Wenn Enrico Maaßen, der Trainer des FC Augsburg, in den vergangenen Monaten davon sprach, "kreativ" zu werden, war in den meisten Fällen gemeint, auf eine der zahlreichen Verletzungen reagieren zu müssen. An manchen Spieltagen stand dem FCA, auch infolge von Sperren, eine komplette Elf nicht zur Verfügung . Eine nun zur Winterpause veröffentlichte Auswertung liefert auch statistische Gewissheit: Keine andere Mannschaft der Fußball-Bundesliga hat derart viele Verletzte wie Augsburg.
Auf der Seite Fußballverletzungen.com werden seit 2009 regelmäßig die Verletztenstände der Bundesliga abgebildet. Bei der nun zu Ende gegangenen ersten Saisonhälfte zeichnet sich ein eindeutiges Bild ab: Der FC Augsburg steht mit Abstand auf dem letzten Platz der Ausfalltabelle. Durchschnittlich fehlte jeder der 31 Kaderspieler des FCA bisher 39,29 Tage. Das ist ein deutlicher Abstand zum Vorletzten Borussia Dortmund. Dessen Kicker fehlten im Schnitt 32,74 Tage. Als Ende jeder Verletzung wird der Wiedereinstieg ins Mannschaftstraining gewertet. Auf dem "Relegationsrang" folgt der 1. FC Köln mit 28,18 Tagen. Die wenigsten Ausfälle hat - wie schon in der gesamten Bundesligasaison 2021/22 - der 1. FC Union Berlin. Gerade mal durchschnittliche 9,10 Tage musste Union-Coach Urs Fischer verletzungsbedingt auf jeden seiner Schützlinge verzichten.
FCA-Trainer Enrico Maaßen will jede Verletzung gesondert betrachten
Woran es liegt, dass die Misere beim FCA so groß ist - diese Frage wollen die Verantwortlichen auch beantwortet haben. Unserer Redaktion sagte Trainer Enrico Maaßen auf die Frage hin, was er als Gründe für die Misere sieht:"Wir überprüfen, welche Prozesse wir optimieren und wie wir es zukünftig angehen können. Dennoch müssen wir jede Verletzung individuell und differenziert betrachten: Es gibt Spieler, die haben eine Verletzungshistorie und sind nicht ganz stabil." Schon in der Vergangenheit hatte der Bundesligist deswegen seine medizinische Abteilung neu strukturiert.
Muskelverletzungen, die gemeinhin als Zeichen für eine Überbeanspruchung der Spieler gewertet werden können, hat der FCA tatsächlich nicht viele. Deutlich längere Ausfallzeiten entstanden durch schwerere Verletzungen, etwa infolge von Fremdeinwirkungen: Felix Uduokhai etwa riss sich beim Zusammenprall mit dem Mainzer Keeper Robin Zentner das Syndesmoseband und fiel lange aus, Niklas Dorsch brach sich zuerst das Schlüsselbein, dann zweimal innerhalb weniger Monate den Mittelfuß. Bei André Hahn wurde nach dem Spiel auf Schalke ein Knorpelschaden diagnostiziert - und in derselben Partie prallte Torwart Rafal Gikiewicz mit Simon Terodde zusammen und fiel wegen eines Blutergusses im Oberschenkel wochenlang aus. Tobias Strobl fehlt wegen eines Kreuzbandrisses bereits seit über einem Jahr.
Drei Vereine hatten schon vergangene Saison die wenigsten Verletzten
Gegen manche Verletzungen hilft also auch die beste medizinische Abteilung nur wenig - und dennoch scheint es nur zu einem Teil mit Glück und Pech zu tun haben, wie viele Ausfälle ein Klub hat. Denn dieselben drei Vereine, die aktuell die seltensten Verletzungen haben - Union, Eintracht Frankfurt und Freiburg - waren auch in der gesamten Vorsaison die mit den seltensten Ausfällen.
Das ist umso erstaunlicher, weil alle drei Klubs aktuell auch international vertreten sind und folglich eine Mehrbelastung haben. Zugleich war Borussia Dortmund, aktuell Vorletzter, in der Vorsaison mit insgesamt 86 durchschnittlichen Fehltagen der Verein mit den meisten Verletzungen. Wenn es nach FCA-Coach Maaßen geht, soll Augsburg nicht nur in der Tabelle der Bundesliga einen Sprung nach vorne machen: "Wir stellen alles auf den Prüfstand, um auch hier besser zu werden. Dabei machen wir uns selbst über die Beschaffenheit unserer Trainingsplätze Gedanken."