Das Heimspiel gegen Hertha BSC Berlin sollte für den FC Bayern die glanzvolle Rückkehr an die Tabellenspitze werden. Nach dem 2:0-Heimsieg gegen den Letzten und des BVB-Patzers in Bochum sind die Münchner zwar wieder Erster. Die Art und Weise des Erfolgs gibt aber wenig Grund zum Glauben, dass der FCB wirklich wieder zurück in der Spur ist. Über weite Teile des Spiels waren die Offensivbemühungen des Meisters gegen ultra-defensive Hauptstädter von Lethargie und Ideenlosigkeit geprägt.
Personell gab es vier Änderungen in der Startelf des FC Bayern im Vergleich zur 1:3-Niederlage beim FSV Mainz: Dayot Upamecano und Alphonso Davies fielen verletzt aus, Thomas Müller und Josip Stanisic rotierten auf die Bank. Für sie spielten Benjamin Pavard, Kingsley Coman, Serge Gnabry und der zuletzt seine Unzufriedenheit über mangelnden Spielzeit beklagende Noussair Mazraoui. Sadio Mané bildete die vorderste Spitze, Jamal Musiala lief zentral offensiv auf. Bayern-Coach Thomas Tuchel hatte vor dem Spiel für eine demütigere Sichtweise auf die Saison plädiert: In der jetzigen Situation müsse man akzeptieren, dass "nichts einfach" ist und sich nicht dafür schämen, dass es auch mal knapp zugehen könne.
Die Bayern hatten sich für dieses Spiel sichtlich viel vorgenommen
Den Gastgebern war anzumerken, wie viel sie sich für diese Partie vorgenommen hatten: Schon nach 55 Sekunden gab Joao Cancelo den ersten Torschuss ab. Das Ziel schien klar: Mit einem klaren Sieg sollte nicht nur die Tabellenführung, sondern auch das zuletzt sichtlich erschütterte Selbstvertrauen zurück geholt werden. Das klappte nur sehr bedingt.
Sportvorstand Hasan Salihamidzic hatte sich vor Spielbeginn bei DAZN kämpferisch gegeben: "Ich bin weiterhin der Meinung, dass wir einen Topkader haben." Im Hinblick auf den öffentlichkeitswirksamen Besuch von Uli Hoeneß beim Training an der Säbener Straße betonte er, dass man sich in der jetzigen Situation Ratschlägen von außen nicht versperre - erst recht nicht, wenn sie vom Vereinspatron selbst kommen. Hoeneß war auch an diesem Sonntag da und sah sich das Spiel von der Tribüne aus an - an der Seite der zweiten Führungslegende, dem ehemaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Karl-Heinz Rummenigge.
Die Bayern waren feldüberlegen, wirkten aber ideenlos
Wie tief aber bei den Münchnern die Erlebnisse der jüngsten Wochen immer noch in den Knochen sitzen, war zu spüren. Matthijs de Ligt ließ sich von Florian Niederlechner an der Außenlinie düpieren, Cancelo ließ Lukebakio auf der linken Seite gewähren, so dass der zurückgeeilte Musiala klären musste, Mané berechnete eine Flanke von Kimmich falsch. Das Ziel der tief stehenden Hertha schien klar, über den schnellen Dodi Lukebakio sollten die Konter bei Ballgewinn gefahren werden. Der erste große Aufreger dann nach 26 Minuten: Nach einem Gegenstoß der Bayern gab Gnabry den Ball von linksaußen in den Hertha-Strafraum. Dort lauerte Coman und kam im Zweikampf mit Maximilian Mittelstädt zu Fall. Schiedsrichter Patrick Ittrich entschied aber umgehend, dass der kleine Schubser des Herthaners nicht strafstoßwürdig sei. Der Großteil der 75.000 Zuschauer in München sah es naturgemäß anders.
Zwischenzeitlich hatten die Bayern 78 Prozent Ballbesitz - eine Fabelzahl, die sich aber nicht in Tore niederschlug. Denn die Angriffe wurden ohne großes Tempo vorgetragen, vieles erinnerte mal wieder an ein Handballspiel, bei dem stets der Halbkreis ums Tor bespielt wird - nur die Torschüsse blieben meist aus. Den bis dato besten Versuch gab Coman ab (35.), aber Hertha-Torwart Oliver Christensen hielt per Fußabwehr. Benjamin Pavard zog aus rund 20 Metern mal ab, der Ball flog aber knapp über die Latte hinweg ins Aus (39.). Wenig später hatte Gnabry die hundertprozentige Chance, als er auf Höhe des Elfmeterpunktes abzog, aber Christensen rettet per spektakulärer Parade (40.). Goretzka nach Freistoß und Gnabry aus sieben Metern versuchten es ebenfalls noch in der Schlussminute des ersten Durchgangs. Mané hätte ebenfalls die Führung auf dem Kopf gehabt, segelte aber völlig frei vor dem Hertha-Kasten mal wieder unter einer Flanke durch weil er ausgerutscht war (45.+2). Der Senegalese wirkte erneut wie ein Fremdkörper im Spiel der Bayern.
Tuchel wechselte zur Halbzeit aus, brachte Leroy Sané für Leon Goretzka. Die Ausrichtung der Bayern wurde nochmals offensiver. Chancen gab es durch die Kopfbälle von Mané (46.) und de Ligt (49.), die beiden Versuche gingen aber jeweils über die Latte. Das Problem: Den Bayern fiel weiterhin nichts ein, behäbig wurde der Ball nach vorne getragen, wo die Hertha-Abwehr schon wartete. Für den ausgepumpten Musiala und den erschreckend schwachen Mané kamen Ryan Gravenberch und Thomas Müller (61.).
Serge Gnabry traf erstmals seit dem 11. Februar für die Bayern
Als kaum einer mehr daran glaubte, dass an diesem Tag noch ein Tor fallen würde, gab es doch noch was zu Jubeln: Einer der vielen Chipbälle von Joshua Kimmich fand den Kopf von Serge Gnabry - der Nationalspieler schob zur Führung ein (69.). Selten war bei einem Tor in der Allianz Arena derart viel kollkektive Erleichterung zu spüren gewesen. Es war Gnabrys erstes Tor seit dem 11. Februar gewesen, damals traf er beim 3:0 gegen den VfL Bochum. Zehn Minuten später war es erneut eine Vorlage von Kimmich, die zum 2:0 führte: Ein langer Ball von Bayerns Nummer 6 überflog die komplette Hertha-Abwehr und erreichte Coman. Der emsige Flügelspieler, erneut Bayerns bester im Angriff, behielt die Ruhe und schob cool zum 2:0 ein (79.). Sané hatte in der Schlussminute noch die Riesenchance zum dritten Tor, Christensen hielt aber erneut.