Als Marinko Jurendic am letzten Tag des Wintertransferfensters begann, über den geplatzten Wechsel von Ruben Vargas zum AC Florenz zu sprechen, war allen eigentlich klar: Die beiden Klubs konnten sich nicht über eine Ablösesumme einigen. Doch die Begründung des Sportdirektors des FC Augsburg zwei Tage vor dem Heimspiel gegen den FC Bayern München überraschte: Die Klubs waren sich einig, Ruben Vargas wollte nicht (mehr).
"Das stimmt", sagt der 25-jährige Offensivspieler. Er sitzt am Dienstag nach dem Vormittagstraining im Presseraum der WWK-Arena und wirkt zufrieden und erleichtert, als er über seine Entscheidung spricht. "Ich hatte ja schon früher gesagt, dass ich, wenn es ein interessantes Angebot gäbe und es für Augsburg und für mich passt, dieses anhören möchte. Das war in dem Fall so."
In dieser Saison traf Ruben Vargas bisher nur gegen Borussia Mönchengladbach
Nach viereinhalb Jahren beim FC Augsburg hatte Vargas plötzlich das Fernweh gepackt. Zwar war er mit einem Erfolgserlebnis in die Saison gestartet, er erzielte beim 4:4 gegen Borussia Mönchengladbach sein erstes und bisher einziges Saisontor, doch dann lief es einfach nicht mehr rund.
Trainer Enrico Maaßen setzte weiter auf den Außenbahnspieler, doch genauso schwankend wie die Mannschaft spielte auch Vargas. Dies schien sich auch unter dem neuen Trainer Jess Thorup fortzusetzen. Vor der Weihnachtspause pendelte der Außenstürmer zwischen der Startelf und der Bank.
Der FC Augsburg und der AC Florenz lagen bei der Ablöse zunächst weit auseinander
Vargas, der 2019 nach seinem Wechsel aus der Schweiz lange als Senkrechtstarter durch die Bundesliga dribbelte, schien in eine Sackgasse geraten zu sein. Das Tor war wie vernagelt, auch wenn Vargas, manchmal etwas übermotiviert, alles versuchte. Und da war ja noch im Sommer die Europameisterschaft in Deutschland, für die sich Vargas mit der Schweiz qualifiziert hatte. Zu der will Vargas am liebsten in Bestform fahren. Vargas und sein Berater sondierten den Markt. Florenz, das in der Serie A im Mittelfeld dümpelt, aber bereits für das Achtelfinale in der Conference League qualifiziert ist, zeigte Interesse. Zuerst lagen die Ablöse-Vorstellungen beider Klubs (acht Millionen aus FCA-Sicht, fünf wollte die Fiorentina zahlen, so hörte man) weit auseinander. "Die Gespräche liefen über ein paar Wochen. Ich konnte mich aber auf den Fußball konzentrieren, weil ich das andere meinem Berater und den Verantwortlichen des FCA überlassen konnte", sagt Vargas.
Doch nach der Weihnachtspause hatte Thorup eine andere Idee mit Vargas. Beim 0:1 gegen Leverkusen beorderte er ihn erstmals dauerhaft in einer Mittelfeldraute auf die Position direkt hinter die oder den Stürmer. Vargas fühlte sich dort von Spielminute zu Spielminute wohler. "Ich spiele sehr gerne auf dieser Position. Es ist etwas Neues, ich habe sehr viele Freiheiten, wenn wir den Ball haben. Ich komme jetzt wieder zu mehr Chancen und hoffe, dass es bald auch wieder mit einem Tor klappt."
Ruben Vargas will mit der Schweiz eine gute EM spielen
Plötzlich begann bei Vargas ein Denkprozess. "Wenn man zu einem neuen Verein wechselt, dann ist es überall so, dass man nicht weiß, ob man spielt. Im Winter ist so ein Transfer noch spezieller als im Sommer, weil es keine lange Vorbereitung gibt, in der du dich einleben kannst", kam er ins Grübeln. "Ich fühle mich hier in Augsburg seit Jahren wohl, ich spiele und bin glücklich. Ich möchte mit dem FCA eine gute Rückrunde spielen und so auch zeigen, dass ich für die EM mit der Schweiz bereit bin.“
Und so fasste er selbst den Entschluss, den schon fast sicher eingetüteten Transfer platzen zu lassen. Der FCA und Florenz hatten sich wohl irgendwo bei sieben Millionen Euro geeinigt. Das alles war nun Makulatur. "All diese Faktoren habe ich mit meinen Eltern und meinem Berater durchgesprochen, und dann habe ich mich vor Ende der Transferperiode entschieden, beim FCA zu bleiben."
FCA-Trainer Jess Thorup freut sich
Jetzt will er Trainer Thorup, der ihn auch während den Spekulationen spielen ließ, dieses Vertrauen mit guten Leistungen zurückzahlen. Der freut sich: "Ich empfinde es als super, dass ein Spieler entscheidet, dass er bleibt. Ich habe auch seit ein paar Wochen das Gefühl, dass Ruben immer besser wird. Das Einzige, was mir fehlt, ist ein Tor oder ein Assist, aber das wird auch noch kommen."
Die Konkurrenz im FCA-Mittelfeld ist größer geworden
Allerdings muss sich Vargas auf seiner neuen Position vermehrter Konkurrenz stellen. Der FCA hatte sich auf den Vargas-Abgang schon vorbereitet und den Spanier Pep Biel von Olympiakos Piräus ausgeliehen. Arne Maier hat in Bochum schon mal angedeutet, dass er auch gerne wieder mehr spielen würde. Zum erweiterten Umfeld kann man durchaus auch Arne Engels oder Fredrik Jensen zählen. Vargas, der während seiner Anfangszeit beim FC Luzern noch eine Malerlehre absolvierte, gibt sich da selbstbewusst: "Es war schon immer so in meinem Leben, dass ich mich Konkurrenz stellen musste. Ich hatte es nie leicht. Es ist ein gesunder Konkurrenzkampf und wir pushen uns gegenseitig, was das Kollektiv einfach besser macht."
Jetzt will er möglichst schnell seine Torflaute überwinden. Vielleicht klappt es ja schon am Samstag (15.30 Uhr/Sky) im Heimspiel gegen RB Leipzig. In der vergangenen Saison lieferten beide Teams in der WWK-Arena ein Spektakel ab. Am Ende hieß es 3:3, Vargas hatte die zwischenzeitliche 3:0-Führung für den FCA erzielt. Ob ihm ein Punkt und ein Tor wieder reichen würde? Nein, er will gewinnen: "Warum sollen wir die drei Punkte denn nicht hier behalten? Wenn wir uns auf unser Spiel konzentrieren, werden wir unsere Chancen bekommen." Die will er endlich auch wieder selbst nutzen.
Ruben Vargas wird sich im Sommer alles anhören
Und was passiert im Sommer? Sein Vertrag läuft dann nur noch ein Jahr. "Das kann ich noch nicht sagen", sagt Vargas. Mit einer guten EM würde er seinen Marktwert noch einmal deutlich steigern. Auf jeden Fall gibt es eigentlich nur zwei Optionen. Das weiß Vargas auch: "Ob ich jetzt verkauft werde oder ob ich verlängere – ich werde für beide Szenarien offen sein und mir alles anhören." Und dann entscheiden. Wie? Das wird spannend.