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FC Bayern: Eine Achse, der das Zwischenglied fehlt

FC Bayern

Eine Achse, der das Zwischenglied fehlt

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    Erreicht Bayern-Trainer Thomas Tuchel (mit Kappe) noch seine Mannschaft? Derzeit wirkt es nicht so.
    Erreicht Bayern-Trainer Thomas Tuchel (mit Kappe) noch seine Mannschaft? Derzeit wirkt es nicht so. Foto: David Inderlied, dpa

    Ihren Ursprung hatte die aktuelle Krise des FC Bayern München im Sommer. Wahrscheinlich sogar noch früher. In letzter Sekunde hatte die Mannschaft von Trainer Thomas Tuchel Borussia Dortmund die Meisterschale entrissen, doch wirklich freuen wollten sich die Bayern-Bosse darüber nicht. Die Saison war in Summe wenig wünschenswert verlaufen, Misserfolge unter Julian Nagelsmann bedingten den Wechsel zu Tuchel. Vorstandschef Oliver Kahn durfte nicht einmal mehr der Titelfeierei beiwohnen, wenig später war auch Sportvorstand Hasan Salihamidzic Geschichte. Mit der Meisterschaft war das Minimalziel gerade noch erreicht worden, dem bajuwarischen Selbstverständnis entsprach das nicht. In Doubles, mitunter sogar in Triples wird gedacht, das ist die Währung des Erfolgs.

    In der Transferperiode wollten die Bayern den großen Angriff starten, wollten Grundlagen schaffen, um zurück in die europäische Spitze zu stoßen. Manchester City oder Real Madrid wollten die Bayern wieder auf Augenhöhe begegnen. Als größte Schwachstelle hatten sie das Sturmzentrum ausgemacht, entsprechend intensiv verfolgten sie die Verpflichtung eines Torgaranten mit Weltklasseformat. In 100-Millionen-Mann Harry Kane suchten und fanden sie ihren Problemlöser, die Lewandowski-Lücke war geschlossen. Dieser Transfer überstrahlte alles. Man könnte auch sagen: Er täuschte über vieles hinweg. Denn Unwuchten im Kader blieben. 

    Tuchels ehrliche Art steht dem Ego der Stars gegenüber

    Eine Antwort auf die Abgänge der Rechtsverteidiger Benjamin Pavard (Inter Mailand) und Josip Stanisic (Leverkusen/Leihe) blieb der FC Bayern schuldig. Zur Wahrheit gehört, dass Tuchel fortwährend verletzte Spieler ersetzen muss. Der Kader allerdings war in der Breite nie austariert, Ausfälle erforderten Tuchels Improvisationskünste. Im Winter lotste Sportdirektor Christoph Freund den vollkommen überteuerten Rechtsverteidiger Sacha Boey (Galatasaray Istanbul) nach München, als Leihspieler kamen Eric Dier (Tottenham Hotspur) und Bryan Zaragoza (FC Granada). 

    Grundlegende Probleme blieben. Der Bochumer Ausgleich zum 1:1 stand sinnbildlich dafür. Jamal Musiala vertändelte im Angriff den Ball, Joshua Kimmich verweigerte im Mittelfeld einen harten Zweikampf beziehungsweise ein Foul, Innenverteidiger Matthijs de Ligt kam gegen Torschütze Takuma Asano zu spät, weil zuvor Nebenmann Minjae Kim die Orientierung verloren hatte. 

    Manuel Neuer und Harry Kane stehen am Ende einer Achse, der das Zwischenglied fehlt. Seit Sommer geistert die sogenannte "Holding Six" an der Säbener Straße. Nimmermüde betonte Tuchel, wie wichtig ihm ein defensiver Anker wäre. Ein Fixpunkt, der aufräumt und Gegenangriffe unterbindet. Ins Bild passte, dass der Sechser João Palhinha am letzten Tag der Transferperiode den Medizincheck in München absolvierte, die Verpflichtung aber scheiterte, weil Fulham keinen Ersatz fand. Je mehr Tuchel über die Notwendigkeit eines Transfers referierte, desto mehr stellte er den Status seiner vorhandenen Sechser infrage: Leon Goretzka, Konrad Laimer, Raphaël Guerreiro, Talent Aleksandar Pavlovic und nicht zuletzt Joshua Kimmich. Dass Letzterer nach seiner Auswechslung in Bochum mit Co-Trainer Zsolt Löw aneinander geriet, kam nicht von ungefähr. Tuchel ehrt seine offene Art, das Ego der Stars verträgt sich weniger damit.

    Diskussion beim FC Bayern München lässt sich auf die Nationalmannschaft übertragen

    Diskussionen um die Generation der Kimmichs, Goretzkas, Sanés und Gnabrys lassen sich von der Nationalmannschaft auf die Bayern übertragen. Und umgekehrt. Allesamt individuelle Ausnahmekönner, denen jedoch Führungsstärke fehlt. Kahn, Effenberg, Boateng, Alaba, Thiago oder Schweinsteiger. Größtmöglichen Erfolg errangen die Bayern mit Anführern in ihren Reihen, die nicht nur fußballerisch, sondern zugleich mental Weltklasse verkörperten. Die Kommandos gaben und so Nebenleute anleiteten und besser machten. Auf dem Platz steht keine Einheit, sondern eine Summe Einzelspieler. Namhaft ja, ohne aber zusammenzupassen. Zu Beginn der Saison schwebten die Bayern von Sieg zu Sieg. Ob ein Mannschaftsgefüge zusammenpasst, zeigt sich in schwierigen Phasen, die in München aufgrund medialer Begleiterscheinungen noch herausfordernder wirken.

    Die Bayern haben in den vergangenen Jahren haufenweise Geld vernichtet. In der Champions League sind sie dreimal in Folge im Viertelfinale gescheitert, jetzt droht nach dem 0:1 im Achtelfinalhinspiel das Aus gegen Lazio Rom. Nicht einmal mehr national sind die Bayern das Maß aller Dinge. Im DFB-Pokal haben sie letztmals 2020 triumphiert, bei acht Punkten Rückstand auf Leverkusen scheint sogar die Meisterschaft verloren. Im Sommer steht ein enormer Umbruch an. Verwalten wird diesen Max Eberl, der in Kürze zum neuen Sportvorstand ernannt werden dürfte. 

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