Herr Khedira, nach dem 1:1 in Mönchengladbach und vor dem Spiel gegen Freiburg: Wie schätzen Sie die aktuelle Lage beim FC Augsburg ein?
Rani Khedira: Ich habe ein gutes Gefühl. Das Spiel in Gladbach war sehr ordentlich von uns, auch wenn wir nicht viele Torchancen hatten. Wir haben es aber offensiv und defensiv gut gemacht. Wir sind alle mit einem positiven Gefühl aus dem Spiel rausgegangen und haben das auch mit in die neue Trainingswoche genommen. Wir haben den nötigen Fokus, um am Samstag zu gewinnen, das muss unser Ziel sein.
Bei Freiburg läuft es gar nicht rund, zuletzt gab es ein 1:3 gegen Mainz.
Khedira: Freiburg steht schlechter da als die Leistungen waren. Sie haben teilweise richtig guten Fußball gespielt, aber trotzdem verloren oder nur einen Punkt geholt. Wir müssen es angehen wie in Gladbach: Sehr mutig und aktiv, und nicht nur reagieren. Wir müssen versuchen, dem Spiel die nötige Richtung zu geben, damit Freiburg gar nicht zur Entfaltung kommt. Freiburg ist eine lauf- und spielstarke Mannschaft, da müssen wir versuchen unser Spiel durchsetzen.
Wie sehen Sie die spielerische Entwicklung beim FCA, zuletzt gab es in Gladbach viel Ballbesitz?
Khedira: Ich bin kein Fan solcher Statistiken, ob man viel oder wenig Ballbesitz hat. Man kann auch Ballbesitz in der eigenen Hälfe im toten Raum haben, das ist aber kein effektiver Ballbesitz. In der Analyse haben wir gesehen, dass wir Fortschritte gemacht haben und ballsicherer sind. Das muss sich jetzt in Effizienz und Großchancen umschlagen. Da haben wir noch die größte Luft nach oben. Wir trauen uns aber mehr zu, sind mutiger und tragen den Ball mit mehr Selbstvertrauen nach vorne. Wenn wir zwischen Abwehr und Mittelfeld angekommen sind, muss es noch mal eine Beschleunigung geben. Wenn man ein Tor erzielen möchte, braucht man Tempo und Spielwitz. Daran arbeiten wir.
Fehlt dem FCA derzeit ein Spielmacher oder ist der im Augsburger Spielsystem gar nicht so entscheidend?
Khedira: Nicht unbedingt. Ob wir mit zwei Stürmern oder einem Stürmer und einem Zehner spielen, ist nicht so entscheidend. Florian Niederlechner fühlt sich zum Beispiel auch wohl, wenn er sich auf die außen fallen lässt oder zurück auf die Zehn kommt, um sich die Bälle abzuholen. Ruben Vargas oder Daniel Caligiuri sind auch Spieler, die gerne ins Zentrum gehen. Es ist wichtig, dass wir variabel sind. Ein Sechser muss auch nicht nur die ganze Zeit hinter der Mittellinie stehen, er kann das auch offensiv interpretieren. Die Positionen ändern sich minütlich auf dem Feld, man muss einfach alle Räume besetzen.
Wie sehen Sie Ihre eigene Situation? Bis zum Spiel gegen Mainz waren Sie Stammspieler, dann auf der Bank und nun in Gladbach wieder in der Startelf.
Khedira: Ich denke, dass ich es in Gladbach ordentlich gemacht habe. Das hat mir der Trainer auch in den Spielen zuvor bescheinigt, mir aber auch erklärt, dass er gegen Mainz einen anderen Spielertypen auf der Position gebraucht hat. Ich habe das professionell angenommen und versucht, parat zu stehen, wenn ich gebraucht werde. Der Trainer hat mit der Entscheidung ja alles richtig gemacht, wir haben gegen Mainz schließlich gewonnen. Es ist vollkommen in Ordnung.
In Gladbach hatten Sie starke Werte: viel gelaufen, viele Ballkontakte und eine gute Passquote. War das die sportliche Ansage, weiter in der Mannschaft bleiben zu können?
Khedira: Man kann viel reden, aber wenn auf dem Platz wenig passiert, ist das kontraproduktiv. Daher habe ich im Training versucht, mich weiter anzubieten, um dem Trainer keine andere Wahl zu geben, als mich aufzustellen. So bin ich in jedes Training und auch in das Spiel in Gladbach gegangen. Ich habe versucht, meine persönliche Duftmarke im Spiel zu setzen und zu schauen, was der Mannschaft hilft. Das wichtigste ist, dass die Mannschaft funktioniert. Da möchte ich natürlich ein Teil davon sein.
Wie schätzen Sie die Konkurrenzsituation im defensiven Mittelfeld mit Carlos Gruezo, Tobias Strobl und Ihnen selbst ein?
Khedira: Wir haben ja auch noch Jan Moravek, der gerade nicht fit ist, oder Reece Oxford, der die Position auch spielen kann. Wir haben einen sehr gut aufgestellten Kader, in dem jede Position minimum doppelt besetzt ist. Das ist sehr gut für das Mannschaftsgefüge, weil wir ein sehr hohes Trainingsniveau haben und sich keiner zurücknehmen kann. So entwickelt sich jeder Spieler weiter. Die zwei, die dann spielen, haben es in der Woche im Training besser gemacht oder sind aktuell etwas besser drauf. Aber wir haben schon die ganze Saison gesehen, dass die, die reinkommen, auch Spiele entscheiden können. Das ist ein großes Plus, dass wir einen guten, breiten Kader haben. Da geht es um Nuancen, wer spielt oder draußen ist.
Wenn Sie spielen, haben Sie einen Lieblingsnebenmann? Carlos Gruezo kennen Sie ja schon etwas länger als Tobias Strobl.
Khedira: Man muss immer auch den Gegner betrachten: Was braucht die Mannschaft, welchen Plan hat der Trainer. Da habe ich keinen Lieblingsnebenmann. Ich habe zum Bespiel drei Jahre Seite an Seite mit Daniel Baier gespielt und mich sehr wohlgefühlt. Wir alle auf dieser Position sind intelligent und können uns der jeweiligen Situation anpassen. Entscheidend ist, was am Wochenende gefragt ist. Entsprechend werden die spielen, die zum Gegner und ins eigene Mannschaftsgefüge passen.
Rafal Gikiewicz meinte kürzlich, er möchte nicht um Rang zwölf oder 13 spielen, sondern weiter nach oben blicken. Was meinen Sie, ist in dieser Saison möglich?
Khedira: Bis jetzt hatten wir bei einem schwierigen Auftaktprogramm gute Resultate. Aber es wird jetzt nicht automatisch leichter, nur weil wir gegen Mannschaften spielen, die aktuell hinter uns stehen. Die Bundesliga ist ein brutales Geschäft mit einer sehr hohen Qualität. Wenn wir weiter so fokussiert und diszipliniert spielen, werden wir definitiv mehr Punkte holen als in den vergangenen Jahren. Wir müssen Woche für Woche gierig sein, um die Spiele gewinnen zu wollen. Diesen Geist erkenne ich bei uns, da haben wir einen Entwicklungsschritt gemacht. Diese Qualität und Gewinnermentalität müssen wir aufrechterhalten.
Wie schätzen Sie den Verlauf der Bundesliga nach acht Spieltagen ein?
Khedira: Die top Sechs sind fast so wie vergangene Saison, nur dass Union Berlin dabei ist. Viele Mannschaften sind im Mittelfeld auf Augenhöhe, die Bundesliga ist in dieser Tabellenregion sehr ausgeglichen. An der Spitze ist Bayern nach wie vor das non-plus-ultra, auch wenn die Tabelle auch dort gerade sehr eng ist.
Bis Weihnachten stehen noch sechs Spiele an, ein sehr intensives Programm.
Khedira: Vor allem für die Mannschaften, die international spielen und viele Nationalspieler haben, ist das eine enorme Belastung. Für uns ist es noch in Ordnung, weil wir den gewohnten Rhythmus haben. Dieses Jahr fehlen aber die zehn bis 14 Tage Regenerationszeit an Weihnachten. Damit umzugehen, wird schwierig, weil wir danach bis März einen komplett eingetakteten Rhythmus mit vielen Spielen haben. Da muss man auf seinen Körper hören und ihn pflegen, um der Verletzungsgefahr entgegen zu wirken. Man muss vom Kopf frisch sein und dasGanze mit Spaß angehen. Das ist der wichtigste Faktor. Wir sind privilegiert, dass wir unseren Job trotz Corona-Pandemie ausüben dürfen. Natürlich ist es nicht ganz so schön, in einem leeren Stadion zu spielen. Aber wir dürfen Woche für Woche das machen, was wir lieben. Und wir haben ja immerhin die Feiertage frei und können die mit den Familien verbringen. Danach geht es aber Schlag auf Schlag weiter. Wenn man Fußballer aus Leidenschaft ist, freut man sich einfach darauf.
Ihr Vertrag läuft Ende dieser Saison aus. Gibt es da Neuigkeiten?
Khedira: Bis jetzt hat es noch keine Verhandlungen gegeben. Wir haben sehr gute Gespräche geführt. Die Wertschätzung ist gegenseitig vorhanden. Aber einen neuen Stand gibt es noch nicht.
Aber drängt nicht langsam die Zeit?
Khedira: Wir machen uns keinen Stress. Noch sind es sieben Monate, da ist nicht die allergrößte Eile angesagt. Wir müssen erst sehen, dass wir unseren sportlichen Weg so fortsetzen, dann wird man sehen, was passiert.
Der FC Augsburg ist aber nach wie vor Ihr erster Ansprechpartner.
Khedira: Ja, das habe ich immer so gesagt und das bleibt auch so. Ich fühle mich wohl hier und es spricht nicht viel dagegen, zu verlängern.
Sie haben aber schon häufiger betont, dass Sie sich in Ihrer Karriere auch mal einen Wechsel ins Ausland vorstellen könnten.
Khedira: Ich bin ein Fan davon, im Ausland zu spielen. Das ist etwas Neues und hilft bei der Persönlichkeitsentwicklung. Man lernt eine neue Sprache, Mentalität und Lebensweise kennen. Da nimmt man auch als Mensch sehr viel mit. Das wollte ich schon immer mal machen. Ob es sich irgendwann ergibt, weiß man nicht. Aber im Ausland zu spielen, ist schon ein Traum für mich.
Aber keiner, der sich sofort erfüllen muss.
Khedira: Ich bin jetzt 26, man wird sehen, was passiert. Ich habe es jetzt nicht eilig, aus Deutschland raus zu kommen. Wenn sich aber eine Möglichkeit ergibt, bin ich offen für alles.
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