Auf die Frage, ob Martin Schmidt immer noch Trainer des FC Augsburg wäre, wenn Florian Niederlechner am Sonntag beim FC Bayern München zum 1:1 getroffen hätte, wich Stefan Reuter aus: "Das ist spekulativ", sagt der Geschäftsführer Sport des FCA. Niederlechner hat nicht getroffen, der FCA am Ende 0:2 verloren. Ein paar Stunden später waren Schmidt und sein Co-Trainer Stefan Sartori freigestellt. Sieben Niederlagen in den letzten neun Spielen waren zu viel.
Am Dienstag stellte nun der FCA den Nachfolger von Schmidt vor. Heiko Herrlich soll den FCA in den nächsten Wochen vor dem endgültigen Abrutschen in die Abstiegszone bewahren. Der 48-Jährige war zuletzt bis Ende 2018 bei Bayer Leverkusen tätig, ehe er dort durch Peter Bosz ersetzt wurde.
FC Augsburg: Die Vereinsführung vermisst Mut, Gier und Willen
Sicher wäre die Erklärungsnot von Stefan Reuter größer gewesen, hätte Niederlechner Bayern-Torhüter Manuel Neuer überwunden, doch die Entscheidung, sich vom Trainer zu trennen, hing nicht vom Ergebnis, sondern vom Spielverlauf ab. "Wir haben auch in München noch gehofft, dass wir es drehen können und dass wir so eine Initialzündung haben ähnlich wie in der Hinrunde", erklärte Reuter. Damals spielte der FCA zu Hause 2:2. Diesmal blieb sie aus. Auch weil sein Team zu zurückhaltend agierte. Reuter: "Wenn wir etwas mehr Fortune gehabt hätten oder mutiger gewesen wären, wäre auch in München etwas möglich gewesen."
Mut, Gier, den Willen zum Sieg hat die FCA-Führung in vielen Phasen der Saison vermisst. Schon im Herbst soll Herrlich beim FCA ein Thema gewesen sein. Reuter: "Wir hatten große Sorge, unser Ziel nicht zu erreichen, weil es seit Wochen und Monaten in die falsche Richtung ging." Das Ziel heißt Klassenerhalt. Jetzt zog man die Konsequenzen. "Die Situation ist sehr gefährlich. Wir bekommen Lob nach Niederlagen. Wir haben sehr viel Zeit damit verbracht zu erklären, wie Niederlagen zustande gekommen sind. Wir müssen uns aber mehr damit beschäftigen, wie wir es wieder schaffen zu gewinnen", sagte Reuter. Für all diese Defizite ist am Ende der Trainer verantwortlich.
Und so setzten sich Präsident Klaus Hoffmann, Sport-Geschäftsführer Stefan Reuter und Finanz-Geschäftsführer Michael Ströll noch in München zusammen und beschlossen die Trennung von Schmidt. Reuter: "Wir sind dann zur Überzeugung gekommen, jetzt ist der richtige Zeitpunkt, einem neuen Trainer die Möglichkeit zu geben, die Wende herbeizuführen."
Dabei ging die erste Kontaktaufnahme mit Herrlich schief, wie der erzählte: "Die SMS kam Sonntag um Viertel vor elf. Ich habe aber ab zehn Uhr geschlafen, ich bin ein Früh-ins-Bett-Geher. Am nächsten Morgen habe ich mich dann zurückgemeldet." Am Montagabend traf man sich dann zum direkten Gespräch, am Dienstag unterschrieb er einen Vertrag bis Juni 2022. Der gilt auch im Falle eines Abstieges.
FCA: Herrlich ist der vierte Trainer in vier Jahren
Herrlich ist der vierte Trainer des FCA in den vergangenen vier Jahren. Seit Markus Weinzierl hat kein Trainer sein Vertragsende erreicht. Weder Dirk Schuster, Manuel Baum noch Martin Schmidt. Was nicht für Stefan Reuter, der hauptsächlich für die Personalplanung zuständig ist, spricht. Der sagt dazu: "Wenn man den Vergleich in der Liga sieht, hatten nur Freiburg und Gladbach im gleichen Zeitraum weniger Trainer in der Verantwortung als wir."
Diesmal weiß der 53-jährige Reuter auf jeden Fall genau, wem er diese verantwortungsvolle Position überträgt. Er hat mit dem 48-jährigen Herrlich von 1995 bis 2004 in Dortmund zusammengespielt. Reuter auf der Außenbahn, Herrlich als Stürmer. Zusammen gewannen sie 1997 die Champions League: "Heiko steht für Gier, Leidenschaft und Siegermentalität", sagte Reuter bei der Pressekonferenz. "Er hat extrem viel Erfahrung als Spieler und Trainer. Er hat es immer geschafft, ein Team und eine absolute Einheit zu formen."
Am Dienstag trainierte Herrlich zum ersten Mal den FCA
Dies sei nun auch beim FCA seine wichtigste Aufgabe, erklärte Herrlich am Dienstag vor dem ersten Training, das um 16 Uhr stattfand. "Es ist wichtig, dass wir eng zusammenrücken und Punkte sammeln." Der Verein befinde sich in einer schwierigen Lage: "Ich glaube, das ist dem einen oder anderen gar nicht bewusst." Die Mannschaft habe zuletzt "nicht kontinuierlich Biss gezeigt", sondern "nur phasenweise".
Er selbst kennt so eine Situation aus der Saison 1999/2000, als der BVB mit den Profis Herrlich und Reuter völlig unerwartet in den Tabellenkeller rutschte: "Um mich herum waren Spieler, die Welt- und Europameister waren, aber wir hatten die Situation unterschätzt. Am Ende hat uns Udo Lattek gerettet."
In den nächsten Tagen will der gebürtige Mannheimer mit vielen Gesprächen den Spielern seine Spielweise einimpfen: "Meine Mannschaften haben immer gezeigt, dass wir Fußball spielen wollen, für Biss und Leidenschaft stehen. Egal, wo ich war, haben wir uns immer viele Torchancen erarbeitet."
So hätte er auch am Sonntag (18 Uhr/Sky) die Zuschauer beim Heimspiel gegen den VfL Wolfsburg mitreißen wollen. Doch daraus wird wohl nichts. Das Spiel findet, aller Voraussicht nach, aufgrund des Coronavirus, ohne Zuschauer statt.
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