In der Geschäftswelt bleibt selten Platz für Dankbarkeit. Gelobt wird, wenn Ziele erreicht werden. Weil Erfolg schnell verblasst und sich der Blick stets nach vorne richtet, denken Macher strategisch. Im professionellen Fußball verhält es sich nicht anders, letztlich steht das Wirtschaftliche im Vordergrund. Das Spiel mag hoch emotional sein, Führungskräfte entscheiden rational und mit Kalkül. Nur so lassen sich die derzeitigen Vorgänge beim Fußball-Bundesligisten FC Augsburg erklären.
Während der von Gefühlen geleitete Fan die Trennung von Vereinsikone Baier beklagt, hat Sportgeschäftsführer Reuter kühl analysiert. In Baier sahen er und Trainer Herrlich keinen Mitarbeiter, der hilft, Ziele zu erreichen. Folglich inszenierten sie einen Abschied, der öffentlich harmonisch wirken soll.
Ähnlich will die Sportliche Leitung mit Torwart Luthe verfahren. Seit dessen Verpflichtung vor vier Jahren dient dieser als verlässlicher Ersatz, der im Notfall einspringt. Die FCA-Verantwortlichen sahen in ihm nicht weniger. Vor allem aber: Sie sahen in ihm nie mehr.
Luthe stand beim FCA nur im Tor, wenn andere zuvor enttäuschten
Luthe stand lediglich dann längere Zeit im Tor, wenn zuvor auserkorene Stammtorhüter enttäuscht hatten. Nach dem Weggang des Schweizers Hitz musste Luthe daher Giefer, Kobel und Koubek den Vortritt lassen. Als Nächstes wird ihm Neuzugang Gikiewicz vorgezogen. Als der Pole im März ablösefrei zu haben war, sicherte sich der FCA dessen Dienste. Für Luthe hat sich die Situation diesmal jedoch gravierend verändert, nicht mal mehr als Ersatz ist er eingeplant.
Für den Tschechen Koubek hat der FCA eine Ablöse von 7,5 Millionen Euro bezahlt, abgesichert hat der Klub diese Investition mit einem Fünfjahresvertrag. Wegen Koubeks schwacher Darbietungen ist sein Marktwert jedoch abgestürzt, ein Verkauf wäre mit enormem Verlust verbunden. Wobei sich eh die Frage stellt: Welcher Verein sieht in Koubek aktuell eine Verstärkung? Daher plant der FCA ihn als Ersatzmann ein, den der neue Torwarttrainer in Form bringen soll. Luthe wollte ein weiteres Mal um den Stammplatz konkurrieren, diese Chance soll er aber nicht erhalten.
Die FCA-Fans schätzen Andreas Luthe
Das Problem des FCA: Die unpopuläre Entscheidung gegen Luthe erzürnt die Fans. Luthe hätte aus deren Sicht mehr Dankbarkeit verdient. Weil der 33-Jährige als Angestellter des FCA vieles richtig gemacht hat. Auf dem Rasen steht er nicht für Spektakel und herausragende Paraden, ihn umgibt jedoch Ruhe und Gelassenheit. Das überträgt sich auf eine Abwehr und verhilft zu Stabilität. Kämpfte der FCA gegen den Abstieg, war Luthe ein wichtiger Erfolgsfaktor. Weil er abseits des Platzes intelligent, eloquent und sozial engagiert auftritt, genießt er in der FCA-Anhängerschaft hohe Wertschätzung.
Noch hat Luthe einen Trumpf in der Hand: Sein Vertrag läuft bis Sommer 2022. Ihn einfach so loszuwerden, dürfte für den FCA schwierig werden.
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