Bayern gegen Leipzig. Meister gegen Pokalsieger. Deutscher Supercup, das Beste was der deutsche Fußball zu bieten hat. Schön und gut, aber eigentlich ging es an diesem Abend erstmal nur um einen: Kane, Harry Kane. Nach wochenlangem Transfer-Poker geschah am Samstagmorgen wirklich das, was zuerst unrealistisch, dann besser, dann mal gut, mal weniger gut, dann wieder besser, dann fast schon perfekt und letztlich wirklich perfekt war: Harry Kane unterschrieb beim FC Bayern. Am Samstagmorgen meldeten die Bayern den Transfer als fix, am Vormittag stand Englands Kapitän erstmals mit seinen neuen Kollegen auf dem Trainingsplatz, am Abend stand er wahrlich und leibhaftig im Kader und saß erstmal auf der Bank der Bayern.
Vor Anpfiff schüttete sein neuer Trainer Thomas Tuchel eine Badewanne Lob über seine neue Nummer 9 aus. "Wir haben den Kapitän der englischen Nationalmannschaft aus der Premier League geholt", sagte Tuchel bei Sat.1. Kane sei "ein Musterprofi, total fokussiert und professionell", sagte Tuchel. "Er hat das gewisse Etwas, und das wird er hoffentlich unter Beweis stellen." Vorerst nahm er aber erstmal neben einem anderen teueren Neuzugang Platz: Auch Verteidiger Min-jae Kim, für 50 Millionen Euro aus Neapel gekommen, saß zu Beginn draußen. Und beide sahen, wie Leipzig den deutlich besseren Start erwischte: Nach einem Freistoß von Xavi Simons brachte die Defensive der Bayern den Ball nicht weg - und Dani Olmo schob zur Führung ein (3.), Benjamin Pavard hatte noch abgefälscht. Sven Ulreich hatte in seinem ersten Pflichtspiel nach 284 Tagen (damals ein 2:0 gegen Inter Mailand) keine Chance.
Die Bayern sammelten Chancen, vergaben aber - und Kane litt auf der Bank mit
Erinnerungen an das letzte Aufeinandertreffen im Mai wurden wach: Damals verloren die Bayern im heimischen Stadion mit 1:3 und wurden vom RB-Konterspiel stellenweise überrannt. Die Partie galt als Tiefpunkt im Meisterschaftsrennen - nicht zuletzt deshalb, weil schon lange vor Abpfiff die Zuschauer zu Tausenden aus der Münchner Arena strömten.
Bayern hatte auch diesmal erkennbare Probleme mit dem Forechecking der Sachsen, kam aber auch selbst zu Chancen. Serge Gnabry bekam von Joshua Kimmich einen Steckpass serviert, scheiterte aus spitzem Winkel an RB-Keeper Blaswich (10.). Fünf Minuten später eroberte Gnarby den Ball im Aufbauspiel, steckte zu Mathys Tel durch - doch der schoss in die Arme des Leipziger Schlussmanns. Nach 24 Minuten war es erneut die Kombination Gnabry auf Tel, die eine Chance für die Bayern ergab. Doch erneut vergab der Franzose, jagte den Ball aus sechs Metern über die Latte. Sehr wahrscheinlich wäre es mit Kane auf dem Platz zu diesem Zeitpunkt schon 1:1 gestanden. Dem Engländer blieb aber nur übrig, auf der Bank mitzufiebern. Beinahe hätte Mohamed Simakam per Eigentor den Ausgleich besorgt, die verunglückte Klärung ditschte aber an den Pfosten.
In die Drangphase der Bayern platzte erneut Olmo
Sollte Harry Kane auf der Bank eine Erklärung gewollt haben, warum die Bayern ihn unbedingt haben wollten - diese Partie lieferte bis dato den Beleg dafür. Nach Chanen stand es 5:2 für den FCB, das 1:1 war längst überfällig - doch es fiel nicht. Stattdessen schlugen die Leipziger erneut in Person von Dani Olmo zu: Der Spanier sorgte für das bisherige Highlight der Partie, als er einen Werner-Pass per Zidane-Drehung annahm und damit de Ligt und Laimer stehen ließ. Danach war Olmo erneut frei vor Ulreich - 0:2 (44.).
Tuchel wechselte zur Pause dreifach, brachte Kim für de Ligt, Coman für Laimer und Mazroui für Pavard. Am Spiel selbst änderte sich wenig: Bayern drückte, hatte Chancen, etwa erneut durch eine Gnabry-Hereingabe auf Tel (50.) - Bayern ließ die Chancen liegen. Und Kane? Blieb immer noch auf der Bank. Aus der Bayern-Kurve drangen zum ersten Mal nach 57 Minuten Sprechchöre, die die Einwechslung der neuen 9 forderten. Der machte sich vor der Südkurve warm und sah an, wie Musiala die nächste Gelegenheit vergab.
Harry Kane ließ die Arena beben - und erneut traf Olmo
Kurz darauf brandete zum ersten Mal Jubel bei den FCB-Fans auf - aber nicht wegen eines Tores, sondern weil Tuchel Kane nun zur Einwechslung rief. Nach 64 Minuten war es endlich so weit: Unter dem Blitzen tausendfach gezückter Handys betrat Harry Kane erstmals als Spieler des FC Bayern einen Fußballrasen. "A very special moment" sei das, befand der Stadionsprecher bei seiner Einwechslung für den glücklosen Tel. Statt eines Anschlusstores gab es aber den nächsten very sad moment für die Bayern: Nach einem Handspiel von Mazraoui entschied Schiedsrichter Bastian Dankert auf Elfmeter - und erneut war Dani Olmo zur Stelle und traf zum 3:0 (67.). Bayern versuchte in der Folge wenigstens, noch ein Tor zu machen, trug die Angriffe aber nicht mehr mit der Vehemenz der ersten Halbzeit dar. Mazraoui traf noch den Außenpfosten (82.). Am Ende stand ein in der Höhe etwas zu deftig ausgefallener, aber verdienter Sieg der Leipziger. Und die Erkenntnis: Alle Probleme der Bayern kann auch die 100 Millionen Euro teure Tormaschine aus London nicht beheben.