Keine Geschichte über Thomas Müller kommt ohne dieses Zitat aus. Deswegen gleich zu Anfang das fast schon zum geflügelten Wort gewordene Diktum von Louis van Gaal. In seiner Zeit beim FC Bayern zog der niederländische Trainer den aus der zweiten Mannschaft gekommenen Müller in die Startelf. Doch nicht nur das: "Müller spielt immer", sagte van Gaal und hinterließ mit dieser Aussage staunende Münder. Denn schon zwischen 2009 und 2011, als der Tulpengeneral an der Seitenlinie des FC Bayern stand, war die Offensive der Bayern erstklassig besetzt, etwa mit Klose, Ribéry und Robben. Und die Stammplatzgarantie gab's für einen Teenie vom Ammersee?
Van Gaal und seine Nachfolger beim FC Bayern sollten sich an diese Losung aber halten. Bayern und Müller, das war eine Formel für Tore und Titel. Wehe dem, der sie ignorierte. Wer Müller auf die Bank setzte, hielt es meistens nicht lange im Verein aus. Niko Kovac etwa kann ein Lied davon singen. Kovac degradierte die FCB-Identifikationsfigur zu einem Notnagel, sprach davon, dass er zu Spielen käme, "wenn Not am Mann sein sollte". Spätestens in diesem Moment schien die Zeit des Kroaten in München abgelaufen zu sein. Mit dem rehabilitierten Anführer Müller wurde Nachfolger Hansi Flick wenig später Triple-Sieger.
Thomas Tuchel prägte die Formel des "Thomas-Müller-Spiels"
Und trotzdem: Aus der Formel "Müller spielt immer" ist längst "Müller spielt immer seltener" geworden. Schon unter Ex-Trainer Julian Nagelsmann fand sich der nach der Anzahl der Titeln erfolgreichste deutsche Fußballer aller Zeiten immer häufiger auf der Bank wieder. Der aktuelle Coach Thomas Tuchel rühmt die analytischen Fähigkeiten seines Musterprofis ("Es ist ein Genuss, mit Thomas zusammenzuarbeiten") , setzt seine Nummer 25 aber immer häufiger auf die Bank. Tuchel prägte den Begriff eines Thomas-Müller-Spiels und erklärte damit, warum er den Angreifer in beiden Partien gegen Manchester City zum Bankangestellten machte. Müllers Qualitäten im letzten Drittel seien gegen den englischen Meister nicht in dem Maße wie sonst gefragt gewesen.
Allerdings ist mittlerweile die Frage erlaubt, was überhaupt noch ein Thomas-Müller-Spiel ist. Sowohl bei den Siegen gegen Hertha BSC Berlin als auch bei Werder Bremen saß der Weltmeister von 2014 bei Anpfiff wieder auf der Bank. Müller auf der Bank, das ist ein Politikum. Und ein Nervthema. Als Tuchel nach Schlusspfiff in Bremen auf Müller angesprochen wurde, erklärte er dessen Reserverolle damit, dass er gegen Berlin Rückenprobleme hatte und er sich nun dazu entschlossen habe, mit der gleichen Offensive zu starten. "Ich habe Verständnis für eine Frage, ein bisschen weniger Verständnis habe ich für 100 Fragen am Spieltag zu Thomas", gab sich der Trainer angesäuert.
Laut der Sportbild beschäftigt sich Müller mit Wechselgedanken
Zur Wahrheit gehört es aber auch, dass auch an Müller die Jahre nicht spurlos vorübergehen. Bei den meisten Bundesligisten würden seine Qualitäten immer noch für einen Stammplatz reichen. Müller spielt aber nun mal bei den Bayern und damit im größten möglichen Haifischbecken.
Und jetzt? Sky-Experte Dietmar Hamann hatte schon vor Wochen prognostiziert: Bleibt Tuchel Bayern-Trainer, wird Müller kein Bayern-Spieler mehr sein. Laut einem Bericht der Sportbild sondiert Müller, dessen Arbeitspapier noch bis 2024 läuft, aktuell gerade den Markt und wird auf seinen Herzensklub am Ende der Saison zugehen, falls sich die Lage nicht entscheidend ändert.
Kahn hält einen Abschied Müllers für ausgeschlossen
Vorstandschef Oliver Kahn hält einen Abschied Müllers jedoch für ausgeschlossen: "Das wird nicht passieren." Selbst wenn Müller mit einem Wechselwunsch auf den Verein zukommen sollte, wäre ein Wechsel keine Option: "Wenn dieser Fall mal eintreten sollte, würde ich ihm das mit aller Deutlichkeit ausreden. Thomas ist fit, nie verletzt und unheimlich charakterstark. Er ist für das ganze Gebilde unheimlich wichtig."
Müller selbst reagierte auf das Gerücht belustigt. Auf Instagram veröffentlichte er ein Bild, auf dem er lachend neben King D'avie zu sehen ist, einem der gemeinsamen Pferde von ihm und seiner Frau Lisa. Dazu schrieb er: "Wenn du Zeitung lesen könntest, King D'avie ..." Den Satz beendete Müller mit dem Emoji eines Affen, der sich die Augen zuhält. Garniert ist das Ganze mit dem Hashtag #jetztwirdsdannlangsamwild.
Die Bayern ohne Müller – das ist wirklich wild. Und dennoch ein Szenario, das es irgendwann geben wird. Vieles wird sich kurz- bis mittelfristig darum drehen, den richtigen Abschied für die Vereinsikone zu schaffen, in dem weder ein Trainer oder Funktionär noch Müller selbst in ihrem Standing beschädigt werden. Sportreporter Marcel Reif fasste die Problematik unserer Redaktion gegenüber wie folgt zusammen: "Die entscheidende Frage ist, wie er selbst seine Rolle sieht." Für die Klubs gehe es immer wieder darum, wie man mit verdienten Spielern umgeht – nicht zuletzt deshalb, weil Müller immer noch wichtig für die Mannschaft ist. "Es handelt sich ja auch nicht um ein Gnadenbrot. Müller gibt der Mannschaft ja noch immer wieder wichtige Impulse – dass das aber nicht mehr regelmäßig und nicht mehr als unumstrittener Stammspieler passiert, ist auch klar. Wird Müller eine solche Verabredung akzeptieren?" Diese Frage scheint dringender denn je zu sein.