Manuel Neuer Zuckte beim Steilpass von Toni Kroos vor dem 0:1 kurz. Entschied sich dann aber dafür, doch nicht mit letzter Konsequenz auf Vinicius zuzustürmen. Spekulativ, ob er den Treffer so hätte vermeiden können. Zeichnete sich später aus, als er einen Schuss von Kroos aus dem Eck segelte. "Typischer Torwartball", heißt es am Stammtisch. Der spielt aber auch selten ein Champions-League-Halbfinale. Parierte zehn Minuten vor Schluss gegen den allein vor ihm auftauchenden Vinicius. "Weltklasse", sagt der Stammtisch dazu. Da hat er recht.
Joshua Kimmich Musste sich am Anfang der Saison anhören, dass er keine "Holding Six" von internationalem Format sei. Später in der Saison nach rechts hinten versetzt. Köpfte die Bayern gegen Arsenal ins Halbfinale. Zeigte auch gegen Real Madrid, dass er als Rechtsverteidiger allerhöchsten Ansprüchen genügt.
Einzelkritik: Minjae Kim mit entscheidenden Fehlern
Minjae Kim Spielte für den verletzten Matthijs de Ligt. Holte sich Selbstbewusstsein mit einigen starken Zweikämpfen. War sich seiner Sache dann aber etwas zu sicher und ließ sich vor dem 0:1 viel zu weit aus der Viererkette rauslocken. Danach wieder mit der energischen Seriosität eines internationalen Top-Verteidigers. Aber wie steht es im Almanach für internationale Top-Spiele: Ein Fehler kann auf diesem Niveau entscheidend sein. War es diesmal nicht. So ein Champions-League-Halbfinale hält sich nicht immer an das Drehbuch. Kim allerdings nahm die Chance nicht, sondern patzte ein zweites Mal, als er Rodrygo im Strafraum umriss. So etwas verzeiht kein Spiel.
Eric Dier Im Stile eines internationalen Spitzenverteidigers. Ließ sich von den abwartenden Madrilenen nicht einlullen und blieb über die ganze Spielzeit aufmerksam. Hätte beinahe noch mit einem Kopfball getroffen.
Noussair Mazraoui Eigentlich ja Rechtsverteidiger. Spielte aber zum wiederholten Mal links hinten. Und eigentlich ja auch mit ambitioniertem Offensivdrang. Zügelte diesen. Ist bei Spielen dieser Güteklasse oftmals eine vernünftige Entscheidung. So war es auch am Dienstagabend.
Jamal Musiala nervt Real Madrid
Konrad Laimer Bis zum Anpfiff war fraglich, ob er würde spielen können. Spielte dann eher wie ein Ausrufe-, denn wie ein Fragezeichen. Spritzte bei etlichen Pässen der Madrilenen dazwischen. Stopfte Löcher. Gewann Zweikämpfe. Extrem wichtig in dieser Partie.
Leon Goretzka Blieb 45 Minuten lang blass. Kleinere Fehler im Pass-Spiel und ohne Einfluss auf das Offensivspiel. Auf diesem Niveau reicht das für eine Auswechslung zur Halbzeit. Raphael Guerreiro ersetzte ihn.
Jamal Musiala Deutete immer wieder an, über welch' formidable Technik er verfügt. Einige Zeit ohne Ertrag. In der 56. Minute war es Lucas Vazquez leid, immer wieder den schnellen Haken zu folgen und trat den Münchner humorlos im Strafraum um. Musiala aber hörte deswegen noch nicht auf, seine Gegenspieler zu narren. Gehört längst zur Kategorie Weltklasse.
Thomas Müller War lange Zeit der unauffälligste Münchner Offensivspieler. Lief aber eben auch schon zum 150. Mal in der Champions League auf und weiß, dass bei Spielen internationaler Güteklasse eine gelungene Aktion ausreichen kann. Hatte zwar nicht diese eine entscheidende Situation, machte aber viele Kleinigkeiten richtig. Und Kleinigkeiten entscheiden eben auch Spiele auf diesem Niveau.
Leroy Sané Zeigte früh, dass ihm die Pause zuletzt gut getan hatte. Hätte bereits nach 41 Sekunden treffen können, scheiterte aber an Keeper Andriy Lunin. Ließ wenig später einen feinen Hackentrick auf Kane folgen. So war aber schon früh klar: hält nichts von Abtasten. Und wichtiger noch: hatte seine Schmerzen im Griff, die ihn zuletzt immer wieder zum pausieren zwangen. Noch wichtiger allerdings: Auf diesem Niveau gibt es oft nicht mehr Chancen. Am allerwichtigsten aber: hält überhaupt nichts von irgendwelchen Stammtischparolen. Schnappte sich den Ball und wuchtete ihn humorlos zum 1:1 ins Tor. Gab dem Team so wieder Hoffnung.
FC Bayern und der Einwechselspieler, den sich jeder wünscht
Harry Kane Wollte sich für das Tor des Jahres bewerben, als er nach acht Minuten aus 50 Metern abzog. Der Schuss geriet ein wenig zu hoch. Keeper Lunin aber war nun endgültig gewarnt, dass diese Münchner gänzlich wenig von der auf internationalem Niveau für vornehm gehaltenen Umgangsform des Abtastens halten. Hatte aber Probleme, sich gegen Antonio Rüdiger vielversprechende Abschlussmöglichkeiten zu erarbeiten. Musste er bei Elfmeter in der 57. Minute auch nicht mehr. Blieb auf beeindruckende Weise cool. Internationale Klasse zeigt sich auf verschiedene Weise.
Raphael Guerreiro (ab 46. für Goretzka) Am Ball gewandter als Goretzka. Ein Einwechselspieler allererster Güte. Zeigte er auch gegen Madrid.
Serge Gnabry (ab 80. für Müller) Thomas Tuchel kündigte an, dass Gnabry gegen Real treffen werde. Versuchte er, tat er aber nicht. Wahrsager von internationalem Format ist Tuchel nicht. Hat dafür andere Qualitäten.
Alphonso Davies (ab 87. für Sané) Kam für den erschöpften Sané. Real soll an dem Kanadier interessiert sein. Könnte ein Mann internationalen Spitzenformats sein. Konnte er in der Kürze der Zeit nicht nachweisen.