Man darf sich Harry Kane als einen Spieler vorstellen, der ganz dem Geschmack seines Trainers Thomas Tuchel entspricht. Der Engländer liefert seit seiner Ankunft exakt das, weswegen ihn die Bayern für 100 Millionen Euro aus Tottenham losgeeist haben: Tore, Tore, Tore. Sieben Stück sind es seit dem Dreierpack beim 7:0 gegen den VfL Bochum jetzt schon. Weil dazu auch drei Vorlagen und ein unübersehbarer Anteil von Kane am Bayern-Spiel hinzukommen, ist Kane weit mehr als nur der Torjäger und schon alleine deswegen Trainers Liebling.
Dass die beiden auch eine überschaubare Vorliebe fürs Oktoberfest eint, wurde in den vergangenen Tagen auch deutlich. Kane war nach der Tracht-Anprobe etwas skeptisch und sprach davon, dass die Haferlschuhe schon recht eng seien, aber er sich das Volksfest schon mal anschauen möchte. Tuchel wiederum macht aus seinem schwierigen Verhältnis zur Wiesn keinen Hehl. "Die Lederhose liegt bereit, die schnallen wir uns an - und dann Augen zu und durch", hatte der 50-Jährige im ZDF gesagt.
Der FC Bayern auf der Wiesn - das war vergangenes Jahr noch eine Farce
Am Sonntag lächelten dann sowohl Kane als auch Tuchel tapfer in die Kameras der Fotografen und TV-Teams, als die Bayern zu ihrem obligatorischen Besuch auf dem Volksfest antraten. Der war im vergangenen Jahr zur Farce geworden, weil der FCB tags zuvor mit 0:1 beim FC Augsburg verloren hatte. Zum Feiern war damals niemandem zumute gewesen, dennoch musste die damalige Führungsriege um Ex-Trainer Julian Nagelsmann, Ex-Sportdirektor Hasan Salihamidzic und Ex-Vorstandschef Oliver Kahn ran. Die Tuchelsche Vorgabe vor dem Wiesn-Start, wonach gegen Leverkusen, Manchester und Bochum drei Siege eingefahren werden sollten, um den Wiesn-Besuch "auch für jemanden erträglich zu machen, der kein Bier trinkt". Es kam bekanntlich anders, schon gegen die Bayer-Elf gab es "nur" ein Remis. Dennoch hinterließ vor allem das 7:0 gegen den VfL Bochum – das dritte im dritten Jahr nach dem erneuten VfL-Aufstieg – ein gutes Gefühl bei allen Beteiligten.
Für Kane, den Mann des Spiels, war es "das beste Spiel, seit ich hier bin". Und auch der Rest der Bayern stimmte ein. "Wir haben nie nachgelassen, das war ein deutlicher Schritt nach vorne", sagte Tuchel auf der Pressekonferenz nach Spielende. Sportdirektor Christoph Freund sprach von einem "rundum gelungenen Nachmittag". Präsident Herbert Hainer freute sich, dass der Sieg zu keiner Sekunde gefährdet war: "Wir haben vor dem Spiel schon darüber gesprochen, dass wir mal wieder zu null spielen sollten. Umso besser, dass es jetzt geklappt hat."
Bislang wackelten Tuchels Bayern noch in jedem Spiel - jetzt nicht mehr
Tatsächlich dürfte das Spiel gegen den VfL Bochum als das bisher wohl beste der Tuchel-Ära gelten. War bislang noch in jeder Partie ein Wackler drin, der teilweise auch zum Sturz geführt hatte, spielte der FC Bayern gegen Bochum nun endlich so, wie es sich Tuchel von seiner Mannschaft vorstellte: aus einem Guss, konzentriert von Anfang bis Ende. Dass es "nur" Bochum war, gegen das man den Kantersieg eingefahren hatte, wollte Thomas Müller nicht gelten lassen: "Bochum war in den Spielen in dieser Saison bislang sehr unangenehm." Da könne man "mal in Dortmund nachfragen", so der Nationalspieler. Dem BVB hatte die Mannschaft von Thomas Letsch ein 1:1 abgetrotzt.
Gegen den VfL hatten sie erstmals in dieser Saison mit zwei Spitzen gespielt: Neben Kane stürmte etwas überraschend Eric Maxim Choupo-Moting. Die Folge: Von Beginn an zeigten die Bayern Spielfreude und gewannen auch in der Höhe verdient durch die Tore von Kane, Choupo-Moting, Sané, de Ligt und einen erneuten Joker-Treffer von Mathys Tel. Speziell Tel hatten viele schon in der Startelf erwartet. Stattdessen bekam der 18-Jährige, der bei 141 Einsatzminuten schon vier Tore erzielte, im Schnitt also alle 35 Minuten trifft, erneut Lob von allen Seiten. Für Sportdirektor Freund ist der Lauf des Franzosen "ein Wahnsinn", aber das Ergebnis harter Arbeit: "Er ist ein richtig guter Junge, der sehr fokussiert ist."
Matthijs de Ligt fällt nur einige Tage aus
Der einzige Wermutstropfen an einem ansonsten perfekten Samstag war die Verletzung von Matthijs de Ligt. Der Niederländer musste nach seinem Tor wegen eines Schlages auf das Knie ausgewechselt werden. Die medizinische Abteilung des Rekordmeisters gab am Sonntag Entwarnung: Nur einige Tage müsse der 24-Jährige pausieren und wird deswegen das Pokalspiel bei Preußen Münster am Dienstag verpassen. Die von der Wiesn beschwingten Bayern dürften es verschmerzen.