In ein paar Tagen wird Jeffrey Gouweleeuw nur noch eine kleine Narbe an die bisher schwersten Tage in seiner Fußballerkarriere erinnern. Noch halten zwei Nähte die wenige Zentimeter lange Wunde zusammen, die nötig war, um den kleinen Riss in seinem rechten kollabierten Lungenflügel zu schließen.
Gouweleeuw brach das Training mit Atembeschwerden ab
Am 4. Oktober hatte der Innenverteidiger des FC Augsburg das zweite Training an diesem Tag mit Atembeschwerden abbrechen müssen. Der 25-Jährige fuhr zum Arzt. Am nächsten Nachmittag hatte er dann einen Termin für eine CT-Untersuchung in der Hessingpark Clinic. Zuvor war er noch bei einem PR-Termin des FCA in einer Grundschule.
Nach Hause kam er nicht mehr. Der Befund der Computertomografie war eindeutig: Gouweleeuw hatte einen spontanen Lungenkollaps. Bei Sportlern gar nicht so selten. Sein niederländischer Kollege Siem de Jong, der Bruder des Ex-Gladbachers Luuk de Jong, hatte 2013 und 2015 sogar zwei Kollapse. Heute spielt der 27-Jährige für den PSV Eindhoven.
Gouweleeuws Erkrankung war nicht lebensbedrohlich, der Niederländer entschloss sich aber sofort zu einer Operation, die einen Rückfall ausschließt. Am 6. Oktober wurde er von Dr. Stephan Raab, Leiter der Lungenchirurgie am Zentralklinikum, operiert. Warum sein rechter Lungenflügel zusammenfiel? Die Ärzte wissen es nicht. Gouweleeuw sagt: „Es gab keine richtige Ursache. Es war einfach eine spontane Erkrankung.“
Kein Gedanke ans Karriereende
Fünf Wochen später sitzt er in einer VIP-Lounge in der WWK-Arena. „Ich war nach dieser Diagnose schon etwas geschockt und erschrocken“, erzählt er. Neun Tage lag er in der VIP-Abteilung des Klinikums. Viel Zeit, um nachzudenken, doch Gedanken an ein Karriereende hatte er nie. „Der Arzt hat gleich gesagt, wenn wir operieren, dann kann ich wieder spielen. Das war sehr wichtig für mich.“ Seine Lungentätigkeit werde wieder bei 100 Prozent sein, habe der Arzt gesagt. Das half ihm.
Nachdem er aus dem Krankenhaus entlassen war, erholte er sich in den Niederlanden. In Beverwijk, zwischen Alkmaar und Amsterdam gelegen, baut er gerade ein Haus. Dorthin fliegen durfte er aber nicht, das ist noch zu gefährlich für seine Lunge. Er und seine Familie mussten mit dem Auto fahren.
Gouweleeuw blickt aber wieder zuversichtlich in die Zukunft. Am Mittwoch durfte er zum ersten Mal zweimal auf dem Ergometer im Kabinentrakt radeln. Jeweils 45 Minuten bei maximal 130 Pulsschlägen. Die Belastung ist nur etwas höher als beim Warmmachen vor einer normalen Trainingseinheit. Gouweleeuw ist froh, dass er nach einer Woche schon so weit ist. „Beim ersten Mal waren es 20 Minuten, jetzt schaffe ich schon 45 Minuten. Wenn man ein bisschen trainieren kann, gibt es ein gutes Gefühl“, sagt er.
Gouweleeuw sollte Innenverteidigung beim FC Augsburg anführen
Er darf seine Fitness nur langsam wieder aufbauen. Der operierte Lungenflügel muss weiter geschont werden. Was ihm schwerfällt. Denn seit seinem Wechsel im Januar spielte er sich immer mehr ins Team. In der neuen Saison hatte Trainer Dirk Schuster ihm nach dem Wechsel von Klavan und Hong die Führungsrolle in der Innenverteidigung übertragen.
In den ersten sechs Punktspielen wurde er dem Anspruch gerecht. Trotz einer Sprunggelenksoperation Mitte Mai. Er sagt: „Ich hatte eine gute Vorbereitung, auch wenn ich etwas später begonnen habe. Ich war zufrieden, der Trainer war zufrieden, ich war ein wichtiger Teil der Mannschaft. Dann ist so etwas eine Katastrophe. Alles wird wieder auf null zurückgefahren. Und du weißt nicht, wie lange es dauert, bis du wieder voll fit bist.“
Das weiß er auch jetzt noch nicht: „Natürlich will ich so schnell wie möglich wieder spielen, aber ich muss warten, was der Doktor sagt. Nächste Woche ist wieder ein Lungentest und CT-Scan. Dann kann man wahrscheinlich mehr sagen.“ Bis dahin muss er sich weiter zurückhalten. Kraftübungen sind noch nicht erlaubt. Leichtes Joggen im Freien ist bei diesen tiefen Temperaturen verboten.
Auch im Alltag muss Gouweleeuw vorsichtig sein. Bei den Spaziergängen mit Freundin Edana, 24, seinen Söhnen Jayson, 3, und Mateo, 1, darf er die Kleinen nur vorsichtig in die Luft heben. Die 14 Monate alte Hündin Mia muss seine Freundin an der Leine führen. Ein plötzlicher Ruck der 65 Kilogramm schweren südafrikanischer Mastiffdame könnte für ihn gefährlich sein.
Noch ist Gouweleeuw nicht gesund, der weitere Verlauf ungewiss. „Wenn du eine Verletzung hast, weiß du, du kannst nach drei oder vier Wochen wieder spielen, dann hast du das im Kopf als Ziel gespeichert. Aber so weit bin ich noch nicht, auf diesen Moment muss ich noch warten. Der Arzt hat mir aber in Aussicht gestellt, dass ich bis zum Trainingslager im Januar wieder zurück bin.“ Das gibt ihm Mut. Dann darf er auch wieder ins Flugzeug steigen.