Glaubt man den Aussagen, die Verantwortliche des FC Bayern München nach der Vertragsverlängerung mit Thomas Müller tätigten, so handelte es sich um eine Formalie. Kurzer Meinungsaustausch, ein paar Worte über künftige Bezüge, dann die Unterschrift und das obligatorische Foto mit Trikot für die vereinseigene Medienmaschinerie. "Das passt einfach, wir haben keine langen Gespräche führen müssen und sind alle froh, dass es jetzt bis 2023 so weitergeht", ließ sich Sportdirektor Hasan Salihamidzic passend in einer Vereinsmitteilung zitieren. Und Müller fügte hinzu: "Dieser Verein ist für mich nicht einfach irgendein Arbeitgeber. Er ist meine Leidenschaft."
Müller ist im oberbayerischen Weilheim geboren, ist in Pähl am Ammersee aufgewachsen und wechselte mit zehn Jahren zum FC Bayern. Er reifte in dessen Jugendteams zum Profi, seit 2009, als ihn Trainer Louis van Gaal beförderte, verrichtet er in seiner unnachahmlichen Art sein Tagwerk im Münchner Trikot. Müller glänzt nicht, Hackentricks sehen mitunter ungelenk beim 30-Jährigen aus. Müller müllert stattdessen, er bugsiert Bälle mit Bauch, Oberschenkel oder Knie über die Torlinie und verhält sich im durchgestylten Pressingfußball azyklisch.
Guardiola und Kovac verzichteten auf Müllers Qualitäten
Diesen unkonventionellen Spielstil wollten ihm Positionsspielpedanten wie Pep Guardiola und Nico Kovac austreiben, teils verbannten sie ihn gleich auf die Bank und sahen in ihm lediglich einen Notnagel. Ob der Heimatverbundene wirklich schon einmal seinen Lieblingsklub verlassen wollte, ob er etwa in Mailand glücklich geworden wäre – eher fraglich. Derartige Gedanken muss sich der schlaksige Angreifer längst nicht mehr machen, wie Jupp Heynckes will der auf seine Spieler empathisch einwirkende Hansi Flick nicht auf den Schleicher zwischen gegnerischen Reihen verzichten.
Müller feierte mit den Bayern bislang acht Meisterschaften, fünf Pokalsiege und im Triplejahr 2013 obendrein den Triumph in der Champions League. Mit der Nationalmannschaft wurde er 2010 WM-Dritter und -Torschützenkönig und gewann 2014 den Weltmeistertitel.
Für die Münchner ist er nicht nur wegen seiner Tore und Vorlagen bedeutsam, er verkörpert ihr "Mia san mia", dient als Identifikationsfigur und Sympathieträger. Selbst Bayern-Gegner mögen diesen schlitzohrigen Typen irgendwie. Womöglich entspringt es keinem Zufall, dass der FC Bayern innerhalb weniger Tage zwei Vertragsverlängerungen verkündete, die die öffentliche Wahrnehmung des gesamten Klubs beeinflussen. Erst zurrten die Münchner die Zusammenarbeit mit dem unaufgeregten Flick fest, statt sich einen Starcoach zu angeln, kurz darauf verlängerten sie mit Müller, statt seine Kaderstelle mit einem Megatransfer zu besetzen.
Was wird aus Neuer, Alaba oder Thiago?
Während die Verhandlungen mit Müller rasch beendet waren, pokern andere Stars noch und halten sich bedeckt. Die Arbeitspapiere von Manuel Neuer, Jérôme Boateng, David Alaba, Javi Martínez, Thiago und Sven Ulreich laufen im Sommer 2021 aus. Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge hatte zuletzt betont, dass die bisherigen Angebote "ohne Corona-Discount" seien. Soll heißen: Weil selbst die finanzstarken Bayern die Wirtschaftskrise zu spüren bekommen, könnten sie beim Gehalt ihrer Kicker weniger spendabel agieren.
Trainer Hansi Flick weiß, dass diese Spieler Anteil am anhaltenden Aufschwung haben. Sieht in ihnen wichtige Säulen seines künftigen Mannschaftsgerüsts, wünscht sich daher ihren Verbleib. "Ich hoffe, dass es in die richtige Richtung geht", betonte Flick am Dienstag. Bezüglich Neuer ergänzte der 55-Jährige: "Er weiß, was er an Bayern hat. Nicht nur ich, sondern alle würden sich freuen, wenn er verlängert."
Der Bayern-Coach gab im Videogespräch mit Journalisten einmal mehr den Diplomaten. Rummenigge und Co. schätzen Flicks Zurückhaltung in vereinspolitischen Vorgängen, diesen Stil scheint Flick trotz nun langfristigen Kontrakts beizubehalten. Wenig konkret äußerte er sich daher auch zu Miroslav Klose. Bayerns U17-Trainer soll in der kommenden Spielzeit zu Flicks Co-Trainer aufsteigen.
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