Herr Berisha, Sie sitzen hier im Teamhotel der deutschen Mannschaft. Wie fühlten sich die ersten Tage nach der Nominierung an?
MËRGIM BERISHA: Das ist natürlich etwas Besonderes. Es war immer mein Traum, für Deutschland aufzulaufen. Jetzt habe ich alle schon ein bisschen kennengelernt, alle haben mich gut aufgenommen. Dass ich ein Teil der Mannschaft bin, freut mich sehr.
Wie empfinden Sie die Stimmung als Neuling nach der verkorksten WM?
BERISHA: Man merkt, dass die Jungs Spaß haben am Fußballspielen. Und dass die Qualität sehr hoch ist. Momentan ist die Stimmung sehr gut. Ich habe nicht das Gefühl, dass sie noch wegen der WM schlecht ist, vielmehr sind alle hoch motiviert. Natürlich sind auch ein paar neue Spieler dabei. Wichtig ist, dass wir uns so schnell wie möglich in die Mannschaft integrieren.
Wie funktioniert das bislang mit der Integration?
BERISHA: Die Jungs nehmen jeden gut auf. Beim Essen reden alle miteinander. Ich bin einfach froh, dass ich dabei sein kann. Vor allem kann ich hier sehr viel lernen und für mich mitnehmen.
Wie haben Sie von Ihrer Nominierung erfahren?
BERISHA: Hansi Flick hat mich angerufen, ich hatte aber mein Handy in dem Moment nicht gehört. Dann habe ich ihn zurückgerufen und er hat mir mitgeteilt, dass ich dabei bin.
Welche Gedanken gingen Ihnen in dem Moment durch den Kopf?
BERISHA: Ich habe in den vergangenen Spielen gute Leistungen gezeigt und hatte gehofft, dass ich dabei bin. Wenn er dann aber tatsächlich anruft, ist das etwas Besonderes. Wir haben zu dem Zeitpunkt aber nur kurz reden können.
Waren Sie sehr nervös, als Sie am Sonntag angereist sind?
BERISHA: Natürlich ist man ein bisschen nervös, wenn man das erste Mal dabei ist. Ich kannte nur zwei, drei Spieler von der U21. Alles ist erst einmal neu. Jetzt ist die Nervosität aber vorbei.
Wie ist es als Neuling: Müssen Sie sich vorstellen oder vielleicht sogar kurz etwas singen, wie es häufiger üblich ist?
BERISHA: Nein, bislang nichts Spezielles. Ich habe mich kurz vorgestellt, das war es aber auch. Ich fühle mich richtig wohl hier. Ich war ja auch schon bei der U21 dabei und weiß, wie es abläuft.
Wem haben Sie als Erstes von der Nominierung erzählt?
BERISHA: Meiner Verlobten und natürlich meiner Familie. Sie sind alle sehr stolz. Meine engste Familie wohnt in Berchtesgaden, der Rest lebt noch im Kosovo.
Was erwarten Sie von den Spielen gegen Peru und Belgien?
BERISHA: Dass wir in den zwei Spielen alles abrufen und eine sehr gute Leistung zeigen. Im Training läuft es bislang sehr gut. Wenn wir alles abrufen, werden wir erfolgreich sein.
Wissen Sie schon, ob Sie Einsatzminuten bekommen werden?
BERISHA: Nein, da hat Hansi Flick noch nichts gesagt. Ich genieße es, mit den Besten aus Deutschland zu trainieren und zu spielen. Was am Ende rauskommt, muss der Trainer entscheiden.
Was können Sie der Mannschaft geben, was ihr vielleicht gerade fehlt?
BERISHA: Ich bin ein klassischer Neuner, ich kann den Ball gut behaupten, auch mit dem Rücken zum Tor und Gegner. Ich habe auch unter Beweis gestellt, dass ich Tore schießen kann. Jetzt ist es wichtig, dass ich mich hier so schnell wie möglich anpasse.
Müssen Sie sich von der Spielweise im Vergleich zum FCA sehr umstellen?
BERISHA: Hier haben wir mehr Ballbesitz. Da kann ich Räume belaufen, in denen mich meine Mitspieler sehen. Ich kenne das Gegenpressing auch aus Salzburg, das ist für mich, ebenso wie das Anlaufen des Gegners, nichts Neues.
Wie sehen Sie Ihre Konkurrenzsituation im Angriff? Es gibt ja auf Ihrer Position nicht so viele deutsche Topstürmer.
BERISHA: Ich beschäftige mich nicht mit den Konkurrenten. Ich möchte täglich mein Maximum abrufen, das ist entscheidend.
Ist die EM im nächsten Jahr Ihr großes Ziel?
BERISHA: Ich kann nur das zeigen, was auf dem Platz gefordert wird. Alles andere entscheidet der Trainer. Aber grundsätzlich gibt es für einen Fußballspieler wenig Größeres als eine EM im eigenen Land.
Haben Sie schon mit Ihrer Verlobten gesprochen, dass Ihre Pläne eventuell geändert werden müssen? Sie wollen ja 2024 heiraten.
BERISHA: Sie kennt die Situation. Wenn es so kommt, dass ich bei der EM dabei sein sollte, müssen wir die Hochzeit verlegen. Da hat sie dann auch Verständnis.
Wie sehen Sie die Perspektive der deutschen Mannschaft? Kann das Team um den EM-Titel mitspielen?
BERISHA: Wir werden alles dafür tun. Ich bin fest von der Qualität der Mannschaft überzeugt.
Die Nationalmannschaft stand in der Diskussion, dass sie sich von den Fans entfernt habe. Der neue Sportchef Rudi Völler möchte das ändern, am Montag gab es schon eine öffentliche Einheit in Frankfurt. Was halten Sie davon?
BERISHA: Durch Corona hat natürlich viel gelitten, auch der persönliche Kontakt zu den Fans. Jetzt sind wir an einem Punkt, dass die Fans wieder dabei sind. Am Montag haben wir uns alle gefreut, dass so viele beim Training waren. Ich denke nicht, dass wir uns von den Fans entfernt haben.
Als Nationalspieler haben Sie noch mehr eine Vorbildfunktion. Wie beurteilen Sie mit diesem Wissen die Szenen von Freiburg, als es Ärger wegen eines Jubels von Ihnen gab?
BERISHA: Der Torjubel war nicht böse gemeint. Ich wurde dort durchgehend beleidigt, da sind auch viel Emotionen im Spiel. Ich wollte aber niemanden provozieren. Vielleicht haben es die Fans auch falsch verstanden.
Merken Sie, dass Sie als Nationalspieler noch genauer beäugt werden?
BERISHA: Zu 100 Prozent. Diese Verantwortung spüre ich.
Haben Sie momentan Kontakt zu Ihren Augsburger Teamkollegen?
BERISHA: Der Kontakt ist natürlich da. Es gibt einige Spieler, die für ihre Nationalteams unterwegs sind. Ermedin Demirovic hat mich gefragt, wie es hier ist und wie es mir gefällt.
Wie wichtig war der Wechsel nach Augsburg für Ihre Entwicklung?
BERISHA: Das war ein sehr wichtiger Schritt für mich. Gerade als junger Spieler ist es wichtig, oft zu spielen. Das kann ich in Augsburg. Ich spüre das Vertrauen des Trainers, der Verantwortlichen und der Mannschaft.
Woran lag es, dass es in der Türkei bei Fenerbahce nicht mehr geklappt hat?
BERISHA: Ich habe am Ende nicht mehr oft gespielt. Da war mir klar, dass ich etwas Neues machen wollte. Und zwar dort, wo ich spielen kann. Da kam Augsburg genau richtig.
Der FC Augsburg hat eine Kaufoption für Sie und möchte diese ziehen. Das dürfte auch Ihr Wunsch sein.
BERISHA: Ich kann nur sagen, dass ich mich in Augsburg wohlfühle.
Wo sehen Sie Ihre langfristige Zukunft?
BERISHA: Ich kann noch nicht sagen, was in der Zukunft passiert. Noch einmal: Ich fühle mich wohl in Augsburg. Das war für beide Seiten ein sehr guter Transfer. Enrico Maaßen und Stefan Reuter haben sich sehr um mich bemüht. Für mich ist der FCA genau der richtige Verein, um mich weiterzuentwickeln.
Wo sehen Sie bei sich Verbesserungspotenzial? Vielleicht, wie Augsburgs Trainer Enrico Maaßen häufiger sagt, in Spielen gegen Gegner auf Augenhöhe, in den Ihnen nicht solch starke Leistungen wie gegen die Topteams gelingen?
BERISHA: Das ist schwer zu sagen. Die Mannschaften in der Bundesliga spielen sehr unterschiedlich. Manchmal habe ich mehr Platz, manchmal weniger. Jeder kann sich in allen Bereichen verbessern. Wichtig ist, dass wir als Mannschaft funktionieren.
Ihr Augsburger Kapitän Jeffrey Gouweleeuw hat kürzlich gesagt, dass Sie der beste Stürmer seien, mit dem er je in Augsburg zusammengespielt habe.
BERISHA: Das freut mich natürlich, so etwas zu hören. Ich bin ein Spieler, der auf dem Platz immer 100 Prozent gibt. Dass er so was sagt, ehrt mich.
In der Bundesliga steht die Schlussphase an. Wie sehen Sie die Situation des FCA?
BERISHA: Wir haben eine sehr gute Mannschaft, das haben wir schon häufiger unter Beweis gestellt. Wichtig ist, dass wir gegen unsere direkten Konkurrenten punkten, das ist uns bislang weniger gelungen. Ich bin überzeugt, dass wir nichts mit dem Abstieg zu tun haben werden.
Zur Person
Der Stürmer Mërgim Berisha spielt seit August 2022 für den FCA. Mitte März nominierte ihn Bundestrainer Hansi Flick für den DFB-Kader. Berisha spielte 2019 erstmals als U21-Nationalspieler.