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FC Augsburg: Marinko Jurendic übernimmt einen Posten, den es beim FCA bislang nicht gab

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Marinko Jurendic übernimmt einen Posten, den es beim FCA bislang nicht gab

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    Mit Marinko Jurendic als Sportdirektor steigt der FC Augsburg auf ein bewährtes Organisationsmodell in der Fußball-Bundesliga um.
    Mit Marinko Jurendic als Sportdirektor steigt der FC Augsburg auf ein bewährtes Organisationsmodell in der Fußball-Bundesliga um. Foto: Klaus Rainer Krieger

    Das erste Training verfolgte Marinko Jurendic aus der Perspektive der Anhängerschaft. Er stellte sich zwischen Fans, beäugte von dort, was die Bundesliga-Fußballer des FC Augsburg auf dem Übungsuntergrund nahe der Arena bewerkstelligten. Künftig wird der 45-Jährige eine weit komfortablere Sicht auf die Spieler genießen. Wird noch näher dran sein, sie studieren und analysieren. Wird ihnen mitunter erklären, wie und ob überhaupt er künftig mit ihnen plant. Jurendic besetzt einen Posten, den es bislang beim Bundesligisten nicht gegeben hat. 

    Schon vor einem Jahr deuteten sich Veränderungen in der sportlichen Leitung an, damals jedoch unter gänzlich anderen Vorzeichen. Klaus Hofmann war unmittelbar vor dem letzten Saisonspiel als Präsident zurückgetreten. Er galt als Verlierer eines internen Machtkampfes. Unter anderem hatte der Vereinsboss beabsichtigt, über Sport-Geschäftsführer Stefan einen Sportvorstand zu installieren. Diese Position sollte nach Informationen unserer Redaktion Armin Veh einnehmen. Reuter und Finanz-Geschäftsführer Michael Ströll wehrten sich allerdings erfolgreich gegen diese Beschneidung ihrer Kompetenzen.

    Marinko Jurendic besetzt eine Ebene zwischen Trainerteam und Stefan Reuter

    Jetzt, mit einem Jahr Verzögerung, stellt sich der FCA tatsächlich bedeutend breiter auf. Allerdings wird keine übergeordnete Ebene im sportlichen Bereich eingezogen, sondern eine zwischen dem Trainerteam rund um deren Chef Enrico und Reuter. Marinko Jurendic besetzt die neu geschaffene Stelle des Sportdirektors. Zuletzt war er beim Schweizer Erstligisten FC Zürich tätig, nun soll der 45-Jährige mit seiner Expertise, seinem Wissen und seinem Netzwerk dafür sorgen, dass sich der FCA sportlich weiterentwickelt. Mit der Verpflichtung von Jurendic nimmt der Klub grundlegende Veränderungen vor.

    Reuter, 56, ist seit über zehn Jahren in Augsburg als Manager beziehungsweise Sport-Geschäftsführer angestellt. Unter seiner Ägide gelang Jahr für Jahr der Klassenerhalt, mit Trainer Markus Weinzierl stürmte er in der Europa League. Danach jedoch stagnierte der Klub in seiner Entwicklung. Bis in die Schlussphase einer Spielzeit hinein zu zittern, wurde ebenso zur Routine wie das beinahe jährliche Wechseln des Übungsleiters. Kritiker warfen Reuter vor, nur mehr selten Gespür für den richtigen Mann an der Seitenlinie zu haben. Zugleich gelangen dem Entscheider seltener Transfers, welche die Erwartungen vollends erfüllten oder sogar übertrafen. Auch intern soll die Arbeit des Sport-Geschäftsführers in der jüngeren Vergangenheit genauer beäugt worden sein.

    Durch Jurendic wird sich auch die Rolle von Stefan Reuter ändern

    Reuters Rolle wird nun definitiv eine andere werden. Seine Kompetenzen werden womöglich nochmals anwachsen, seine öffentliche Präsenz womöglich sinken. Dass künftig Jurendic während der Spiele neben Maaßen auf der Bank sitzen und Reuter oben auf der Tribüne Platz nehmen wird, steht sinnbildlich. Reuter wird wohl seltener direkten Kontakt zu Mannschaft und Trainer haben, während Jurendic tagtäglich mit Maaßen im Austausch sein wird. Der Schweizer mit Wurzeln im ehemaligen Jugoslawien trägt die Verantwortung für das Trainerteam, die Mitarbeiter rund ums Team, das Scouting, die medizinische Abteilung und den Nachwuchs. Wie Christoph Janker, Vertrauter Reuters und derzeit Leiter der Lizenzspieler-Abteilung, in dieses Konstrukt passt, wird sich zeigen.

    Reuter hat als Spieler sämtliche Titel gewonnen, die es zu gewinnen gibt. War Welt- und Europameister, hat die Champions-League-Trophäe gestemmt. Sein Name öffnet Türen. Sportliche Strategien entwickeln und Philosophien umsetzen soll nun Jurendic, der auf keine ruhmreiche Spielerkarriere zurückblickt. Der 45-Jährige bringt andere Qualitäten mit, die ihn in der Schweiz zu einem angesehenen Meistermacher werden ließen. Mit dem FC Zürich und dem damaligen Trainer André Breitenreiter holte er 2022 überraschend den nationalen Titel. Beinahe die Hälfte der Spieler stammte aus der eigenen Akademie, Jurendic hatte im Verbund mit dem Nachwuchsstrategen Heinz Moser eine hungrige junge Mannschaft geformt. Auf dieses Modell setzt nun auch der FCA. 

    Moser, 55, tituliert als „Leiter Entwicklung“, soll als Bindeglied fungieren. Im September beginnt er offiziell seine Arbeit. Ob Mosers Büro im Süden der Stadt, in der Arena und Geschäftsstelle oder im Norden, im Nachwuchsleistungszentrum (NLZ), verortet ist, lässt sich aktuell schwerlich sagen. NLZ-Cheftrainer Claus Schromm konnte in einem Gespräch Anfang Juli noch nicht genau beschreiben, wer welche Aufgaben übernehmen werde und wie die Verantwortlichkeiten geregelt sind. 

    Stattdessen blieb Schromm im Vagen. „Wir freuen uns auf die neuen Kollegen, weil wir zusätzliche Ansichten gewinnen und neuen Input bekommen werden. Wenn sie bei uns anfangen, werden wir die nächsten Schritte gehen.“ Letztlich wird die Arbeit von Moser und Schromm daran gemessen werden, ob wieder mehr Spieler aus dem NLZ Partien in der Profimannschaft bestreiten. Dass sie nicht mehr nur Verträge als „Local Player“ erhalten, um dann verliehen zu werden. Seit der Winterpause hat der FCA seinen Kader extrem verjüngt, hat kaum noch Spieler jenseits der 30 unter Vertrag. Doch hat er Jungprofis verpflichtet, kamen diese nicht aus der eigenen Akademie. „Wir müssen ein gutes Talentmanagement auf den Weg bringen und wollen den eigenen Spielern die Durchlässigkeit zu den Profis garantieren“, sagt Jurendic. Zugleich räumt er ein, am bisherigen Vorgehen vorerst wenig zu ändern. Über Leihgeschäfte zu Zweit- und Drittligisten soll die Schwelle zu den FCA-Profis abgesenkt werden.

    Der neue FCA-Sportdirektor Jurendic arbeitete lange vor allem im Hintergrund

    Mit der künftigen Struktur scheinen die Beteiligten noch ein wenig zu fremdeln. Präzise wird kaum einer von ihnen, zielen die Fragen auf genau definierte Kompetenzen ab. Wobei die öffentliche Zurückhaltung von Jurendic seinem Naturell zu entsprechen scheint. Höflich, freundlich und umgänglich wurde er während seines Wirkens in der Schweiz beschrieben, zugleich aber sollen seine Aussagen unverbindlich sein. Das lässt Möglichkeiten offen, offenbart wenig Angriffsfläche. 

    Jurendic, verheiratet, ein Sohn, bringt soziale Kompetenz und pädagogisches Wissen mit, spricht zudem fünf Sprachen (Deutsch, Englisch, Französisch, Italienisch, Kroatisch). Sein Interesse galt stets dem Fußball, 2018 erwarb er die Uefa-Pro-Lizenz als Trainer. Weil seine Profikarriere aber bereits mit 28 Jahren wegen Beschwerden in der Leiste und der Hüfte geendet hatte, orientierte er sich zwischenzeitlich um. Er studierte Betriebswirtschaft, arbeitete für den inzwischen verstorbenen Unternehmer und FDP-Politiker Otto Ineichen, widmete sich sozialen Themen und hatte Kontakt zu Bundesräten. „Da war ich ziemlich weit weg vom Fußball“, sagte er einmal in der Neuen Zürcher Zeitung.

    In der Schweiz war Jurendic der breiten Öffentlichkeit lange Zeit nicht bekannt. Vorwiegend arbeitete er im Hintergrund, zog Fäden, analysierte, trieb Projekte voran. Nie treffe er Entscheidungen aus einer Emotion heraus, heißt es dort. Wie groß der Einfluss Reuters auf die Arbeit von Jurendic sein wird, wird sich zeigen. Den neuen Mann beim FCA zu unterschätzen oder gar als Befehlsempfänger Reuters einzustufen, wäre allerdings ein Fehler. Auch wenn die künftige Hierarchie des FCA das hergäbe. 

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