Herr Reuter, beim reinen Blick auf die Tabelle: Wie gefährlich ist die Situation für den FC Augsburg?
Stefan Reuter: Wir hatten schon viele solcher Ausgangssituationen. Es ist immer gefährlich, auch wenn man ein paar Punkte Vorsprung hat. Wir wissen, wie schnell es im Fußball gehen kann. Wir dürfen nicht locker lassen. Wir sind natürlich gewarnt, aber auch zuversichtlich, dass wir es wieder schaffen.
Gewarnt vor allem auch durch die aktuelle Negativserie?
Reuter: Wir haben nicht die Ergebnisse geliefert, um uns weiter abzusetzen. Es wird immer so dargestellt, als wäre der Relegationsplatz jetzt deutlich näher gekommen, das ist aber nicht so. Wir hatten am 17. Spieltag vier Punkte Abstand auf den Relegationsplatz, die sind es auch nach dem 21. Spieltag. Natürlich sehen wir, dass wir eine schlechte Serie haben, gegen die wir uns gemeinsam stemmen müssen. Wir werden aber auch die Zuversicht und den Glauben an die eigene Stärke behalten. Wir arbeiten akribisch und gewissenhaft weiter. Wenn man nicht locker lässt, wird man auch belohnt.
Und Sie werden mit Heiko Herrlich weiterarbeiten, Ihrem Trainer haben Sie mehrfach den Rücken gestärkt.
Reuter: Heiko hat sehr viel Erfahrung als Trainer und schon viele Situationen erlebt, auch als Spieler. Deshalb kann er sich auch in viele Situationen der Spieler hineinversetzen. Gerade in so kritischen Phasen ist es wichtig, dass er den Druck, der von außen auch auf seine Person aufgebaut wird, nicht an die Mannschaft weitergibt. Das würde die Spieler blockieren. Heiko hat genug Souveränität, um die Kritik einzustecken - wie wir alle. Wir wissen natürlich, dass die Kritik zum Teil berechtigt ist, da viele Dinge nicht optimal laufen. Wir betrachten die Kritik sachlich, versuchen aber gleichzeitig, mit Energie gemeinsam weiter an Verbesserungen zu arbeiten.
Es gab oder gibt also keinen Zweifel an der Arbeit von Heiko Herrlich?
Reuter: Wir dürfen nur Entscheidungen treffen, von denen wir überzeugt sind, und nicht aufgrund des Drucks von außen. Beim FC Augsburg wird es immer Phasen geben, in denen Druck aufkommt, wenn mal Ergebnisse ausbleiben. Wir haben gute Erfahrungen damit gemacht, es weiter gemeinsam durchzuziehen.
Sie hätten sich aber auch ein Hintertürchen offen lassen können und Heiko Herrlich nicht so vehement unterstützen müssen.
Reuter: Auch das sind Erfahrungswerte. Sonst kommt nach jedem Spiel die Frage nach seiner Zukunft, das ist kontraproduktiv. Wir wollen geschlossen die Dinge angehen, die wir verbessern müssen. Jede Woche das gleiche Thema zu haben, hilft uns nicht.
Sie sprechen von „wir“: Wer ist in die Entscheidungsfindung eingebunden?
Reuter: Klaus Hofmann, Michael Ströll und ich. Wir machen nur Dinge, von denen wir gemeinsam überzeugt sind.
Das heißt, Heiko Herrlich hat 100 Prozent Rückendeckung im Verein?
Reuter: Ja, genau so ist es.
Ist das auch in der Mannschaft der Fall? Heiko Herrlich hat zuletzt selbst von schwindender Autorität wegen der Kritik gesprochen.
Reuter: Er hat die 100-prozentige Akzeptanz. Dass es auch unzufriedene Spieler gibt, ist ganz normal. Ein Spieler soll ja auch unzufrieden sein, wenn er nicht zum Einsatz kommt. Aber der Trainer muss die Entscheidungen treffen. Heiko macht das nach bestem Wissen und Gewissen. Auch da ist er sehr souverän und nicht nachtragend, wenn mal etwas vorgefallen sein sollte. Er analysiert sachlich und stellt nach dem Leistungsprinzip auf, das ist ganz wichtig. Er macht keinen Unterschied, ob es ein etablierter oder junger Spieler ist. Er will den Spielern mit einer klaren Analyse helfen.
Laut Reuter soll Herrlich noch lange beim FCA arbeiten
Würden Sie so weit gehen und sagen: Wir beenden auf jeden Fall die Saison mit Heiko Herrlich?
Reuter: Ich bin überzeugt davon, dass wir nicht nur die Saison zusammen beenden, sondern dass Heiko Herrlich wegen seiner Qualitäten als Trainer und als Mensch sehr langfristig beim FC Augsburg tätig sein wird.
Was müsste passieren, dass es doch noch zu einem Umdenken kommt?
Reuter: Im Moment kann ich mir da nichts vorstellen. Wir arbeiten ganz konzentriert weiter und dürfen einfach nicht locker lassen.
Erinnerungen an den Heinz Höher: Reuter hält nichts von Trainerentlassungen
Sie haben ja auch schon gute Erfahrungen gemacht, an Trainern festzuhalten: Markus Weinzierl durfte bleiben und hat später den Einzug in die Europa League geschafft.
Reuter: Nicht nur bei Markus Weinzierl in Augsburg. Auch in meiner Anfangszeit als Profi in Nürnberg wurde an Heinz Höher trotz 1:19 Punkten festgehalten. Die Überzeugung war da, es in der Konstellation zu schaffen. Am Saisonende wurden wir Zwölfter, im Jahr drauf Neunter, ein Jahr später Fünfter. Es ist wichtig, dass man nicht einfach ein Bauernopfer findet, weil es populistisch ist, sondern nur der eigenen Überzeugung folgt.
Wie schwer ist es, Entscheidungen über die Zukunft eines Trainers zu treffen und wie gehen Sie selbst mit Druck um?
Reuter: Da habe ich als ehemaliger Spieler den Vorteil, genau zu wissen, wie es ist, in der Öffentlichkeit zu stehen. Man muss Kritik einstecken können. Angenehmer ist es natürlich, wenn die Kritik nicht unter die Gürtellinie geht, sondern sachlich bleibt. Kritik ist ja auch oft begründet, man darf nicht zu dünnhäutig sein.
Die Hoffnung, dass es eine ruhigere Saison werden könnte, scheint sich nicht zu erfüllen.
Reuter: Betrachtet man nur die Ergebnisse der letzten Spiele, sieht es so aus, als würde es lange eng bleiben - außer wir starten eine kleine Siegesserie. Das würde uns gut tun.
Gegen Leverkusen ist Reuter auch mit einem Punkt zufrieden
Das wird wohl aber gegen Angstgegner Leverkusen am Sonntag (13.30 Uhr/DAZN) nicht ganz so leicht.
Reuter: Ja, unsere Quote gegen Leverkusen ist nicht ganz so gut. Aber das macht den Reiz aus, es immer wieder probieren zu dürfen. Ich bin auch mal mit einem Punkt zufrieden, aber es wäre schön, wenn wir die Serie ohne Sieg gegen Leverkusen beenden.
Eine Woche später geht es nach Mainz, eine ganz entscheidende Partie für den weiteren Saisonverlauf.
Reuter: Mit dem Spiel in Mainz beschäftigen wir uns nach der Partie gegen Leverkusen. Klar ist aber, dass wir in Duellen gegen direkte Konkurrenten den Abstand nach unten mindestens halten wollen.
Sie haben zuletzt noch den Kader mit Leihspieler Laszlo Benes aus Gladbach verstärkt, wie sehen Sie nun die Qualität beim FCA?
Reuter: Für unsere Verhältnisse haben wir einen sehr gut besetzen Kader, dem wir zutrauen, unsere Ziele zu erreichen. Wir haben aber auch mit dem ein oder anderen Problem zu kämpfen. Es liegt auch an Verletzungen oder Formschwankungen, dass wir aktuell nicht das Maximale aus dem Kader holen.
Zuletzt gab es in der Bundesliga einige Aufregerthemen, zum Beispiel die Katar-Reise des FC Bayern oder Äußerungen von Münchens Fußballboss Karl-Heinz Rummenigge wegen Impfungen für die Spieler. Vielen Fans scheint da die Demut der Fußballer zu fehlen. Immerhin dürfen die Spiele ja stattfinden.
Reuter: Wir sind gut beraten, demütig zu bleiben. Man darf nicht jede Antwort auf die Goldwaage legen, vor allem nicht aus dem Zusammenhang reißen. Karl-Heinz Rummenigge zum Beispiel weiß sicherlich sehr genau, dass älter Personen oder systemrelevante Berufe Vorrang haben bei der Impfung. Und das ist auch vollkommen richtig. Ich würde mich aber auch sofort impfen lassen, sobald ich an der Reihe bin. Je mehr Menschen sich impfen lassen, desto schneller ist die Pandemie in den Griff zu kriegen.
Die Demut aber scheint zu bröckeln. Zumindest fallen immer mal wieder Spieler mit unglücklichen Aktionen in der Öffentlichkeit auf.
Reuter: Wir hier beim FCA tun alles, um die Vorschriften einzuhalten. Wir sensibilisieren unsere Spieler auch immer wieder. Grundsätzlich ist das Hygienekonzept der Bundesliga sehr durchdacht und tiefgreifend, bis auf wenige Ausnahmen halten sich auch alle daran. Deshalb darf die Bundesliga auch zurecht spielen.
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