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Champions-League-Finale: So nah und doch so fern

Champions-League-Finale

So nah und doch so fern

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    Die Kraft zum Heulen fehlte. Wo Tränen als offensichtliches Zeichen der Enttäuschung entspringen, war nichts. Der ultimativen Enttäuschung folgte die einzig mögliche Reaktion: Gedanken auf null, Blick in die Unendlichkeit.
    Die Kraft zum Heulen fehlte. Wo Tränen als offensichtliches Zeichen der Enttäuschung entspringen, war nichts. Der ultimativen Enttäuschung folgte die einzig mögliche Reaktion: Gedanken auf null, Blick in die Unendlichkeit. Foto: afp

    Die Kraft zum Heulen fehlte. Wo Tränen als offensichtliches Zeichen der Enttäuschung entspringen, war nichts. Der ultimativen Enttäuschung folgte die einzig mögliche Reaktion: Gedanken auf null, Blick in die Unendlichkeit.

    Gewinnertaktik als Kapitulation vor der Übermacht des Gegners

    Die Münchner hatten ein großes Spiel abgeliefert. Eine dieser Partien, an deren Ende mit irrlichterndem Blick unfassbare Wendungen nacherzählt werden und nebenbei der Pokal gestreichelt wird. Es war diesmal aber eine Volte zu viel, die dieses unfassbare Duell schlug. Den Pokal reckten die Spieler des FC Chelsea ihren Fans entgegen. Lahm, Schweinsteiger und Co. hatten da in einer letzten automatisierten Aktion ihre Medaillen für den Verlierer schon wieder abgenommen.

    Es gab nur einen verdienten Sieger in diesem Finale der Champions League: den FC Bayern. In ferner Zukunft mag die sture Defensivtaktik von Chelseas Trainer Roberto di Matteo als meisterhafter Kniff überhöht werden. Doch sie war nichts anderes als die Kapitulation vor der Übermacht des Gegners.

    Eine Viertelstunde brauchten die Bayern am Anfang der Partie, um sich mit den Gegebenheiten des Endspiels anzufreunden. Eine einzig tosende Menge, das Spielfeld von allen Seiten beschallend. Ein Gegner, der kein Interesse daran hatte, aktiv am Spielgeschehen teilzunehmen.

    Die Engländer hatten kein Gift im Gepäck

    Es war ein Spiel, das den Bayern entgegenkam. Sie sind aus der Bundesliga mit Mannschaften vertraut, die einen Schutzwall um den eigenen Strafraum aufziehen. Spielen die Münchner konzentriert, durchbrechen sie meistens den Wall. Es sind Gegner wie Dortmund, die das Spiel der Bayern vergiften. Gegner, die im Mittelfeld aggressiv zu Werke gehen und den Verteidigern reihenweise Möglichkeiten offenbaren, Fehler zu machen. Chelsea hatte kein Gift im Gepäck.

    Die Münchner auf der anderen Seite hatten ihre Lehren aus dem verlorenen Endspiel 2010 gegen Inter Mailand gezogen. Spielten mit kühlem Kopf. Unterließen es, ihre Abwehr von Didier Drogba in allzu schwere Aufgaben verwickeln zu lassen. Und als sich sogar Diego Contento effektiv ins Angriffsspiel einschaltete, war klar, dass einzig der FC Bayern das Spiel gewinnt.

    Der späte Treffer von Thomas Müller war ein stimmiger Schlusspunkt für das Spektakel. Ein Oberbayer, der im „Finale dahoam“ den Sieg sichert. Kaum mehr Zeit für Chelsea, ein wenig Abwehrschlacht noch, Schlusspfiff, Druckabfall, Jubel. Doch es war nicht der Tag handelsüblicher Drehbücher. Es war der Tag des Didier Drogba. Der sich derart vehement in die einzige Ecke Chelseas stemmte, dass kein Verteidiger folgen konnte und den Ball drei Minuten vor Schluss an Manuel Neuer vorbei ins Netz köpfte.

    Dass sich den Münchnern in der Verlängerung eine weitere Chance zur Entscheidung aufdrängte, war kein Wink des Schicksals, sondern Konsequenz der Angriffsbemühungen. Drogba trat Franck Ribéry ebenso fahrlässig in die Waden wie Arjen Robben den anschließenden Elfmeter in die Hände von Petr Cech.

    Irrsinn erreicht Höhepunkt im Elfmeterschießen

    Doch der FC Bayern richtete sich weiter gegen Fortuna auf, die sich diesmal partout nicht für ihn entscheiden wollte. Auch deshalb laufen nüchterne Analysen ins Leere, ist die Fehlersuche sinnlos. Sie machten so vieles richtig, dass die Niederlage nur noch irrealer erscheint. Selbst als Ivica Olic in der zweiten Halbzeit der Verlängerung eine weitere Möglichkeit ausließ und anzunehmen war, dass die Bayern nun aber endlich akzeptieren, dass für diesen Tag ein anderer Gewinner vorgesehen war, lehnten sie sich auf. Ein letztes Mal.

    Als Neuer im Elfmeterschießen gegen Juan Mata parierte und wenig später selbst verwandelte, schien der Irrsinn seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Ein Weiterdrehen war unmöglich. Bis zu diesem Tag. Bis Olic ebenso an Cech scheiterte wie Schweinsteiger. Bis Drogba mit einer schier unmöglichen Gelassenheit traf. Zur Entscheidung. Einer Entscheidung, die nichts anderes als Hohn zu sein schien. Die Gesetze des Fußballs außer Kraft setzend.

    Als die Münchner 1999 gegen Manchester die „Mutter aller Niederlagen“ erlitten, waren sie am Willen der Engländer gescheitert. Das zu verarbeiten, fiel schwer.

    Zwei Jahre später heilten mit dem Triumph von Mailand alle Wunden. Doch die Pleite gegen Chelsea ist in einem bisher ungekannten Maß unverdient. Die „hässliche Stiefmutter aller Niederlagen“ könnte Wunden geschlagen haben, die längere Zeit nicht verheilen.

    Doch irgendwann sind auch sie nur noch Narben.

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