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Interview: Gikiewicz über Corona: "Wir als Profi-Fußballer sind da privilegiert"

Interview

Gikiewicz über Corona: "Wir als Profi-Fußballer sind da privilegiert"

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    Auf dem Spielfeld lässt FCA-Torhüter Rafal Gikiewicz keine Zweifel aufkommen, wer die Richtung vorgibt.
    Auf dem Spielfeld lässt FCA-Torhüter Rafal Gikiewicz keine Zweifel aufkommen, wer die Richtung vorgibt. Foto: Tim Groothuis, Witters

    Wie geht es eigentlich Carlos Gruezo?

    Rafal Gikiewicz: Warum fragen Sie?

    Weil Sie ihm nach einem leichten Ballverlust gegen Mainz in der 69. Minute kurz nach dem 1:1 deutlich gesagt haben, was Sie von dieser Aktion gehalten haben. Ihr strenger Blick war in Großaufnahme im TV zu sehen. Noch eine Frage, wie kommunizieren Sie eigentlich auf dem Platz?

    Gikiewicz: Natürlich in Deutsch, Carlos spricht auch Deutsch. In dieser Phase spielten wir nach dem Gegentor zum 1:1 etwas ängstlich. Aber Mainz hat Gott sei Dank kein Tor erzielt und wir haben später noch zwei gemacht. Also alles ok.

    Wie lange brauchen Sie nach dem Spiel, bis Ihr Adrenalinspiegel wieder gesunken ist?

    Gikiewicz: Vor drei Uhr oder halb vier gehe ich nach einem Spiel meist nicht ins Bett. Mein Ritual ist nach dem Spiel immer ähnlich: Meine Frau geht mit den Kindern schlafen und ich schaue mir das ganze Spiel noch einmal in Ruhe an. Danach spiele ich manchmal noch ein paar Partien Fifa 21. Ich spiele in Divison 3, bin also gar nicht so schlecht. Danach sind die Emotionen vom Bundesliga-Spiel raus und ich kann einschlafen.

    Und Ihre Mitspieler? Haben die nach Ihren Ansagen schlaflose Nächte?

    Gikiewciz: Nein, ich will ihnen ja einfach nur helfen und sie pushen. Das ist nichts Persönliches gegen Carlos oder wen auch immer. Wenn wir mehr Qualität haben und besser spielen wollen, müssen wir uns in jeder Situation verbessern. Jeder macht Fehler, auch ich. Fußball ist ein Fehlerspiel. Meine Philosophie ist, wer weniger Fehler macht, gewinnt.

    Damit fährt der FCA ja gar nicht schlecht. Nach dem sechsten Spieltag sind Sie mit zehn Punkten und 9:7 Toren, Sechster. Sind Sie zufrieden?

    Gikiewicz: Der sechste Platz spielt momentan keine Rolle. Mit den zehn Punkten bin ich zufrieden, wir könnten allerdings zwei Gegentore weniger haben. Es ist ein guter Start, aber wir müssen hart weiterarbeiten und am Samstag gegen Hertha haben wir ein wichtiges Spiel.

    Die Hertha ist mit großen Ambitionen gestartet und jetzt nur 14. Das ist doch mehr als überraschend nach den Millionen-Investitionen, oder?

    Gikiewicz: Es ist für die ganze Bundesliga eine Überraschung. Sie haben sehr viel Geld investiert. Sie haben super Qualität auf dem Platz, gerade in der Offensive. Ich denke, nur Bayern, Dortmund und vielleicht Leipzig sind vorne besser aufgestellt. Aber sie sind nicht gut gestartet und wir wissen, was wir zu tun haben. Wenn wir gewinnen, haben wir 13 Punkte und sie nur vier. Das wäre vor der Länderspielpause einfach eine gute Zwischenbilanz.

    Würden Sie mit einem Sieg gegen Hertha bei den Union-Fans noch beliebter werden, was ja kaum noch möglich ist?

    Gikiewicz: Die Rivalität zwischen den beiden Klubs ist riesig. Wir haben mit Union vor Fans in der Alten Försterei 1:0 gewonnen und verlieren dann das Rückspiel im Olympiastadion ohne Fans 0:4. Aber ich fokussiere mich jetzt auf den FCA. Darum will ich auch dieses Spiel gewinnen.

    Die Rivalität der beiden Fan-Lager haben Sie ja beim Hinspiel hautnah miterlebt. Sie verhinderten nach dem Abpfiff einen Platzsturm einiger Union-Fans, die sich von den Hertha-Anhängern provoziert gefühlt hatten.

    Gikiewicz: Meine Frau hat danach gesagt, ich sei ein Idiot. Jede Frau hätte da wohl Angst um ihren Mann gehabt. Aber das ist schon ein Jahr her. Ich wäre gerne zum Derby am 4. Dezember nach Berlin geflogen, aber jetzt sind ja keine Zuschauer zugelassen, also geht es nicht.

    Hat Union der Hertha sportlich schon den Rang abgelaufen?

    Gikiewicz: Ich habe das Spiel von Union am Montag im polnischen Fernsehen gesehen. Da haben die Experten gesagt, Union hat neun Punkte, Hertha vier, also ist Union besser. Aber es ist erst der sechste Spieltag. Warten wir erst einmal ab.

    Vom Promifaktor hat Union Hertha schon überholt. Die Verpflichtung von Torhüter Loris Karius und Stürmer Max Kruse hat die Hertha-Aktivitäten medial in den Schatten gestellt.

    Gikiewicz: Darauf werde ich oft von Fans angesprochen. Was soll ich sagen? Ich hatte zwei tolle Jahre in Berlin und habe noch guten Kontakt zu Spielern wie Grischa Prömel oder Nico Schlotterbeck, aber ich lebe jetzt seit drei Monaten hier in Augsburg. Für mich zählt nur der FCA.

    Wie haben Sie sich eingelebt? Berlin ist eine Metropole, die pulsiert, Augsburg wirkt dagegen wie eine verschlafene Kleinstadt.

    Gikiewicz: Augsburg ist eine kleinere Stadt, aber eine sehr schöne. Meine Familie und ich fühlen uns hier sehr wohl. Man steht hier nicht stundenlang im Stau wie in Berlin. Allerdings habe ich in Covid-Zeiten noch nicht so viel von Augsburg gesehen. Wir wohnen in Neusäß, in der Nähe des Klinikums. Mein Weg ist derzeit von zu Hause ins Stadion und zurück und manchmal in die Kita und in die Schule. Wir gehen kaum nach draußen. Ich versuche einfach den Virus nicht aufzuschnappen.

    Wie gehen Sie mit Corona um? Ihr Zwillingsbruder Lukazs ist ja daran Mitte März erkrankt.

    Gikiewicz: Da hat er in Jordanien gespielt. Dort müssen alle Infizierten 14 Tage ins Krankenhaus. Er hatte aber keine Symptome. Es geht ihm schon längst wieder gut und er spielt jetzt in Bahrain. Ich versuche einfach, das Leben mit dem Virus zu akzeptieren.

    Beunruhigt Sie der Anstieg der Corona-Zahlen gerade hier in Augsburg?

    Gikiewicz: Es ist schwierig. Mein kleiner Sohn geht in die Kita, mein großer Sohn in die 4. Klasse. Sie haben natürlich Kontakt mit anderen Kindern. Der Große muss sich streng an die hygienischen Regeln halten, denn er weiß: Der Papa spielt Fußball in der Bundesliga und der Papa muss gesund bleiben. Das ist schon stressig für ihn, so gebe ich ihm jeden Tag ein neues Handdesinfektionsspray mit. Der Kleine versteht es noch nicht so.

    Ihr Spiel lebt ja von Emotionen, die Stadien sind aber leer …

    Gikiewicz: Das ist für mich besonders als neuer Spieler schlimm. Nach dem Sieg gegen Dortmund war es ein super Moment, als die 6000 Zuschauer meinen Namen gerufen haben. Ich spiele für die Fans. Jetzt sind wir Sechster und das Stadion ist wieder leer. Das müssen wir akzeptieren, denn die Fallzahlen gehen ja weiter nach oben. Es sind schwere Zeiten für unsere Fans während dieser Pandemie, viele müssen Einbußen hinnehmen. Wir als Profi-Fußballer sind da privilegiert. Dafür bin ich dankbar. Ich verdiene gutes Geld. Wir können draußen trainieren, sind gesund, werden alle zwei, drei Tage getestet. Das ist ein gutes Gefühl. Und genau dieses Gefühl will ich unseren Anhängern mit guten Leistungen zurückgeben, wenn es irgendwann wieder erlaubt ist, dass sie ins Stadion dürfen.

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