Die umstrittene Datei "Gewalttäter Sport", mit der die Polizei in Bayern und dem Bund Informationen über Sportfans sammelt, schrumpft. Wie eine Anfrage des schwäbischen Grünen-Landtagsabgeordneten Maximilian Deisenhofer ergab, sind im Juli dieses Jahres noch 287 Personen erfasst, die Anhänger eines bayerischen Vereins sind. Das ist ein drastischer Rückgang: Noch im Juni 2017 waren 1196 Personen erfasst gewesen.
Dass es sinnvoll ist, Informationen über gewaltbereite Störer zu sammeln, ist nicht Bestandteil der Kritik. Juristen und Datenschützer bemängeln aber vor allem fehlende Transparenz: Wird jemand in die Datei aufgenommen, geschieht dies – zumindest in Bayern – ohne die betroffene Person zu informieren. Stellenweise hat offenbar schon das Aufnehmen der Personalien gereicht, um erfasst zu werden. Schlagzeilen machte die Datei zuletzt vor zwei Jahren.
Während der Geisterspiele hatte es bundesweit 1000 neue Einträge gegeben
Damals wurde bekannt, dass selbst während des coronabedingten Ausschlusses der Zuschauer aus den Stadien bundesweit über 1000 Personen neu aufgenommen wurden. Gelöscht wird ein Eintrag erst nach fünf Jahren – sofern es keinen neuen Sachverhalt gibt. Konsequenzen kann das jedoch bis weit in den privaten Bereich haben. Fan-Anwälte der "Rot-Grün-Weißen Hilfe" etwa, die die Anhänger des FC Augsburg juristisch beraten, berichten von einem Fall, wonach einem FCA-Fan die Einreise an einem ausländischen Flughafen verwehrt wurde, weil am Zielort bald ein Fußballspiel anstand.
Warum die Datei derart geschrumpft ist? Das Bayerische Innenministerium führt als Grund für die Löschungen die Spätfolgen der Corona-Geisterspiele an. Selbst nach der schrittweisen Öffnung der Stadien sei ein Großteil der aktiven Fanszene nicht ins Stadion gegangen. "Folglich ist in dieser Zeit die Zahl der Strafanzeigen im Sportkontext gesunken, weshalb auch die Erfassungszahlen in der 'Datei Gewalttäter Sport' zurückgingen", so ein Sprecher des Ministeriums. Für Deisenhofer ist das aber nur ein Teil der Erklärung: "Ich glaube, dass aufgrund des öffentlichen Drucks nun wesentlich sensibler damit umgegangen wird. Zudem haben immer mehr Fans bei den Behörden angefragt, ob sie in der Datei erfasst sind."
Das Innenministerium betont auf Nachfrage unserer Redaktion, die Bedenken gegen die Datei "Gewalttäter Sport" nicht zu teilen. Diese diene "der Verhinderung gewalttätiger Auseinandersetzungen und sonstiger Straftaten im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen, insbesondere von Fußballspielen, durch recherchefähige Erfassung anlasstypischer Ereignisse" und liefere somit "einen wichtigen Beitrag zur Gewährleistung eines sicheren Stadionerlebnisses".
In Bayern existiert noch eine zweite Datei für Fußball-Fans, die lange geheim war
Die Datei "Gewalttäter Sport" ist aber nicht die einzige Datei, mit der in Bayern aus Polizeisicht problematische Fußball-Fans erfasst werden. Im Sommer 2021 wurde bekannt, dass seit Januar 2020 ein bayernweites Verzeichnis mit dem Namen „EASy Gewalt und Sport“ („EASy GS“) existiert. Darin verzeichnet waren zum Stand 15. Juni 2021 1644 Personen. Darin gespeichert waren nicht nur deutlich mehr Personen als in der "Gewalttäter Sport", sondern auch eine Vielzahl mehr Informationen. Die Gemeinsamkeit: Auch hier wird niemand darüber informiert, dass er Bestandteil der Datei ist. Die Fanvertretungen im Freistaat reagierten nach Bekanntwerden mit Sammelanfragen an das Innenministerium, insgesamt gingen bis Mitte November 362 davon ein.
Zum Stand 18. November 2021 waren nur noch 1259 Personen in der EASy GS verzeichnet – das sind 385 Einträge weniger, die Eintragungen wurden also um ein Viertel reduziert. Eine aktuelle Anfrage der Landtags-Grünen ergab, dass auch hier die Anzahl der Eintragungen deutlich gesunken ist: Zum Stichtag 17. Juli 2023 waren nur noch 694 Eintragungen verzeichnet.
Infos zur "Datei Gewalttäter Sport"
- Ursprung Das Bundeskriminalamt führte 1994 die "Datei Gewalttäter Sport" (DGS) ein. Laut Polizei ist diese eine Datensammlung "über Gewalttäter, die insbesondere im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen auftreten". Gespeichert werden Name und Adresse, der Grund für die Aufnahme in die Datei, ob ein Stadionverbot vorliegt und welchen Verein die Person als Fan unterstützt. Zugriff darauf haben die Polizeibehörden im Rahmen ihrer gesetzlichen Aufträge.
- Zahlen Im Juni 2017 waren 1196 Personen abgespeichert, die sich bayerischen Vereinen zuordnen ließen. Im Juli 2023 waren es noch 287 Personen. Die meisten davon sind Fans des FC Bayern (90), dann kommen der 1. FC Nürnberg (35), Jahn Regensburg (34), Greuther Fürth (31), TSV 1860 München (24), die Würzburger Kickers (18), FC Ingolstadt (16), 1. FC Schweinfurt (11), FC Augsburg (7) und Würzburger FV (3).