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FC Bayern München: Kahn ersetzt Rummenigge: Was wird das für ein FC Bayern?

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Kahn ersetzt Rummenigge: Was wird das für ein FC Bayern?

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    Karl-Heinz Rummenigge (links) geht, Oliver Kahn ersetzt ihn. Was wird das für ein FC Bayern sein unter seiner Führung?
    Karl-Heinz Rummenigge (links) geht, Oliver Kahn ersetzt ihn. Was wird das für ein FC Bayern sein unter seiner Führung? Foto: Andreas Gebert, dpa (Archivbild)

    Einen FC Bayern ohne Franz Beckenbauer? Ja, den gibt es schon länger. Seit 2009 ist der Kaiser nur noch Ehrenpräsident.

    Einen FC Bayern ohne Uli Hoeneß? Den gibt es zumindest in Ansätzen, seit 2019 Herbert Hainer das Präsidentenamt übernahm und Hoeneß nun ebenfalls Ehrenpräsident ist, im Aufsichtsrat aber noch mitmischt.

    Schließlich: einen FC Bayern ohne Karl-Heinz Rummenigge? Auch den wird es sehr bald geben. Und zwar früher als geplant. Nicht erst zum 31. Dezember ist Schluss als Vorstandsvorsitzender, sondern schon zum 30. Juni.

    Damit kommt der 65-Jährige in diesem 2021, dem Jahr des Umbruchs, anderen vermeintlich ewigen Konstanten zuvor. Angela Merkel verabschiedet sich im September nach 16 Jahren Kanzlerschaft. Bundestrainer Joachim Löw geht nach 15 Jahren als Bundestrainer und bleibt dann länger als Rummenigge, wenn er bei der Europameisterschaft mit seiner Mannschaft mindestens das Viertelfinale erreicht.

    Rummenigge war zehn Jahre als Spieler und fast 30 Jahre als Funktionär beim FC Bayern. Die Begründung, die er nun für seinen frühzeitigen Rückzug gegeben hat, lässt erahnen, wie der ehemalige Nationalstürmer mittlerweile denkt: „Jetzt ist grundsätzlich der richtige Zeitpunkt, es endet das Geschäftsjahr und es beginnt eine neue Spielzeit.“ Künftig wolle er sich vor allem seiner Familie widmen.

    Klar, kann man so machen – mit dem Geschäftsjahr und dann erst mit der Saison argumentieren. In der Zeit als Funktionär beim FC Bayern ist aus dem Stürmer mit den blonden Locken und den roten Wangen der CEO eines internationalen Konzerns geworden, der Vorstandsvorsitzende der FC Bayern München Aktiengesellschaft. Unter Rummenigge erlebte der Verein seine erfolgreichste Zeit, gewann zweimal das Triple aus Meisterschaft, Pokal und Champions League.

    Der FC Bayern verliert neben Karl-Heinz Rummenigge noch andere wichtige Figuren

    In der Wirtschaft würde man sagen: Rummenigge hinterlässt ein bestelltes Feld. Der deutsche Meister in den vergangenen neun Jahren hieß stets FC Bayern, und eigentlich spricht sehr wenig dagegen, dass sich in der kommenden Saison – und dem kommenden Geschäftsjahr – daran etwas ändern wird.

    Mit Julian Nagelsmann nimmt die am heißesten gehandelte Traineraktie ihre Arbeit beim FC Bayern auf. Er wird es ohne Karl-Heinz Rummenigge tun, dem ohnehin wohl in seiner letzten Saison der Makel angehaftet wäre, eine „lame duck“ zu sein. Lediglich seinen Posten im Exekutivkomitee des europäischen Fußball-Verbandes Uefa, den er erst im April angetreten hatte, wird Rummenigge behalten.

    Oliver Kahn wird dann diesen rundum erneuerten FC Bayern führen – nicht nur ohne Rummenigge, sondern auch ohne die Spieler David Alaba, Javi Martínez, Jerome Boateng, ohne die Co-Trainer Hermann Gerland und Miroslav Klose. Der ehemalige Nationaltorhüter befindet sich seit Januar 2020 im „Onboarding-Prozess“ (früher hieß das Einarbeitungszeit) und war zuletzt schon als Vorstandsmitglied in die Entscheidungen eingebunden.

    Mit Julian Nagelsmann wird die am heißesten gehandelte Traineraktie ihre Arbeit beim FC Bayern aufnehmen.
    Mit Julian Nagelsmann wird die am heißesten gehandelte Traineraktie ihre Arbeit beim FC Bayern aufnehmen. Foto: Jan Woitas, dpa

    Dass der FC Bayern in der Lage ist, einen Stabwechsel auf der Vorstandsebene geräuschlos zu vollziehen, wurde beim Wechsel im Präsidentenamt im Herbst 2019 deutlich: Uli Hoeneß dankte ab, der ehemalige Adidas-Manager Herbert Hainer übernahm und arbeitet seither überwiegend im Hintergrund.

    Oliver Kahn wird seine neue Rolle deutlich offensiver angehen

    Es ist davon auszugehen, dass Kahn seine Rolle deutlich offensiver und präsenter angehen wird als Hainer. Das hängt alleine schon mit der Vergangenheit Kahns zusammen, der als Spieler wie kaum ein anderer für den Erfolgswillen des FC Bayern stand.

    Er flog mit gestrecktem Fuß durch den Strafraum, schüttelte seinen Mitspieler Andreas Herzog nach einem Ballverlust durch, verbiss sich in seinen Dortmunder Gegenspieler Heiko Herrlich. Kahn war für viele der fleischgewordene FC Bayern: respektiert, sportlich überragend, aber nicht unbedingt geliebt.

    Das ist ein wesentlicher Unterschied zur Vita von Rummenigge. Auch dieser stand für den FCB, bildete mit Paul Breitner in den 80ern das Duo „Breitenigge“. Die Sympathiewerte für Rummenigge waren aber etwas höher als später für Kahn. Das englische Gesangsduo Alan und Denise dichtete ein Lied zu dessen Ehren, besang seine „sexy knees“, pries ihn als „what a man“ an, wünschte sich „Rummenigge all night long“.

    Der Fairness halber muss hier erwähnt werden, dass es auch über Oliver Kahn ein Lied gibt. Geschrieben hat es die Popgruppe „Die Prinzen“. Darin heißt es: „Er trinkt Schampus aus Pokalen / Und lässt sich dafür gut bezahlen / Doch er lässt keinen an sich ran / Und dieser Mann heißt Olli Kahn / Dieser Kahn ist nicht zu stoppen / Er hat an den Füßen Noppen.“ Untermalt wird das Ganze von Zitaten Kahns, etwa: „Das ganze Stadion wird gegen uns sein. Was schöneres gibt es nicht.“

    Oliver Kahn war als Spieler ein Held - manchmal auch ein tragischer

    Wenn Rummenigge ein blond gelockter Toreheld war, war Kahn der schlecht gelaunte Wüterich, der andere daran hinderte, die Tore zu schießen – und explodierte, wenn ihm dies mal misslang.

    In dieser Disziplin wurde Kahn einer der besten, die die Welt je erlebt hat. Der „Titan“, wie er vom Boulevard getauft wurde. Hielt im Champions-League-Finale 2001 drei Elfmeter und holte den Bayern damit den Pott, prägte nach der dramatischen Meisterschaft im selben Jahr das zum geflügelten Wort gewordene „Weiter, immer weiter“ und war in einer dunklen Phase der DFB-Auswahl einer der wenigen, die sich das Prädikat Weltklasse verdient hatten.

    Es gehört zur Ironie der Geschichte, dass eine bestenfalls mittelmäßig begabte Mannschaft bei der Weltmeisterschaft 2002 hauptsächlich wegen der Paraden Kahns ins Finale einzog und der Schlussmann ausgerechnet im Finale gegen Brasilien seinen einzigen Fehler des Turniers machte. Einen Schuss von Rivaldo ließ er, der scheinbar Unfehlbare, nur abprallen und machte den Ball damit zum Geschenk für Ronaldo, der zur Führung der Brasilianer abstaubte.

    Immer unter Strom: Bayern-Torwart Oliver Kahn 2006 im Zwiegespräch mit Schiedsrichter Herbert Fandel.
    Immer unter Strom: Bayern-Torwart Oliver Kahn 2006 im Zwiegespräch mit Schiedsrichter Herbert Fandel. Foto: Ingo Wagner, dpa

    Spätestens mit diesem Turnier schien Kahn überlebensgroß – und wurde es vier Jahre später bei der WM 2006 auch. Wer im Mai und Juni diesen Jahres zum Münchner Flughafen musste, fuhr unter einem überdimensionalen Pappaufsteller Kahns hindurch, der über der A92 gerade einen Ball fing.

    Auch hier schlug bekanntlich die Ironie an der Geschichte wieder zu: Kahn verbrachte die WM im eigenen Land fast nur auf der Bank. Erst im Spiel um Platz drei ließ der damalige Cheftrainer Jürgen Klinsmann Kahn ran, es war sein letztes Länderspiel.

    Manche Bayern-Fans sehen Kahns geschäftliche Aktivitäten kritisch

    Kahn sammelte erst auf der Zielgeraden seiner Karriere Sympathiepunkte von Nicht-Bayern-Fans – etwa, als er seinem Langzeitrivalen Jens Lehmann vor dem Elfmeterschießen gegen Argentinien Glück wünschte. Als ZDF-Experte vollzog Kahn sogar fast einen Imagewandel: Auf einmal war der knorrige Titan zu Selbstironie fähig – und wurde im Presseraum der Allianz Arena als Kollege begrüßt. Man kennt sich ja.

    Wenn man sich in diesen Tagen bei Fans des FC Bayern umhört, ist die Stimmung bezüglich Kahn dennoch nur verhalten optimistisch. Viele sehen in dem Ex-Keeper zwar immer noch den Helden, der die gegnerischen Stürmer zur Verzweiflung brachte. Andere dagegen haben so ihr Problem mit seinem Auftritt als Werbeträger für den Wettanbieter Tipico.

    Vor allem in der aktiven Fanszene, die die Verflechtungen des FC Bayern mit dem Wüsten-Emirat Katar kritisch beäugt, missfällt noch eine andere geschäftliche Beziehung des 51-Jährigen. Mit seinem Unternehmen „Goalplay“ fungiert Kahn als Torwart-Ausbilder in Saudi-Arabien. In dem Land will Kahn eine „Oliver Kahn Torwart Academy“ aufbauen, sagte er vor drei Jahren. Seitdem ist es ruhig um das Projekt geworden.

    Was ist nun von einem FC Bayern unter der Führung von Oliver Kahn zu erwarten? Höchstwahrscheinlich weniger verbale Fettnäpfchen wie unter dem Duo Rummenigge/Hoeneß. Pressekonferenzen, in denen Kahn die Würde des Menschen durch journalistische Arbeit verletzt sieht, sind wohl eher nicht zu erwarten. Kahn hat an der privaten Universität Schloss Seeburg in Österreich den Master of Business Administration erworben, Schwerpunkt: „General Management“.

    Beim FC Bayern könnte alles noch eine Spur kühler werden

    Die generelle Richtung dürfte sich nicht ändern. Bei einem Auftritt im Aktuellen Sportstudio vor einem Jahr fragte ihn seine ehemaligeZDF-Kollegin Katrin Müller-Hohenstein, ob der FC Bayern angesichts von damals acht Meistertiteln in Folge nicht bereit sei, den kleinen Vereinen mehr abzugeben. Das Ergebnis war ein hitziger Disput zwischen den beiden. Die Antwort von Kahn lautete im Wesentlichen: Nein. Es ist anzunehmen, dass alles noch eine Spur professioneller, kühler werden könnte. Zugleich müssen Kahn, Heiner und Sportdirektor Hasan Salihamidzic den Spagat schaffen, die viel beschworene Bayern-Familie fortzuführen.

    Wie lange wird Manuel Neuer noch für den FC Bayern spielen?
    Wie lange wird Manuel Neuer noch für den FC Bayern spielen? Foto: Sven Hoppe, dpa

    Aufgaben wird es in der kommenden Zeit genug geben. Die Leistungsträger Manuel Neuer und Robert Lewandowski sind 35 beziehungsweise 32 Jahre alt und werden nicht mehr ewig auf diesem Top-Niveau spielen. Bei Leistungsträgern wie Leon Goretzka, Joshua Kimmich oder Kingsley Coman laufen die Verträge in einem oder zwei Jahren aus. Zudem scheint es angesichts des überbordenden Erfolgs der aktuellen Bayern-Mannschaft kaum noch eine Steigerung zu geben.

    Karl-Heinz Rummenigge wird sich das Ganze schon ab Juli in Ruhe ansehen, zunächst von seinem Ferienhaus auf Sylt. Dort wolle er mit seiner Frau erst einmal ausspannen, sagt er. Es wird wohl der erste Sommer sein, in dem sich Rummenigge nicht mehr mit einem Video des verlorenen „Finale dahoam“ quält, dem im Elfmeterschießen verlorenen Endspiel der Champions League gegen den FC Chelsea aus dem Jahr 2012. An dem Finale, so erzählte Rummenigge einmal, falle ihm jedes Jahr etwas Neues auf, ein neuer Fehler. Das helfe ihm dabei, hungrig zu bleiben.

    Für diesen Hunger gibt es nun keinen Grund mehr. Erstmals seit 30 Jahren.

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