Uli Hoeneß hat sichtlich Gefallen an seiner kurzzeitigen Rückkehr in die erste Reihe des FC Bayern gefunden. Weil nach dem Ausscheiden von Hasan Salihamidžić kein Sportdirektor im Amt ist, übernimmt Hoeneß zusammen mit einer Taskforce die Transfergeschäfte – und wirbelt wie zu besten Zeiten. Der Poker um Harry Kane ist noch mal ein unverhoffter Leckerbissen mit allen Zutaten. In der Führungsetage des Vereins um den neuen Vorstandschef Jan-Christian Dreesen sollen die forschen Aussagen des ewigen bayerischen Alphatiers vom Wochenende hingegen nicht sonderlich gut angekommen sein. Ob Zufall oder nicht: Am Dienstag gab der FC Bayern bekannt, dass ab dem 1. September ein neuer Sportdirektor seinen Dienst antreten wird: Der 46-jährige Österreicher Christoph Freund kommt von Red Bull Salzburg und wird die Kaderplanung übernehmen.
Dann wird also auch Hoeneß wieder ins zweite Glied rücken. Zeitweise war spekuliert worden, dass der FC Bayern sich bis Ende des Jahres Zeit lassen würde. Nun gibt es schon wesentlich früher Gewissheit. Gerüchte über die Personalie waren im Laufe des Vormittags bei Bild und Sky aufgetaucht; am Nachmittag bestätigte der FC Bayern selbst den Neuzugang.
Neuer FCB-Sportdirektor: Freund gilt als Mann mit guten Augen für Talente
Vorstandsvorsitzender Dreesen zeigt sich in der Stellungnahme „überzeugt, dass Freund der Richtige ist, um gemeinsam mit dem Trainerteam um Thomas Tuchel und dem Technischen Direktor Marco Neppe die Mannschaft künftig weiter zu stärken. Mit dem FC Red Bull Salzburg, bei dem Christoph Freund einen hervorragenden Job gemacht hat, ist einvernehmlich verabredet, dass er bei seinem langjährigen Arbeitgeber die aktuelle Transferperiode noch vollumfänglich gestalten und erst Anfang September zu uns stoßen wird.“ Freund selbst sagt zu seiner neuen Aufgabe: „Ich freue mich riesig darauf, ab dem 1. September mit voller Energie und Leidenschaft alles dafür zu geben, dass dieser Verein auch in Zukunft sportlich so erfolgreich bleibt, weiter in der internationalen Spitze mitspielt und seine Fans mit attraktivem Fußball begeistert. Mir ist es wichtig, dass ein Verein eine Identität hat, und dafür steht der FC Bayern ohne Frage.“
Der große Kicker war Freund, der im defensiven Mittelfeld spielte, zwar nicht: Als Spieler wurde er in der Jugend des SV Austria Salzburg, dem Vorgängerklub von Red Bull Salzburg, ausgebildet. Er brachte es jedoch nie in die erste Bundesliga Österreichs. Umso erfolgreicher arbeitet er hingegen als Mann hinter den Kulissen: Seit 2006 ist er bei Red Bull Salzburg. Zuerst arbeitete er als Teammanager, seit 2012 als Sportkoordinator. 2015 schließlich wurde er zum Sportdirektor des österreichischen Serienmeisters befördert. Seine Bilanz als Funktionär in Österreich kann sich sehen lassen: In seiner Zeit als Sportdirektor gewann Salzburg sieben Meisterschaften und sechs Pokalsiege.
Christoph Freund holte Upamecano, Haaland und Adeyemi zu Red Bull Salzburg
Zudem schaffte es Freund auch, den FC Bayern in der Champions League zu ärgern: In der Saison 2020/21 trafen Salzburg und die Münchner aufeinander. Salzburg bot den Münchnern eine heftige Gegenwehr (unter anderem mit zwei Toren des heutigen Augsburgers Mërgim Berisha), schied aber letztlich doch noch aus.
Freund gilt durch seine Arbeit in Salzburg als bestens vernetzt im europäischen Fußball und als Mann mit einem guten Auge für Talente: Unter seiner Regie holte Salzburg reihenweise Spieler, die als Talente kamen und mittlerweile bei europäischen Topklubs unter Vertrag stehen. Beispiele: In seiner ersten Saison wurde der heutige Bayern-Verteidiger Dayot Upamecano aus der B-Jugend von Valenciennes verpflichtet, im Sommer 2018 kamen Karim Adeyemi (heute BVB) aus Unterhaching und ein gewisser Erling Haaland (heute Manchester City) aus Molde in die Mozartstadt – um nur die bekanntesten zu nennen.
Eine ähnliche Expertise erhofft sich nun offenbar auch der FC Bayern. Offenbar konnte der deutsche Rekordmeister auch mit der räumlichen Nähe zu Salzburg punkten. Freund wurde immer mal wieder bei größeren Vereinen in Europa gehandelt, blieb aber auch wegen seiner Heimatverbundenheit in Salzburg. Nun arbeitet Freund wohl bald nur eineinhalb Autostunden von Salzburg entfernt in München.
Die Verpflichtung des Österreichers gilt als Überraschung, zuletzt galt Max Eberl von RB Leipzig oder Markus Krösche von Eintracht Frankfurt als Kandidat für den Posten. Die Verpflichtung des Österreichers ist unkonventioneller als die erwartbaren Lösungen – und kann ein Zeichen für den eigenen Nachwuchs sein. Dass es seit längerer Zeit kein Spieler mehr des FC Bayern Campus in die erste Mannschaft der Münchner geschafft hat, gilt als großes Ärgernis. Freund wiederum hat in Salzburg dazu beigetragen, dass der Verein einen Strategiewechsel vollzogen hat, wie er vor einigen Jahren dem Kicker erzählte: „Wir hatten bis dahin Spieler geholt, die, wie Alexander Zickler oder Niko Kovac, teilweise schon am Ende ihrer Karriere waren. Große Namen, gute Fußballer. Aber das haben wir 2012 radikal verändert.“ Zusammen mit dem damaligem Sportdirektor Ralf Rangnick veränderte Salzburg sein Profil: "Wir haben den Ansatz entwickelt, dass wir nur noch junge und hochtalentierte Spieler holen und entwickeln wollten." Sollte Freund auch beim FC Bayern eine neue Jugendkultur gelingen, gäbe es für Uli Hoeneß wohl einen Grund weniger, erneut die großen Transfers einzufädeln.