Zudem ist offen, ob Javi Martínez und Corentin Tolisso weiterhin in München bleiben oder aufgrund wachsender Perspektivlosigkeit einen Wechsel anstreben. Martínez hatte nun acht Jahre lang Zeit für die schönen Flecken Oberbayerns, Tolisso immerhin auch schon wieder drei. Ehe sie aber mit Sané die Picknick-Decke im Fünfseenland ausbreiten, werden sie wohl eher den Flughafen ansteuern.
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