Es ist eine fast zehn Jahre alte Geschichte – und dennoch sagt sie viel aus über Thomas Tuchel: Zu Beginn der Saison 2010/11 traten seine Mainzer beim damaligen Top-Klub VfL Wolfsburg an. Die Niedersachsen gingen schnell 3:0 in Führung. Dass die 05er das Spiel noch mit 4:3 gewannen, ist neben der mannschaftlichen Geschlossenheit auch der Taktik von Tuchel zu verdanken gewesen.
Als der Trainer nach Abpfiff mit seinem Team den Sieg feierte, offenbarte der gebürtige Krumbacher auch seine andere Seite: Noch während der Feier in der Kabine stauchte er seinen Pressesprecher zusammen, weil dem tags zuvor ein Fehler bei der Autorisierung eines Interviews unterlaufen war.
Bei Thomas Tuchel wechseln sich Genie und Wahnsinn ab
Wie nah bei Tuchel Genie und Wahnsinn, lockerer Kumpeltyp und jähzorniger Diktator nebeneinanderliegen, ist in der aktuellen Biografie über den heutigen Pariser Coach des Autorenduos Daniel Meuren und Tobias Schächter nachzulesen.
Auch wenn Tuchel, wie er auf Twitter betonte, das Buch "weder in Auftrag gegeben, noch daran mitgearbeitet" hat, ist das Ergebnis ein eindrucksvolles Porträt, das sich aus vielen Gesprächen mit ehemaligen Weggefährten Tuchels speist.
Julian Nagelsmann erinnert sich über seine Anfänge beim TSV Gersthofen
Neben großen Teilen seiner damaligen Mainzer Mannschaft kommt auch der heutige Leipziger Trainer Julian Nagelsmann zu Wort, mit dem Tuchel eine Vergangenheit beim FC Augsburg verbindet. Der damalige Jugendleiter des FCA war es nämlich, der seinen Ex-Spieler Nagelsmann nach dessen verletzungsbedingtem Karriereende dazu überredete, zuerst als Videoanalyst für die U23 des FCA und danach als Trainer zu arbeiten.
Nagelsmann erinnert sich in dem Buch über seine Anfänge, als er 2008 eine Partie des TSV Gersthofen in der Landesliga gescoutet hat – und wie nervös der damals 21-Jährige war, als er Tuchel sein auf vielen Zetteln notiertes Ergebnis präsentierte: "Beim ersten Mal habe ich zu Thomas gesagt, ich weiß jetzt nicht, ob es das ist, was du dir erhofft hast. Es war ja auch sehr ausführlich."
Nagelsmann schlief nach den Trainingseinheiten unter Tuchel im Zug ein
Dass die Karrieren der neben Jürgen Klopp aktuell gefragtesten deutschen Trainer ihren Ursprung in der Reserve des FC Augsburg haben, ist zwar kurios, aber nicht neu. Dennoch arbeiten Meuren und Schächter Details heraus, die es noch nicht zu lesen gab. So erinnert sich Nagelsmann heute noch daran, dass er auf den Heimfahrten von Augsburg nach München oft im Zug einschlief, weil das Training unter Tuchel auch für den Kopf so anstrengend gewesen sei.
Im Mittelpunkt des Buches steht der Versuch, sich dem Wesen Tuchels zu nähern. Es ist die Geschichte von einem, der besessen ist von seiner Arbeit, sich mit seinem Verhalten aber immer wieder im Weg steht. Letztlich führt diese Kombination in Mainz und in Dortmund zum Bruch, bringt Tuchel aber auch zum Top-Klub Paris St. Germain. Zum spannendsten an Tuchels Geschichte gehört es aber, dass sie längst noch nicht auserzählt ist.
Info zum Buch: Thomas Tuchel – Die Biografie. Verlag Die Werkstatt. 192 Seiten, 19,90 Euro.
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