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Musikexperte erklärt: Darauf kommt es bei Torhymnen an

Fußball

Mixtape Bundesliga: Das sagt ein Musikproduzent zu Tor- und Vereinshymnen

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    Die Hymne des 1. FC Köln wurde gerade zur besten der Bundesliga gewählt – aber was macht gute Fußball-Musik eigentlich aus?
    Die Hymne des 1. FC Köln wurde gerade zur besten der Bundesliga gewählt – aber was macht gute Fußball-Musik eigentlich aus? Foto: Meuter, Imago/nordphoto Gmbh

    Es dürfte wenige Melodien geben, die bei Fans des FC Augsburg positivere Emotionen hervorrufen als "Eine Insel mit zwei Bergen". Das Stück, das eigentlich als "Lummerlandlied" bekannt ist und so etwas wie die inoffizielle Hymne der Augsburger Puppenkiste ist, wird in der Augsburger WWK Arena nach jedem Tor des FCA gespielt. Ähnliche Glücksgefühle dürfte auch "Cancan" von Jacques Offenbach bei den Bayern-Fans auslösen, mit dem in der Allianz-Arena jeder Treffer des FC Bayern gefeiert wird. In Bremen jubeln sie zu "I`m gonna be (500 miles)" der 80er Popband The Proclaimers, in Mönchengladbach läuft Scooter. Puppenkiste, Operette, Pop und Techno – die Musik der Bundesliga ist ein ziemlich wildes Mixtape.

    Einer, der selbst zwei Lieder zu dieser wilden Melange beigesteuert hat, ist Alaska Winter. Der Augsburger betrieb in seiner Heimat lange die Echolot-Studios, arbeitet als Musikproduzent und Tontechniker. Vor einigen Jahren zog er nach Innsbruck um. Der FC Augsburg hat ihm zwei seiner Vereinshymnen zu verdanken: "So was Großes", das bis 2006 als Hymne fungierte und "Rot Grün Weiß", das seither zum Einsatz kommt. Worauf kommt es also an, wenn man ein Lied speziell für einen Verein schreibt – Mitgröl-Faktor, Pathos, Vereinsfarben? "Am besten natürlich von allem", lautet die Antwort des 58-Jährigen. Doch schon die beiden Lieder seien in ihrer Entstehung grundverschieden: "So was Großes" war die Initiative einer Band, die mit riesigem Enthusiasmus und einem bereits fertigen Song zu mir ins Studio kam." Er habe den Song dann gemeinsam mit den Musikern noch aufgenommen und optimiert. "Aber `Rot Grün Weiß´ war eine Auftragsarbeit auf Initiative des damaligen Präsidenten Walther Seinsch, die in kürzester Zeit erst noch komplett neu geschrieben werden musste."

    Alaska Winter zur FCA-Hymne: "Bei der Passage mit Helmut Haller bekomme ich immer noch Gänsehaut"

    Das Ziel von Seinsch war es, mit dem Lied eine breit gefächerte Fanschar aus Familien samt Kindern, normalen Fans und Ultras abzubilden – also etwas, das es im Sommer 2006 noch gar nicht gab in Augsburg. Diese Vision sollte abgebildet werden. "Unser Ziel war es, eine Generationen-übergreifende Verbindung im Stile eines alten Fußball-Schlagers, gespickt mit unterschiedlichsten, neueren Elementen zu schaffen." Sogar einige Spieler des Teams, das damals in die 2. Liga aufgestiegen war, waren bei den Aufnahmen dabei, ebenso wie Helmut Haller, der eine Passage einsprach. Das Fazit Winters: "Ich finde es ganz gelungen. Vor allem bei der Passage mit Helmut Haller bekomme ich immer noch Gänsehaut. Und die Entstehung der Aufnahmen mit ihm wird mir immer im Gedächtnis bleiben."

    Ligaweit kommen vor allem die Hymen des 1. FC Köln, des VfL Bochum oder von Werder Bremen noch gut weg – das Lied der Domstädter ("Mer stonn zu dir, FC Kölle") etwa wurde kürzlich in einer Fan-Umfrage zur besten Hymne der Bundesliga gewählt. Für Winter geht das in Ordnung: Darin gehe es um eine "tiefe und viele Jahrzehnte alte Verwurzelung des Fußballs mit der Stadt". Das Kölner Lied stehe in der Tradition von Karnevalsliedern. "Ich bin beruflich oft in Köln. Und wenn man dort in der Kneipe steht, dann laufen dort unweigerlich auch mal die alten Karnevalslieder. Und irgendwann kommt dann auch die FC-Hymne, die hier sich vollkommen nahtlos einfügt. Die Leute singen das gerne mit. Das gehört dort einfach dazu, und das ist niemandem peinlich." Dasselbe gelte für "Bochum" von Herbert Grönemeyer oder "Lebenslang Grün-Weiß" bei Werder: "Diese Lieder sind regional, speziell – und sie packen einen, auch wenn man nicht von da kommt."

    Für den HSV wandelten Scooter "always hardcore" in "always Hamburg" ab

    Die Torlieder hingegen werden in den seltensten Fällen speziell für den Verein geschrieben – von Ausnahmen wie beim HSV abgesehen. Hier wandelten Scooter "always hardcore" in "always Hamburg" um. Überhaupt scheint es die Dance-Band vielen Vereinen angetan zu haben: Neben Mönchengladbach werden auch in Heidenheim, Jena und Meppen Tore zum Sound von Scooter gefeiert. Nicht unbedingt ein Leckerbissen für Freunde der fein gedrechselten Akkorde. Ist das jetzt schlimm? Winter antwortet mit einem Lächeln: "Ich finde, es gibt Schlimmeres als Scooter. Aber grundsätzlich muss man sich womöglich einfach auch mal eingestehen, dass Fußball und geschmackvolle Popmusik meistens nur schwer zusammengehen." Ausnahmen bestätigen die Regel: Etwa der Zweitligist FC St. Pauli, dessen Spieler zu "Hells Bells" von AC/DC das Spielfeld betreten, und der Tore so stilsicher wie vielleicht niemand sonst zelebriert, nämlich mit "Song 2" von Blur. Winter sieht den Kiez-Klub als in vielen Bereichen "bestens durchgestylt" an, dessen Konzept sich erst mal recht einfach anhört: Alles, was diesen Verein repräsentiert, muss nach einem Gegenentwurf zum Rest aussehen – und sich auch so anhören.

    Dass ausgerechnet das sonst so stilsichere Freiburg sich ebenso wie der 1. FC Nürnberg "I will survive" von der Hermes House Band als Torhymne leistet, ist aber auch für Winter ein Rätsel. Generell sei das Original von Gloria Gaynor "einer der besten Soul-Popsongs aller Zeiten". Aber: "Dass man sich bei dem Einspieler ausgerechnet für die Version der Hermes House Band entschieden hat, kann aus meiner Sicht eigentlich nur 2 Ursachen haben: schrecklicher Geschmack oder rechtliche Gründe."

    Musikproduzent und Fußball-Fan: Alaska Winter hat zwei Hymnen des FC Augsburg mitverantwortet.
    Musikproduzent und Fußball-Fan: Alaska Winter hat zwei Hymnen des FC Augsburg mitverantwortet. Foto: Winter

    Warum Union Berlin keine Torhymne hat

    Übrigens: Als einziger Profiklub fliegt Union Berlin völlig aus der Wertung der Torhymnen – schlichtweg deshalb, weil der Verein keine Torhymne einspielt. "Die Leute können sich über ein geschossenes Tor fantastisch von allein freuen", sagte Stadionsprecher Christian Arbeit vor einigen Jahren der NZZ. Damit kann auch der Musikliebhaber Alaska Winter gut leben: "Wenn da der Jubel allein funktioniert – dann ist das eigentlich auch ziemlich cool." Die Augsburger Lösung mit der Puppenkiste sei aber auch nicht schlecht: "Ich erkenne hier sogar etwas Mut zum augenzwinkernden Understatement. Wer hat das schon in der Liga?"

    Hier die Top Fünf Torhymnen von Alaska Winter:

    1. Sankt Pauli Blur: "Song #2"

    2. Union Berlin Keine Tormelodie

    3. FC Augsburg Dolls United: "Eine Insel mit zwei Bergen"

    4. Status Quo: "Rocking all over the world"

    5. RB Leipzig James Brown: "I feel good"

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