Diese eine Partie möchte Phillip Tietz noch zu Ende bringen. Durchgang eins hatte er zusammen mit Ermedin Demirovic verloren, in Durchgang zwei sollte sich das nicht wiederholen. Nach dem Training spielen die Profis des FC Augsburg gerne Fußballtennis in der Kabine. Um Punkte. Wer verliert, muss ein Essen ausgeben. Am Mittwoch sieht es für das Sturmduo nicht gut aus. Auch den zweiten Durchgang gewinnen Ruben Vargas und Niklas Dorsch.
Wenig später kommt Phillip Tietz zum Interview. Er trägt noch seine Trainingsklamotten vom Vormittag. Die dreckigen weißen Stutzen sind Zeugen einer intensiven Einheit. Tietz hat wieder alles reingehauen, wie er selbst sagt. Weniger als 100 Prozent gibt es für ihn nicht. Weder im Training noch im Spiel.
Auf seinen Einsatz kann sich der 26-Jährige immer verlassen. Er weiß, dass er nicht der filigranste Fußballer ist. Dass er keiner ist, der mit Dribblings gleich mehrere Gegenspieler ausspielt. "Ich bin ein Spielertyp, der Bälle festmacht, verteilt oder ablegt. Da darf ich mich auch nicht verändern", sagt er. Durch diese Stärken ist er in die Bundesliga gekommen. Tietz ist ein Strafraumstürmer. Er kann sich nur an wenige Tore erinnern, die er in seiner Karriere außerhalb des 16-Meter-Raums erzielt hat.
Phillip Tietz brauchte Zeit, um sich an die Bundesliga zu gewöhnen
Für Tietz ist es die erste Saison im deutschen Fußball-Oberhaus. Er war von Darmstadt zum FC Augsburg gewechselt. Fünf Tore hat er bislang erzielt, eine Bilanz, die zufriedenstellt. Ihn selbst, aber auch Trainer Jess Thorup. "Für seine erste Saison in der Bundesliga macht er es sehr gut", sagt der Däne. Das zählt für die Leistungen auf dem Platz, aber auch für sein Verhalten in der Kabine. Sehr umgänglich sei Tietz, einer, dem es wichtig sei, zu allen Kollegen einen guten Draht zu haben. "Ich mag, was er macht. Auf dem Platz, aber auch daneben", sagt Thorup.
Auf dem Rasen hatte Tietz in dieser Saison Höhen und Tiefen. Zunächst brauchte er etwas, um sich an das Neue zu gewöhnen. Die teilweise größeren Stadien, die andere Atmosphäre, aber vor allem den schnelleren Fußball. "Es ist ein Riesenunterschied zur zweiten Liga. Ich lerne Tag für Tag, es braucht Zeit, sich einzufinden", sagt er. Grundsätzlich aber sei er mit dem bisherigen Saisonverlauf zufrieden. "Natürlich hätten es auch ein paar Tore mehr sein können. Ich habe aber gut in die Bundesliga gefunden, die Entwicklung ist noch nicht vorbei", sagt der Angreifer.
Tietz hat seinen Startplatz sicher - und das schon seit vielen Wochen. Mit Demirovic bildet er das Sturmduo beim FCA, auch das Zusammenspiel mit Ruben Vargas wird immer besser. Der Schweizer agiert im offensiven Zentrum, er ist der Spielgestalter. Die drei verstehen sich von Partie zu Partie besser, das Zusammenspiel wird sicherer. Immer wieder sind auch schöne Kombinationen zu sehen.
Am Samstag wird er erstmals an seine alte Wirkungsstätte zurückkehren, wenn der FCA um 15.30 Uhr in Darmstadt gastiert. Es wird ein besonderes Spiel für den 26-Jährigen. "Ich freue mich, dass ich mit dem FC Augsburg dort antreten darf", sagt er. Ungewohnt wird es sein, die Nacht vor einem Spiel in Darmstadt im Hotel verbringen zu müssen. Er wird die Gästekabine kennenlernen und sich auf der ungewohnten Seite des Platzes aufwärmen. Ein "emotionales und hitziges Spiel" erwartet er. Aber keines, für das er sich spezielle Ziele setzt. Das würde nur den Druck erhöhen. "Eine gewisse Aufregung ist gut, ich nehme mir aber nichts Besonders vor. Wir wollen als Mannschaft an die Leistung von Freiburg anknüpfen", sagt er.
Mit der Nationalelf beschäftigt sich Phillip Tietz nicht
Beim 2:1-Sieg hatten die Augsburger überzeugt, ganz anders als beim vorherigen Auswärtsspiel in Mainz. "Spiele wie in Mainz dürfen nicht passieren, wir haben aber unsere Schlüsse daraus gezogen. Gegen Darmstadt werden wir ein anderes Gesicht zeigen, denn diesen Gegner dürfen wir nicht unterschätzen", sagt der Stürmer. Zumal der FCA die Chance hat, mit einem weiteren Erfolg sich im Mittelfeld festzusetzen. Von mehr möchte Tietz nicht sprechen. Höhere Ziele möchte er nicht nennen.
Dabei scheinen die möglich. Auch dank des Trainerteams um Jess Thorup, das für viele Veränderungen beim FCA gesorgt hat. "Mit Jess Thorup können wir hier etwas aufbauen", ist sich Tietz sicher. Ihm gefällt vor allem der ganzheitliche Ansatz des Dänen. "Jess Thorup ist wichtig, wie wir miteinander umgehen und dass wir Selbstvertrauen tanken. Wir verbessern uns auch spielerisch und taktisch", sagt der Trainer. Beleg war die Partie gegen Freiburg, als die Augsburger 63 Prozent Ballbesitz hatten. Davon profitieren auch die Angreifer.
Als es bei Tietz so richtig gut lief, kamen kurzzeitig gar Gerüchte auf, dass er ein Kandidat für die Nationalelf sein könnte. Erst recht, nachdem Bundestrainer Julian Nagelsmann beim 3:2-Sieg des FCA gegen Wolfsburg im Stadion war. Ob an den Gerüchten etwas dran war? Ob Tietz wirklich auf dem Zettel des Bundestrainers stand? Kontakt zumindest gab es keinen. "Ich tue gut daran, nicht zu viele Gedanken an die Nationalmannschaft zu verschwenden. Wenn der Anruf kommt, kommt er. Ich bin auch so glücklich", sagt der Stürmer. Selbst wenn er im Fußball-Tennis verliert.