Eigentlich hatte sich Andreas Luthe das Champions-League-Finale am Samstagabend zwischen Real Madrid und FC Liverpool in Ruhe anschauen wollen. Doch dann wurde der Abend viel emotionaler, als der Torhüter des FC Augsburg gedacht hatte. Denn er litt ganz besonders mit Lorius Karius, dem Deutschen im Liverpooler Tor, der mit zwei groben Fehlern maßgeblich an der 1:3-Niederlage beteiligt war.
„Das war sehr, sehr bitter. Letztendlich steht man als Sportler auf diesem Niveau vielleicht ein Mal im Leben im Champions-League-Endspiel, außer man spielt bei Real Madrid. Und da muss man da sein und liefern. Ihm ist nur zu wünschen, dass er da wieder rauskommt. Diese Situation ist nicht alltäglich“, sagte Luthe am Sonntag. Der 31-Jährige weiß, wovon er spricht. Schließlich ist er seit fast zehn Jahren Teil dieses Profigeschäftes, das zwischen den Alupfosten noch gnadenloser ist als auf dem Rest des Spielfeldes. Entweder ist der Einzelkämpfer strahlender Sieger oder tragischer Verlierer.
Darum appellierte Luthe auch an einen fairen Umgang mit Karius: „Ich hoffe, dass er ein gutes Umfeld hat, das ihm jetzt zur Seite steht und dann hoffe ich, dass die Sportfans etwas nachsichtig sind mit dem Menschen Lorius Karius. Denn er ist nicht nur ein Torwart, sondern auch ein Mensch, das darf man bei der ganzen Geschichte gerade so kurz nach dem Spiel nicht vergessen.“
Hitz bereitet sich auf Duell mit Bürki vor
Gut möglich, dass Luthe in der kommenden Saison beim FCA wieder regelmäßig in ähnliche Drucksituationen kommt. Seit seinem Wechsel 2016 vom VfL Bochum zum FCA hatte sich Luthe klaglos als Nummer zwei hinter Stammtorhüter Marwin Hitz eingereiht. In ganzen vier Punktspielen durfte Luthe seitdem Hitz vertreten. Doch nach dem Wechsel des Schweizers zu Borussia Dortmund werden die Karten neu gemischt.
Einen Schritt, den Luthe nachvollziehen kann: „Für ihn ging es an diesem Punkt seiner Karriere darum, bei einem richtig großen Verein zu unterschreiben. Er hat so viel Qualität, dass er sich auch dort durchsetzen kann.“ Dass Hitz fast im gleichen Atemzug seine WM-Teilnahme absagte, überraschte Luthe, der ein freundschaftliches Verhältnis zu dem 30-jährigen Schweizer pflegt, nicht: „Das war eine sehr private Entscheidung, die ich für mich privat nachvollziehen kann. Mehr möchte ich dazu nicht sagen.“
Hitz sah wohl keine realistische Chance auf einen Einsatz im Duell mit Roman Bürki und Yann Sommer. Denn der Schweizer Torwart-Trainer Patrick Foletti präferiert ganz klar Sommer als Nummer eins. Und so will Hitz bestens vorbereitet in das innerschweizer Duell mit Bürki um den Platz im Dortmunder Tor gehen. Doch Bürki hat sein Stammrevier klar abgesteckt. „Ich glaube, wer die Aussagen der Verantwortlichen gehört hat, weiß, dass ich die Nummer eins bleibe“, hat Bürki gegenüber dem TV-Sender SRF Sport erklärt. „Hitz hat das auch gewusst und es wurde ihm so kommuniziert.“ Das Duell ist also schon verbal eröffnet.
FCA-Trainer Manuel Baum will Konkurrenzkampf noch mehr entfachen
Auch beim FCA schien nach den Abgängen von Hitz nach Dortmund und von Ioannis Gelios zu Hansa Rostock (Luthe: „Ich bin überzeugt, dass er in der 3. Liga eine sehr gute Rolle spielen kann. Und wenn er das tut, ist für ihn alles möglich, weil ich ihn für einen sehr talentierten Torhüter halte.“) alles auf einen Zweikampf zwischen den verbliebenen Luthe und Fabian Giefer hinauszulaufen. Der 28-Jährige kam vor knapp einem Jahr von Schalke 04 zum FCA, schaffte es aber bisher nur zweimal auf der Ersatzbank.
Doch FCA-Trainer Manuel Baum will den Konkurrenzkampf noch mehr entfachen. „Momentan haben wir mit Giefer und Luthe zwei gute Bundesliga-Torhüter, mit denen wir auch zu 100 Prozent mit vollster Überzeugung in die nächste Saison gehen können.“ Aber Baum wünscht sich einen Dreikampf: „Das Alter ist mir egal. Wir brauchen noch einen richtig guten Torhüter, der sich nicht mit der Dreierposition zufriedengeben soll. Denn bei den Torhütern ist mir wichtig, dass die, die da sind, absolut die gleichen Chancen haben.“
Wer der dritte Mann sein wird, wird sich wohl irgendwann vor dem Trainingsstart am 1. Juli entscheiden. Namen geistern in dieser frühen Phase der Transferperiode einige durch die Fußballlandschaft. Eric Oelschlägel, 22, von Werder Bremen II, war so ein Gerücht, aber wohl ohne Gehalt. Zuletzt ploppte der Name Daniel Heuer Fernandes, 25, vom SV Darmstadt 98, auf.
Andreas Luthe ist ehrgeizig und gelassen
Andreas Luthe konzentriert sich nur auf sich: „Ich gehe mental so an die Geschichte ran, dass alles bei null losgeht. Ich werde das ganze Thema nicht unterschätzen, nur weil ich die letzten zwei Jahre vier Spiele gemacht habe. Aber ich werde alles dafür tun, dass ich am ersten Spieltag im Tor stehe.“
Luthe ist ehrgeizig, aber auch gelassen. Er definiert sich nicht ausschließlich über den Fußball. Auch außerhalb des Spielfeldes hat er genug zu tun. Für seinen Verein „In safe hands“, den er mit Jonas Ermes gegründet hat, um sozial schwache Kinder auch mithilfe des Fußballs zu fördern, ist er viel unterwegs.
So war sein Terminplaner vergangene Woche prall gefüllt. Während die meisten seiner Teamkollegen schon Urlaub machen, diskutierte der Torhüter im Deutschen Sport & Olympia Museum in Köln über die Menschenrechte in Russland und Katar, den Ausrichtern der WM 2018 und 2022. Am Samstag stand er beim Abschiedsspiel von David Odonkor auf dem Aachener Tivoli vor 10.000 Zuschauern gegen „Odos Nationalteam“ bei „Bundesliga & Friends“, auf deren Trikots sein Vereinsemblem zu finden war, im Tor. Am Sonntag plante er mit seinem Vorstandskollegen Jonas Ermes die weitere Expansion ihres Vereines. Luthe erzählt voller Vorfreude: „Da arbeiten wir an einem neuen Projekt zusammen mit der Sporthochschule Köln, aber das Ganze ist noch nicht komplett spruchreif. Da geht es um sozial-emotionale Intelligenz im Kindesalter.“
Eine lange Sommerpause braucht er nicht: „Ich habe etwas, was mich unheimlich antreibt. Wenn man so etwas hat, dann braucht man wenig Urlaub. Mitte Juni geht es noch eine Woche zu einem abgeschiedenen Häuschen auf Mallorca. Das reicht.“ Um ausgeruht beim FCA in das Duell oder den Dreikampf um die Nummer eins zu gehen.