Den Vorwurf, dass er zu lange um den heißen Brei redet oder sich in Nebensätzen verheddert, kann man Michael Olise nun wirklich nicht machen. Am Donnerstag wurde der neue Bayern-Spieler der bajuwarischen Öffentlichkeit vorgestellt. Gleich die erste Antwort war ein Beleg für die radikale Verbalentschnörkelung des Flügelspielers. Auf die Frage hin, ob er lieber Vorlagen gebe oder selbst treffe, antwortete der in England geborene und aufgewachsene Franzose: „Well, both.“ Zu Deutsch also: „Naja, beides.“ Der Unterschied zwischen Bundesliga und Premier League? „Ich weiß noch nicht, mal sehen.“ Am Ende legte Olise die wohl schnellste Pressekonferenz hin, für die jemals ein Bayern-Neuzugang verantwortlich zeichnete: Sechs Minuten und 32 Sekunden dauerte es von der Begrüßung bis zu Verabschiedung.
Dazwischen lagen auch zwei Fotos – eines mit einem Kuchen als Glückwunsch für die olympische Silbermedaille, eines mit dem Bayern-Trikot – und deutlich mehr Worte von Sportvorstand Max Eberl über den 51 Millionen Euro teuren Neuzugang, der am besten schon im DFB-Pokal gegen Ulm am Freitagabend (20.45 Uhr, Sky) seine Qualitäten zeigen soll. Olise sei ein „Spieler, der uns sehr viel Freude machen wird“, so Eberl.
Bayerns Neuzugang Michael Olise beeindruckt mit Kürze und Können
Tatsächlich ist es auch ein besonderer Profi, der seinen Dienst an der Säbener Straße aufgenommen hat. Besonders, weil er sich, obwohl er auch für seine geographische Heimat England hätte spielen dürfen, für Frankreich, das Heimatland seiner Mutter, entschied. Und das, obwohl er nur ein paar Brocken Französisch spricht. Zudem galt Olise schon in England als Mann der dürren Worte. Fast schon legendär ist ein Interview mit ihm aus dem November 2022. Olise, damals 20 Jahre alt, hatte mit seinem damaligen Klub Crystal Palace bei West Ham United in der vierten Minute der Nachspielzeit das Siegtor geschossen.
Auf die Frage des Reporters hin, er möge den Treffer nochmals beschreiben, sagte Olise: „Zaha hat den Ball zu mir gepasst. Geschossen. Getroffen.“ Ob der Sieg verdient sei? „Ja.“ Noch ein paar verzweifelte Nachfragen des Reporters, dann war Schluss. Nach 22 Sekunden. Olise, der auf dem Platz mit seinem Antritt und seiner Technik brilliert, wirkt nach eigenen Erfolgen teils seltsam teilnahmslos. Stellenweise bejubelt der Angreifer nicht mal seine eigenen Tore, trottet nach Treffern einfach nur zum Mittelkreis zurück.
Thierry Henry schwärmt von Olise: „Sie haben noch nichts gesehen“
Stattdessen reden andere über ihn – etwa Frankreichs Trainer bei den Olympischen Spielen, ein gewisser Thierry Henry. Zwei Tore und vier Vorlagen steuerte der Flügelstürmer für die Equipe Tricolore bei dem Olympia-Turnier bei und verzückte die französische Fußball-Legende, die sagte: „Ich bin nicht allzu überrascht von dem, was er leistet. Er hat enorme Qualitäten. Sie haben noch nichts gesehen. Das ist erst der Anfang.“ Max Eberl nannte ihn bei der Verpflichtung einen Spieler, „wegen dem die Leute ins Stadion kommen“. Auch die Scorerquote des 22-Jährigen ist enorm: In der vergangenen Premier-League-Saison musste der Angreifer wegen muskulären Problemen zwar oft pausieren – seine zehn Tore und sechs Vorlagen bedeuten aber, dass er nur 80 Minuten für eine Torbeteiligung braucht. Es ist der Bestwert der vergangenen Saison, den er sich mit Manchester Citys Erling Haaland und Chelseas Cole Palmer teilt. Mit dem Unterschied, dass die beiden Angreifer für Spitzenklubs spielten und Olise für Crystal Palace auflief.
Max Eberl verzichtet auf Spitzen gegen Leverkusens Carro
Künftig spielt auch der gebürtige Londoner für einen Spitzenklub. Am Ende der Saison soll für seinen neuen Arbeitgeber nach einem schmerzlich titellosen Jahr wieder mindestens eine Trophäe bereitstehen. Sehr wahrscheinlich nicht mithelfen dabei wird bekanntlich Leverkusens Jonathan Tah, obwohl die Bayern und der Spieler das gerne gesehen hätten. Dass die Verhandlungen offenbar entgegen einer mündlichen Absprache gescheitert sind, veranlasste Leverkusens CEO Fernando Carro dazu, eine verbale Breitseite gegen Bayerns Sportvorstand abzufeuern. „Ich halte nichts von Max Eberl, absolut nichts“, sagte der Spanier bei einem Sponsorentreffen. Später entschuldigte sich Carro dafür. Bayerns Vorstandschef Jan-Christian Dreesen sprach davon, dass man in München „sehr irritiert“ von Carros Aussagen sei. Eberl selbst beließ es nun auf Nachfrage dabei. Er fände es „schade, dass wir nun vor dem Start so ein Thema haben“ und fügte an: „Das Zitat spricht für sich. Reden ist Silber, Schweigen ist Gold.“ Geklärt werden solle die Angelegenheit Ende September auf sportliche Weise, wenn das Duell mit Leverkusen anstehe. Sehr wahrscheinlich werde sich personell bis dahin nichts mehr tun: „Wenn nichts Außergewöhnliches mehr passiert, haben wir den Kader stehen für diese Saison.“
Um kommentieren zu können, müssen Sie angemeldet sein.
Registrieren sie sichSie haben ein Konto? Hier anmelden