Mitte Juli betritt der FC Augsburg sprichwörtlich, aber auch im Wortsinn Neuland. Erstmals wird der Fußball-Bundesligist sein Trainingslager nicht in Europa abhalten, sondern Tausende Kilometer von der Heimat entfernt. Ziel ist die Region Mpumalanga im Nordosten Südafrikas. In der pittoresken Stadt White River, bekannt für koloniales Flair und umgeben von malerischer Natur, wird der Klub mit einem rund 60-köpfigen Tross sein Quartier beziehen. Eine halbe Stunde Autofahrt entfernt liegt der weltbekannte Kruger Nationalpark.
Erzählt FCA-Geschäftsführer Michael Ströll von der Reise, gerät er ins Schwärmen. Vor Ort hatte er sich ein Bild von den Gegebenheiten gemacht, Gespräche geführt und letztlich die Verträge unterschrieben. „Diese Begeisterung, diese Freude, diese Offenheit, die die Menschen uns gegenüber gezeigt haben, war extrem spürbar“, berichtet Ströll. Spürbar ist auch das Bemühen des 40-Jährigen, die Vorzüge hervorzuheben. In Südafrika ist zu dieser Jahreszeit Winter. Temperaturen zwischen 20 und 25 Grad seien ideal fürs Training, während beispielsweise in Österreich Hitze und Niederschläge drohten. Der FCA wird in einem Hotelkomplex untergebracht sein, der über zwei Trainingsplätze verfügt. Derzeit kümmert sich ein Greenkeeper darum, dass der Untergrund in einem perfekten Zustand ist, wenn die Augsburger am 18. Juli eintreffen.
Die DFL treibt die Auslandsvermarktung mithilfe des FC Augsburg voran
Dass der FCA in einer Region seine Saisonvorbereitung fortsetzt, in der andere Urlaub machen, ist nichts Ungewöhnliches. Nur unterscheidet sich Südtirol erheblich von Südafrika. Allein die Anreise wird bedeutend anstrengender werden. Zwar kommen die Augsburger ohne Zeitverschiebung aus, doch beinahe einen Tag werden sie unterwegs sein, ehe sie ihr 8000 Kilometer entferntes Ziel erreicht haben. Ströll liefert die Hintergründe und betont: „Primär geht es darum, sportlich eine gute Vorbereitung in Südafrika zu absolvieren.“ Geplant ist ein Turnier mit drei südafrikanischen Teams, ausgetragen wird das „Mpumalanga Premier’s International Tournament 2024“ im Stadion Mbombela, früher Nelspruit. Während der WM 2010 war es eine von zehn Spielstätten.
Dass der Sport während der zwölftägigen Reise teils in den Hintergrund rücken wird, verheimlicht Ströll nicht. Er ist Geschäftsführer - und in Südafrika wird es auch ums Geschäft gehen. Mit der Reise leistet der FCA einen Beitrag für die Deutsche Fußball Liga (DFL). Im Februar platzte der Investorendeal. Die DFL wollte für eine prozentuale Beteiligung an den TV-Erlösen von einem Finanzinvestor eine Milliarde Euro kassieren. Mit dem Geld wollte die Dachorganisation unter anderem ihre Auslandsvermarktung vorantreiben und neue Märkte erschließen. Der FCA hatte sich beim Abstimmungsprozess enthalten - was einer Ablehnung gleichkam.
Daher sieht sich Ströll jetzt in der Bringschuld. „Wir können nicht dem Thema Investoren in der DFL negativ gegenüberstehen, ohne uns bei alternativen Lösungen für die internationale TV-Vermarktung zu engagieren“, betont er. Vorwiegend Schwergewichte wie Borussia Dortmund oder der FC Bayern haben in der jüngeren Vergangenheit durch Reisen nach Asien oder Übersee die Bundesliga als Marke positioniert. In diesem Sommer sind sieben Klubs aus der 1. und 2. Bundesliga unterwegs. Übergeordnetes Ziel ist es, mehr internationale TV-Gelder zu generieren. Ströll ist sich bewusst, dass Top-Klubs mehr Anziehungskraft besitzen. „Aber auch als etwas kleinerer Verein sehen wir es als wichtig an, solidarisch und offen für Auslandsreisen zu sein.“
Eigentlich sollte der FCA bereits vor einigen Jahren in die USA reisen. Damals durchkreuzte das Corona-Virus das Vorhaben. In diesem Sommer kam das Angebot, nach Südafrika zu fliegen. Ströll macht sich keine Illusionen. „Natürlich hat der FCA in Südafrika nicht die ganz große Strahlkraft, aber die Menschen kennen die Bundesliga und den FC Augsburg und freuen sich auf uns. Auch dadurch wird die Reise wertvoll.“ Gegenüber bisherigen Trainingslagern bestehen Unterschiede. Nicht nur auf dem Rasen werden die Spieler gefordert sein, zugleich sind sie Repräsentanten und werden selbst unzählige Eindrücke mitnehmen. In einem Township dürften die wohlhabenden Profisportler mit Armut konfrontiert werden, auf der Safari im Kruger Nationalpark werden sie die Faszination der afrikanischen Tierwelt hautnah erleben. Geplant sind weitere Aktionen der Völkerverständigung, ein Nachhaltigkeitsprojekt oder der Besuch einer sozialen Einrichtung.
Reise des FC Augsburg stößt nicht ausschließlich auf Zustimmung
Dass die Reise nicht ausschließlich auf Zustimmung stößt, dessen ist sich Ströll bewusst. Mit dem Weltwassertag hatte der FCA am 22. März erstmalig eine „Grüne Woche“ ins Leben gerufen, Themenfelder aus dem Bereich „Umwelt- und Klimaschutz“ hatten dabei im Mittelpunkt gestanden. Im Stadion werden Getränke in Mehrwegbechern ausgeschenkt, am Lech werden Bäume gepflanzt. Weil die Arena mit Wasser und Wärmepumpen klimaneutral geheizt und gekühlt wird, preist der Klub seine Spielstätte als „erste CO2-neutrale Arena der Welt“ an.
Doch wie verträgt sich selbst verordnete Nachhaltigkeit mit einer solchen Reise? Den CO2-Ausstoß der Flüge werde man monetär kompensieren, kündigt Ströll an. Als Profiverein sei man allgemein „in einem ökologischen Dilemma“, argumentiert er. Teils fliege man auch im Inland zu Auswärtsspielen, und 30.000 Menschen müssten auch irgendwie ins Stadion kommen, merkt er an. Kritikpunkte seien nachvollziehbar, räumt Ströll ein, aber für Augsburg werde die Reise „sehr interessant“.
Auch finanziell: Dank Unterstützung der DFL macht der FCA bei diesem Trip sogar Gewinn.
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