Simon Jentzsch, 35, zählt nicht zu den Torhütern, die man landläufig einen Showkeeper nennt. Nein, so einer ist der Torhüter des FC Augsburg nicht. Jentzsch, 1,97 Meter groß und 96 Kilogramm schwer, macht keine Show auf dem Spielfeld, er macht dort seine Arbeit.
Jentzsch wirkt wie wertvoller alter Baum. Er ist einer, dem in über 15 Jahren als Fußball-Profi schon so manche Kerbe zugefügt wurde, dem nach über 260 Bundesliga-Spielen kein Sturm mehr etwas anhaben kann. „Ich bin im Fußballgeschäft schon zehn Mal chemisch gereinigt worden“, sagt er. Soll heißen: Er hat alle Höhen und Tiefen mitgemacht.
Ganz, ganz unten ist er im Winter 2007. Trainer Felix Magath, damals wie heute Trainer beim VfL Wolfsburg, hatte ihn aussortiert. Erst als sich FCA-Trainer Jos Luhukay im Sommer 2009 an Jentzsch („Ich kannte ihn noch aus seiner Uerdinger Zeit als junger Torhüter“) erinnert, gibt es ein Happy End. Luhukay sucht für das Projekt Bundesliga-Aufstieg einen Torhüter, der verlässlich ist, der Ruhe ausstrahlt und einen, der eine Mannschaft führen kann. Einen wie Jentzsch.
Jentzsch ist ein Winner-Typ
Zwei Jahre später hat der FCA sein Ziel erreicht, und dass der Aufsteiger jetzt, sieben Spieltage vor Saisonende in der Bundesliga, immer noch im Kampf um den Klassenerhalt mit dabei ist, hat der FCA auch Jentzsch zu verdanken. „Auch wenn er es nicht gerne hören wird, er hat viel an unserer Erfolgsgeschichte mitgeschrieben. Er ist ein Winner-Typ“, sagt Luhukay. Und für den FCA der richtige Mann am richtigen Ort. Dass Jentzsch nicht dem neuen Trend des mitspielenden Torhüters entspricht, macht Luhukay nichts aus: „Ich habe nie daran gedacht, sein Spiel zu ändern. Er ist erfahren genug und sein Erfolg spricht für ihn.“ Jentzsch hat andere Qualitäten. Er organisiert gut, ist ausgeglichen, wird selten nervös.
Auch wenn er im gegnerischen Strafraum auftaucht wie in Bremen in der Schlussminute. „Co-Trainer Markus Gellhaus hat mich nach vorne gerufen. Und da ich eh schon an der Mittellinie stand, war es nicht mehr so weit“, sagt Jentzsch lapidar. Er sorgte für Verwirrung, Paul Verhaegh für den 1:1-Ausgleich.
Fünf Spiele in Folge ist der FCA nun ungeschlagen, steht auf Platz 15 vor dem Kellerduell gegen den 1. FC Köln am Samstag (15.30 Uhr, SGL-Arena). Doch Jentzsch mahnt: „Wir haben noch nichts erreicht.“ Auch wenn der FCA im Konzert der Großen überraschend gut mitspielt. Ohne großartigen Solisten. „Von uns weiß jeder, dass er kein Star ist, wir sind auf einer Wellenlänge und es gibt keine großen Unterschiede.“
Amsif kehrt klaglos ins zweite Glied zurück
So arbeitet er auch mit seinen Torhüterkollegen Mohamed Amsif, 23, und Ioannis Gelios, 19, zusammen. Auf Augenhöhe, kameradschaftlich. Wohl auch, weil Mohamed Amsif klaglos ins zweite Glied zurückgetreten ist, nachdem er Jentzsch nach dessen Fingerverletzung im Winter sechs Spiele vertreten hat. Jentzsch bedankt sich auf seine Art. Er unterstützt Amsif, gibt seine Erfahrungen weiter. Er kennt das auch anders. Als er Ende der 90er Jahre beim Karlsruher SC zu seinem Bundesliga-Debüt kommt, redet Stammtorhüter Claus Reitmaier kein Wort mit ihm.
Jentzsch mag solche Ränkespiele nicht. Er genießt jeden Tag auf dem Platz. Dass ihn Amsif wohl beerben wird, sieht er entspannt. „Der Zeitpunkt wird kommen. Und ich weiß auch, dass der Fußball ohne mich weiterläuft.“ Aber ein bisschen muss Amsif noch warten. Jentzsch’ Vertrag läuft bis 2013.