Christian Streich zögert. Er denkt nach. „Soll ich das nun öffentlich sagen“, fragt er mehr sich selbst. In ihm reift die Entscheidung, dass die Öffentlichkeit diese Aussage durchaus verkraften kann. Er und der SC Freiburg ohnehin. Also sagt der Trainer des Fußball-Bundesligisten: „Ich habe einen richtigen Fehler gemacht“. Der Anfang verspricht Großes. Und Streich führt weiter aus: „Es war ein großer Fehler, dass ich nicht mit allem, was mir zur Verfügung steht, versucht habe, Daniel Caligiuri nach Freiburg zu holen.“
Der FC Augsburg macht das Rennen um Daniel Caligiuri
Streich wusste offenbar bereits länger von Caligiuris Gedanken, den FC Schalke 04 im Sommer zu verlassen. Freiburg stand zu diesem Zeitpunkt im Frühjahr gerade aber recht gut da in der Bundesliga, zudem dröhnte in seinem Hinterkopf die Forderung, mehr auf junge Spieler zu setzen. Das ist Caligiuri mit seinen 32 Jahren nun nicht mehr. Ein sehr guter Bundesligaprofi aber sehr wohl. Streich weiß das aus den gemeinsamen Jahren beim SC Freiburg, bei dem Caligiuri von 2009 bis 2013 spielte. Schon in der U19 der Breisgauer trainierte Caligiuri unter Streich. In diesem Frühjahr aber meldete sich eben nicht der Sportclub bei ihm, sondern der FC Augsburg. Und der machte schließlich das Rennen. „Ich ärgere mich sehr über diesen Fehler“, sagte Streich noch, „nicht nur deswegen, weil er jetzt so gut spielt.“
Nach 1:3 gegen FSV Mainz 05: Aufarbeitung war nicht schön
Es ehrt Streich, dass er so ehrlich mit dieser Personalie umgeht. Überhaupt ist der 55-Jährige ein Mann der klaren Worte. Die waren vor allem nach Freiburgs 1:3-Niederlage gegen den FSV Mainz am vergangenen Sonntag nötig. „Die Aufarbeitung war nicht schön“, erklärt Streich in einer Video-Pressekonferenz. „Es war vor allem deprimierend, die erste Halbzeit anschauen zu müssen“, meint der SC-Coach, „so eine Halbzeit darf nicht mehr vorkommen“. Er spricht dabei von Haltung, was er schon zuvor häufiger getan hatte. Meist aber in einem positiven Kontext. Nun aber ist es als Kritik an seiner Mannschaft gemeint. Das Auftreten in Hälfte eins gegen Mainz hat ihn schockiert.
Zuletzt seien „einige Spieler nicht mit allem, was sie haben, in die Zweikämpfe gegangen“, kritisiert Streich. Er weiß: Gegen eine körperlich starke Mannschaft wie den FCA am Samstag (15.30 Uhr/Sky) wird es darum gehen, dagegenzuhalten. „Sonst können wir Augsburg nicht wehtun und sie nicht besiegen“, sagt der 55-Jährige. Selbstvertrauen fehlt dem SC, natürlich. Aber „Selbstbewusstsein hole ich mir durch Haltung im Zweikampf und taktische Disziplin“, so der SC-Trainer. „Es wird darauf ankommen, wie jeder einzelne Spieler die Aufgabe annimmt“, sagt Streich. Er fordert Mut und Überzeugung. Streich will also eine Reaktion sehen. Das hat er deutlich formuliert.
Beim SC Freiburg ist es für Trainer ruhiger als anderswo
An anderen Standorten wäre schon eine Diskussion um den Trainer begonnen worden. Streich weiß das. Er sagt aber auch: „In Freiburg ist es immer etwas ruhiger.“ Vor allem auch, weil alle in Freiburg wissen, was sie an ihrem Trainer haben. An ihm, der gerne mit dem Fahrrad zum Training fährt und sich mit vielen Themen außerhalb des Fußballs beschäftigt. Streich ist meinungsstark und ein gerne gesehener Gesprächspartner. So hat er am Donnerstag auch über die Corona-Pandemie und ihre Folgen gesprochen. „Ich wäre gerne am Sonntag ins Kindertheater gegangen“, erzählt er, „das ist aber alles abgesagt. Jetzt bleibt man halt daheim oder geht in den Wald spazieren. Es ist aber sehr schade, dass man sich nicht mehr treffen kann.“ Er weiß aber natürlich um die Wichtigkeit der Maßnahmen.
Christian Streich als Bundestrainer? Zu viel der Ehre
Zurückhaltender ist er beim Thema Bundestrainer. Die Diskussionen um die Zukunft von Joachim Löw verfolgt er kaum. Er hat sich angewöhnt, mögliche Entlassungen von Kollegen nicht in seine Gedankenwelt zu lassen. Als er schließlich noch gefragt wird, ob er für sich selbst irgendwann einmal das Amt als Bundestrainer vorstellen kann, stutzt er. „Ich? Als deutscher Nationaltrainer? Wissen Sie, wie viele Punkte wir gerade haben in Freiburg? Da gibt es ein paar Hundert andere, die deutscher Nationaltrainer werden können oder werden sollten“, sagt Streich, „Das ist, glaube ich, der Ehre zu viel.“ Aber vielleicht in einem anderen Land? In einem, in dem das ganze Jahr über Sommer ist? „Das brauche ich nicht. Ich brauche ein Frühjahr, einen heißen Sommer, einen Herbst mit viel Regen und einen Winter mit Schnee und Kälte“, sagt Streich. Dann vielleicht also Schweden? „Dort ist es auch schon zu warm, die haben ja auch schon den Borkenkäfer“, sagt Streich und geht. Selbst als Biologe hat er also seine Qualitäten.
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