Nein, zum Thema Uli Hoeneß will Thomas Tuchel an diesem Montag eigentlich nichts mehr sagen. „Das Thema ist abgehakt.“ Das sieht Hoeneß selbst nicht so – und hatte seine Kritik an dem Noch-Coach der Bayern nochmals erneuert. Nachdem er dem 50-Jährigen in einem Interview mangelnde Bereitschaft beim Entwickeln von Jugendspielern vorgeworfen hatte („Wenn’s nicht weitergeht, dann kaufen wir“) und Tuchel das wiederum „als Angriff auf die Trainerehre“ gewertet hatte, darf man das Binnenklima bei den Bayern als zumindest schwierig einschätzen.
Wer nun aber dachte, dass es Hoeneß vor dem wichtigen Halbfinal-Hinspiel gegen Real Madrid (Dienstag, 21 Uhr, Prime Video) etwas ruhiger angehen würde, sah sich getäuscht. Dem Kicker vertraute der 72-jährige Bayern-Patron an, dass er nicht nur bei seiner Kritik bleibe, sondern es künftig wieder mehr von ihm zu hören gebe. Hoeneß kündigte an, „wild entschlossen zu sein, meine Meinung wieder deutlicher zu machen“. Es sind Worte, die auch Ralf Rangnick mit großem Interesse vernommen haben dürfte.
Uli Hoeneß? Bayern-Trainer Thomas Tuchel grinst nur
Als Tuchel in der Pressekonferenz vor dem Halbfinale wenig später nochmals auf Hoeneß angesprochen, reagierte er mit einem süffisanten Lächeln, deutete mit beiden Zeigefingern auf seinen Kopf und sagte nur ein Wort: „Real“. Tatsächlich gibt es für die Bayern gute Gründe, die volle Konzentration auf das Spiel gegen den spanischen Top-Klub zu richten. Erneut werden die Verletzungssorgen mitbestimmen, wer in der Startelf steht. Während Tuchel bei dem gegen Frankfurt nach einer knappen halben Stunde ausgewechselten Konrad Laimer (Kapselverletzung am Sprunggelenk) optimistisch ist, sieht es bei den Innenverteidigern Matthijs de Ligt (Knie) und Dayot Upamecano (Sprunggelenk) schlechter aus. Auch bei den zuletzt aussetzenden Jamal Musiala (Kniereizung) und Leroy Sané (Schambeinprobleme) werde es eine Last-Minute-Entscheidung darüber geben, ob das Offensivduo spielen kann.
Auch wenn sich die Startelf dann wie so oft in dieser Saison nahezu von selbst ergibt – über die Motivationslage vor den Halbfinalpartien besteht kein Zweifel. Tuchel, der mit Chelsea und Paris schon im Endspiel stand, sagte: „Diese beiden Spiele fühlen sich wie ein Finale an, so war das bisher immer.“ Ohnehin: Bayern gegen Real – das ist das Duell der Champions League. 26-mal gab es diese Begegnung bereits, keine andere Paarung gab es in dem Wettbewerb häufiger. Zuletzt gab es jedoch ein recht klares Bild: In den letzten drei Aufeinandertreffen in den Spielzeiten 2013/14, 16/17 und 17/18 setzte sich jeweils der spanische Rekordmeister durch. Ein Verlangen nach Revanche gebe es nicht in diesem Sinne, sagte Joshua Kimmich. „Es sind ja kaum noch Spieler dabei, die damals mitgespielt haben.“ Was überwiege, sei der Wille, den Henkelpott nochmals zu gewinnen – nach dem Coronaerfolg 2020 gerne auch noch mal mit einem voll besetzten Stadion: „Ich möchte das noch mal erleben, mit Fans ist das emotionaler.“ Vor dem Finaleinzug steht diese Begegnung mit den Königlichen: „Es ist ein geiles Gefühl, im Halbfinale gegen Real zu spielen.“
Real-Verteidiger Antonio Rüdiger freut sich auf Bayern-Stürmer Harry Kane
Sieht man offenbar auch bei Real Madrid so, wo einige alte Bekannte auf die Bayern warten: Neben den Ex-Münchnern David Alaba (derzeit verletzt) und Toni Kroos wird auch Nationalverteidiger Antonio Rüdiger auf einige Mitspieler bei der DFB-Auswahl treffen. Nachdem er im Viertelfinale Manchesters Erling Haaland nahezu komplett abgemeldet hatte, bekommt er es nun mit Harry Kane zu tun. Rüdiger sagte dem TV-Sender Sky vor dem Spiel gegen die Bayern: „Ich lebe für diese Duelle.“ Explizit ist damit nicht nur der FC Bayern als Verein, sondern Kane gemeint: „Er ist auch ein Weltklasse-Stürmer, ein Kaliber wie Haaland. Ich freue mich darauf.“
Real gegen Bayern – das ist aber nicht nur Rüdiger gegen Kane, Kimmich gegen Vinicius Jr. oder Musiala gegen Bellingham. Sondern eben eines der größten Spiele, die der Weltfußball hergibt. „Du spielst gegen den Mythos“, sagte Tuchel. „Es ist ein absolut würdiges Halbfinale.“ Deswegen werde die Vorbereitung auf die Partie auch streng inhaltlich erfolgen, Schwerpunkt liege auf der taktischen Analyse. In einem Punkt gibt sich Tuchel aber recht unwissenschaftlich: Real wird das Spiel von Serge Gnabry werden. Auf den Flügelstürmer, der in den vergangenen Wochen wegen Muskelproblemen aussetzen musste, baut Tuchel. Denn: „Er wird spielen und treffen.“ Das sagte der Trainer schon vor dem Ligaspiel gegen Frankfurt und bekräftigte das nun. Warum? „Es wird passieren. Ich weiß nicht, woher ich es weiß.“ Trifft Gnabry am Dienstagabend tatsächlich, dürfte nicht nur Uli Hoeneß beeindruckt sein.