Es wäre die letzte und fast schon absurd wirkende Pointe in einer Trainersuche gewesen, wie sie der FC Bayern noch nie erlebt hat: Bleibt Thomas Tuchel nach den Absagen aller Wunschkandidaten am Ende doch Trainer der Münchner, weswegen nun gar kein neuer Coach gebraucht wird? Zuletzt hatten sich die Anzeichen verdichtet, dass die Sportliche Leitung das Gespräch mit dem 50-Jährigen sucht. Auch Führungsspieler wie Manuel Neuer und Thomas Müller sollen für ihn beim Vorstand vorgesprochen haben. Als Tuchel selbst am Freitagvormittag vor die Presse trat, ging es deswegen auch nicht einmal am Rande um das letzte Saisonspiel bei der TSG Hoffenheim am Samstag (15.30 Uhr, Sky), sondern nur um eine Frage: Bleibt er jetzt doch? Tuchel machte gleich zu Beginn klar: Nein. "Das ist meine letzte Pressekonferenz an der Säbener Straße. Wir haben keine Einigung gefunden für eine weitere Zusammenarbeit. Deshalb bleibt es bei der Vereinbarung im Februar." Diese sieht vor: Nach dem letzten Saisonspiel – also am Samstagabend – ist Schluss für Tuchel in München. Damit steht der FC Bayern bald auch ganz offiziell ohne Trainer da.
Tuchel bestätigte, dass es Gespräche mit dem Verein gegeben habe. Über eine Woche lang, beginnend mit dem Tag nach dem Aus in der Champions League und bis Donnerstag, hätten beide Parteien geprüft, ob es nicht doch ein Zurück gibt. Die Initiative sei vom FC Bayern ausgegangen. "Dann gab es eine sehr, sehr turbulente Woche", so Tuchel. Auch er selbst sei nach den positiven Rückmeldungen, die er nach den beiden Spielen gegen Real Madrid erhalten habe, nochmals ins Zweifeln gekommen. Denn nicht immer seien es die großen Siege, die eine Gruppe zusammenwachsen lassen. "Das Spiel gegen Real war die Basis dafür, um über die 180-Grad-Kehrtwende nachzudenken."
Das Verhältnis zu Uli Hoeneß war für Tuchel kein Entscheidungsgrund
Am Ende seien es Kleinigkeiten gewesen, die den Ausschlag gegeben haben ("die Gründe sind tatsächlich minimal"). Welche das waren, wollte Tuchel nicht verraten. Einer könnte es aber gewesen sein, dass seine Herangehensweise seit Ende Februar eine völlig andere als zuletzt gewesen war: "Meine Entscheidung war zu 1000 Prozent getroffen, ich habe mich damit angefreundet." Tuchel selbst hatte nach dem Bekanntwerden der Trennung davon gesprochen, nun keine Rücksicht mehr auf künftige Entscheidungen nehmen zu müssen, die Freiheit zur Rücksichtslosigkeit zu haben. Eine Sichtweise, die nicht unbedingt die beste für eine Rolle rückwärts ist. Das Verhältnis zu Uli Hoeneß, der Tuchel dafür kritisiert hatte, nicht genug mit jungen Spielern arbeiten zu wollen ("wenn’s nicht weitergeht, dann kaufen wir"), sei aber laut Tuchel keines der K.-o.-Kriterien gewesen und längst wieder im Lot: "Wir haben uns am Rande des Spiels gegen Real Madrid getroffen und haben es begraben. Ich bin nicht nachtragend."
Die Kritik von Hoeneß wirkt angesichts der Entwicklung von Aleksandar Pavlovic tatsächlich ungewöhnlich. Der 20-Jährige reifte unter Tuchel innerhalb eines Jahres vom Bundesliga- zum Nationalspieler und steht nun bei der Europameisterschaft im Kader der deutschen Nationalmannschaft. Ob die Berufung des Mittelfeldspielers auch sein Verdienst sei? Tuchel lieferte mit einem Grinsen eine Spitze in Richtung Hoeneß – und erntete Lacher im Presseraum: "Die einen sagen so, die anderen sagen so. Wir konnten die Nominierung nicht verhindern." Für Pavlovic freue es ihn: "Das ist sensationell. Es ist eine Freude, ihn Fußball spielen zu sehen."
Kane, Sané, Musiala, Kim, Boey: Erneut viele Ausfälle beim FC Bayern
Für das letzte Spiel seiner 15 Monate dauernden Zeit bei den Bayern muss Tuchel wieder auf eine ganze Reihe Spieler verzichten: Harry Kane befindet sich wegen seiner Rückenschmerzen im Ausland bei einem Arzt, schon in Madrid sei sein Einsatz nur wegen des Einsatzes von Spritzen möglich und "eigentlich grenzwertig" gewesen. Jamal Musiala und Leroy Sané fehlen weiterhin, Minjae Kim holte sich im Ligaspiel gegen Wolfsburg eine Blessur und fällt aus. Rechtsverteidiger Sacha Boey hält sich aus privaten Gründen in seiner Heimat Frankreich auf. Kingsley Coman arbeitet an seinem Comeback für Frankreichs Auswahl, ist aber für die Partie in Sinsheim ebenso kein Thema wie die verletzten Raphael Guerreiro und Serge Gnabry.
Unterdessen geht für den FC Bayern die Suche nach einem Trainer bei null los, mal wieder. Sportvorstand Max Eberl hatte einst verkündet, dass der neue Coach bis Ende April feststehen solle. Nach den öffentlichen Absagen von Xabi Alonso, Julian Nagelsmann und Ralf Rangnick sagte nun mit Tuchel sogar der Trainer ab, dessen Demission der Ausgangspunkt der Suche war. Als Kandidaten bleiben der derzeit joblose Ex-Bundestrainer Hansi Flick, Erik ten Hag (Manchester United) und Roberto de Zerbi (Brighton & Hove Albion). Die Trainersuche des FC Bayern hält noch eine Pointe bereit – mindestens.