Das Erklären gesamtgesellschaftlicher Zusammenhänge gehört nicht zu den Ausbildungsinhalten der Hennes-Weisweiler-Akademie. Dort lernen die kommenden Trainer im Profibereich das Bespielen unterschiedlichster gegnerischer Grundordnungen, das Agieren gegen den Ball (früher bekannt als „Zweikampf“) und wahrscheinlich auch, wie es sich öffentlich verkaufen lässt, wenn all das nicht so gut geklappt hat. Auf eine Pandemie aber sind die Trainer nicht vorbereitet. Tischler und Bankkauffrauen sind es selbstverständlich auch nicht, sie müssen sich aber auch nicht wöchentlich rechtfertigen und begründen, warum sie diese oder jene Haltung zu diesen oder jenen Maßnahmen haben.
Insofern kann durchaus wohlwollend bemerkt werden, wie sich Julian Nagelsmann zu Fragen rund um Corona verhält. Der Trainer des FC Bayern ist mittlerweile intensiver mit dem Thema vertraut, als er sich das gewünscht hätte. Eine eigene Infektion (trotz Impfung) sowie die andauernden Diskussionen um Joshua Kimmich, dessen Impfstatus und ständige Flexibilität bei der Zusammenstellung des Spieltagskaders aber haben Nagelsmann zu einem Experten werden lassen. Einen freilich, den das Thema „nervt“.
Kimmich hatte Kontakt zu einer Person mit Corona-Symptomen
Immerhin musste er sich auf der Pressekonferenz vor dem Spiel gegen den FC Augsburg am Freitag (20.30 Uhr, DAZN) nicht zur drohenden Impfpflicht für Profis äußern. Die nämlich präsentierten die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten erst nach ihrer Konferenz und somit auch weit nach der Medienrunde des FC Bayern am Donnerstag als ihren Willen. Die Länderchefs seien sich am Donnerstag „sehr schnell einig“ gewesen, „wenn Zuschauer im Stadion 2G beachten müssen, dass das nach unserer Auffassung auch für die Profis gelten soll“, sagte Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) nach den Bund-Länder-Beratungen. Allerdings sei noch unklar, ob sich dieser Beschluss auch für Profisportler bei ihrer Berufsausübung durchsetzen lasse, ließ Wüst erkennen. „Die Rechtslage war klar, ob wir das umgesetzt kriegen, das müssen wir jetzt prüfen“, so der NRW-Ministerpräsident. Von einer entsprechenden Regelung betroffen wären auch ungeimpfte Profis etwa im Handball, Basketball oder Eishockey. Zuvor hatten Länderchefs und Bundesregierung beschlossen, dass bei Sportveranstaltungen künftig nur noch geimpfte oder vom Coronavirus genesene Menschen nach der sogenannten 2G-Regel Zugang erhalten sollen.
Für den ungeimpften Joshua Kimmich könnte es also eng werden. Dabei hatte ihm sein Impfstatus zuletzt schon genug ungewollte Aufmerksamkeit gebracht. Erst die öffentliche Diskussion über seine bisherige Weigerung, sich impfen zu lassen, zuletzt eine siebentägige Quarantäne (wie auch die Kollegen Musiala, Gnabry und Choupo-Moting) nachdem er als Kontaktperson des infizierten Niklas Süle ausgemacht wurde und vor dem Spiel gegen den FCA rückte er schon wieder in den Mittelpunkt, weil er Kontakt zu einer Person mit Corona-Symptomen hatte und erst abwarten muss, ob sich der Verdacht einer Infektion erhärtet. Bis Donnerstagabend lag noch kein Testergebnis vor. Kimmich also trainierte nicht mit und begab sich zwei Tage nach Beendigung seiner Quarantäne abermals in Isolation. Ob er gegen den FCA mitwirken kann, ist also fraglich.
Der FC Bayern kann im Frühjahr nur schwer auf Kimmich verzichten
Einen Ausfall seines Mittelfeldmannes beim FC Augsburg könnte Nagelsmann in Anbetracht des exquisiten Kaders wohl verkraften, doch wenn im Frühjahr in der Champions League die K.o.-Runde ansteht, würde Nagelsmann ganz gerne sein Top-Personal auf das Feld schicken. Selbstverständlich wüssten seine ungeimpften Spieler auch ohne verhängte Impfpflicht, dass bei ihnen die Gefahr größer sei, wichtige Spiele zu verpassen: „Das liegt auf dem Präsentierteller.“ Nagelsmann aber macht trotzdem keinen Unterschied im Umgang mit den Spielern. „Ich spreche überwiegend über sportliche Themen“, umschreibt er die Kommunikation. Allerdings sei er auch dafür, dass „sich jeder impfen lässt“. Ungeimpfte Spieler aber seien „keine besseren oder schlechtere Menschen“. Und prinzipiell sei er ja auch als „Trainer angestellt und nicht als Pandemiebeauftragter“.